Thema: Deutsche Post Neuheiten: Cryptowahnsinn erreicht auch Deutschland
Jürgen Häsler Am: 22.10.2023 18:02:38 Gelesen: 23366# 59@  
@ DL8AAM [#54]

Richtig, das einzige echte Problem haben eigentlich nur Sammler nach MICHEL-Nummern, denn der Michel hat in seiner Systematik den "Fehler" (Wertfrei gemeint!) gemacht, dass nassklebende und selbstklebende Versionen der "gleichen" Ausgabe eine eigene Hauptnummer bekommen (haben) - und eben nicht nur abc-Unternummern.

Das war eine reine "interne" Entscheidung von Michel, die je nach Betrachtungsweise Sinn oder keinen keinen Sinn macht. Bisher war das ja auch nie ein echtes Problem. Jetzt wird das aber zu einem, denn die selbstklebende Variante (wenn es so kommen sollte) gibt es wohl nur als "(Ein-) Markenset" oder eher als "Pseudo-Block" - und nur in der "Kryptoeinheit". Ansonsten wäre das nichts anderes, als jedes andere Produkt der Kartonphilatelie, die jeder kaufen kann, der Spass daran hat. Aber so "zwingt" die Post, die "traditionellen Michelnummern-Sammler" zum Kauf - oder zum Bruch mit ihrer Sammelungsidee, dass ist das Problem, das vielleicht u.U. sogar zum Problem für die Philatelie werden könnte.


Hallo Thomas,

Du hast hier das "Problem" in brillanter Weise analysiert. Eigentlich habe ich Deiner Analyse nichts hinzuzufügen.

Die Entscheidung von MICHEL, für die selbstklebenden Parallelausgaben eine eigene "Hauptnummer" zu vergeben, kann man durchaus nachvollziehen. Teilweise waren die Motive beider Ausgaben zwar identisch, das Markenbild bei der selbstklebenden aber deutlich kleiner als bei der nassklebenden Variante. Auch die Zähnung der selbstklebenden Variante trägt dazu bei, dass man die selbstklebenden Marken als "eigenständig" betrachten kann.

Ich selbst glaube nicht daran, denn die allermeisten aktiven Philatelisten haben sich sowieso schon lange von der strengen "Michel-Komplettsammlungsidee" veranschiedet. Die Michelnummer ist für "uns" nur noch eine Systematik für die Ansprache, für die Benennung einer Briefmarke, weniger für eine Vollständigkeitsliste.

Auch hier liegst Du aus meiner Sicht richtig. Die meisten "fortgeschrittenen" Sammler dürften sich von der Idee der "MICHEL-Komplettsammlung" bereits verabschiedet haben.

Für "uns" dürfte das also kein Problem darstellen. Wir dokumentieren das Tun der Post, wenn wir wollen und Spass dran haben - auch Kryptos, oder eben auch nicht, im Gegensatz zu den letzten verbliebenen "Casuals", den Komplettsammlern mit Abo-Bezug. Denen fehlt die Hauptnummer in ihrer "100-Jahre-Vollständigsammlung" - und wer weiss wie viele deshalb "hinwerfen"? Denn wir können sicher davon ausgehen, falls die Post mit dieser Ausgabe kommerziell erfolgreich "durchkommt", dass mehr Parallelausgaben (mit eigener Michel-Hauptnummer) kommen. Ich gehe mal davon aus, dass die Mehrzahl der Abo'isten auf (Michel-) Vollständigkeit sammeln. Kündigen deshalb u.U. mehr ihr Abo (da fehlt die "Krypto-Hauptnummer"), als Krypto-Extrabesteller nachrücken? Das bzw. die Hauptnummer ist das eigentliche Problem - für uns und auch für die Post.
Genau das ist die spannende Frage, auf die wir aber bald eine Antwort bekommen werden. Wie reagieren die "MICHEL-Komplettsammler" auf die Krypto-Marke der Deutschen Post AG und werden dadurch neue Sammlerschichten erschlossen ?


Du kannst auch eine interessante Gegenfrage stellen.

Was hat die Marketing-Abteilung der Deutschen Postphilatelie dazu bewogen, bei der ersten "Deutschland"-Kryptomarke den Krypto-Teil formal von der "herkömmlichen" Marke abzutrennen und in einem Booklet gemeinsam unterzubringen ?

Aus meiner Sicht ist das ein strategisch sehr gelungener Schachzug. "Klassische" Sammler der selbstklebenden Variante (wie auch ich selbst) erhalten ZWINGEND
ein NFT. Viele Sammler werden sich bei der Plattform Ciphers.me anmelden, ihr NFT abrufen und eine Wallet dort einrichten.

Durch den Betrieb dieser Handelsplattform wird sich ein Preis am Markt bilden. Die Phygitale (digitale Kunstwerke) erhalten also eine Bewertung durch Angebot und Nachfrage.

Umgekehrt besteht die begründete Hoffnung, dass Sammler der jüngeren Generation (die einen starken Bezug zur "digitalen Welt" haben) beginnen, sich für den "physischen Teil" ihrer auf Ciphers.me gehandelten Phygitale zu interessieren. Das sind nämlich die "klassischen" Briefmarken. Und da jedes Phygital als digitaler Zwilling eines physischen Objekts nur ein einziges Mal existiert, sind beide miteinander verbunden. Können aber voneinander getrennt verkauft bzw. getauscht, jedoch auch wieder in einer Hand vereint werden.

Wichtig ist, dass wir die Jugend dort "abholen", wo sie sich befindet, nämlich in der digitalen Welt. So können wir der Jugend die "alte" analoge Welt näherbringen und versuchen, den "klassischen" Sammlern den Einstieg in die "virtuelle", digitale Welt näherzubringen.

Falls das funktioniert, wird es dem Sammeln von Briefmarken einen starken Impuls geben.

Und wie Eric Scherer in [#19] richtigerweise festgestellt hat, braucht der "Kryptomarkt" eine Anschubfinanzierung. Wenn die Deutsche Post AG also einen Teil ihrer ca. 2 Millionen Euro, die sie beim Verkauf der 250.000 Kryptomarken als "Aufgeld" erlöst, in den Betrieb einer (zunächst kostenlosen) Handelsplattform Ciphers.me investiert, dann ermöglicht sie dadurch die Entstehung einer neuen Form des Sammelns.

Und wenn sich am Ende zeigt, dass ein Phygital der ersten Krypto-Marke "Brandenburger Tor" nur 2 Cent wert ist und keine EUR 8,30, dann ist das eben so.
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/18395
https://www.philaseiten.de/beitrag/327475