Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
bayern klassisch Am: 27.08.2015 09:11:07 Gelesen: 335824# 9@  
@ bayern klassisch [#120]

Liebe Freunde,

doch nicht so einfach ...

Der Postvertrag Preußens mit den Niederlanden vom 1.4.1851 bestimmte, dass Briefe 2 Anteile am Franko (wie hier) bzw. Porto aufzuweisen hatten: 1. den Anteil für den betreffenden Postvereinsstaat, hier Bayern und 2. den Anteil für die Niederlande.

Hierbei galten für den Postverein 3 Entfernungsstufen von bis 10, über 10 bis 20 und über 20 Meilen, bei den Niederlanden nur 2: Bis 30 niederländische Meilen ab der preußischen Grenze, oder darüber.

Demzufolge waren Briefe aus dem rechtsrheinischen Bayern über 20 Meilen mit 9 Kreuzer bis zur preußisch - niederländischen Grenze anzusetzen und für die Niederlande im 1. Fall 4 Kreuzer und im 2. Fall 7 Kreuzer zu taxieren bzw. zu zahlen.

Für die Niederlande übernahm Preußen die Weitergabe des dortigen Frankos, weshalb man in der Postgeschichte auch von einem Weiterfranko spricht. Da Preußen mit den Niederlanden nur in eigener Währung, dem Silbergroschen, abrechnen konnte, war das Weiterfranko logischerweise in Silbergroschen zu berechnen, denn Kreuzer kannte man in Preußen nicht.

Die Niederlande sollten 5 Cents = 1 Silbergroschen für Briefe des 1. Rayons bekommen und 10 Cents = 2 Silbergroschen für Briefe nach weiter weg. Da Amsterdam über 30 niederländische Meilen von Preußens Ausgangsgrenze entfernt lag, waren also 2 Silbergroschen Weiterfranko vom Absender in Bayern zu vergüten.

Nur für den Postverein galt eine vereinfachte Reduktion von Silbergroschen zu Kreuzern mit einem Kurs von 1 zu 3, also 1 Silbergroschen kam 3 Kreuzern gleich. Die tatsächliche Währungsparität zwischen Groschen und Kreuzer war aber 1 zu 3,5! Diese Brüche hätten bei paritätischer Verrechnung auf Postvereinsbriefen zu einem heillosen Durcheinander geführt, so dass man zu Recht sagte, dass im Postverein 1 Sgr. nur mit 3 Kreuzern anzusetzen war und alle Taxierungen somit leicht nachvollziehbar waren.

Musste Preußen aber Gelder für das Ausland als Weiterfranko vergüten, so benötigte man natürlich die tatsächlichen Gebühren, in denen ja auch der Postvertrag abgeschlossen worden war und auf deren entsprechender Höhe die Saldierung erfolgte.

Daher waren die 2 Silbergroschen, die Bayern hier als Weiterfranko an Preußen für die Niederlande zu kassieren hatten, in 7 Kreuzer umzurechnen (2 mal 3,5 = 7 Kreuzer)und nicht, wie im Postverein, in 6 Kreuzer.

Da Bayern aber 9 Kreuzer für sich bis zur Grenze Preußens - Niederlande kassierte, hätte man 7 Kreuzer als Weiterfranko ab 1.4.1854 mit Marken frankieren müssen. Das ist unterblieben. Statt dessen hat die Aufgabepost auf der Siegelseite eine falsche Addition mit 15 Kreuzern notiert und folglich auch nur 15 Kreuzer in Marken geklebt (bis 31.3.1854 war das Weiterfranko für die Niederlande nicht in Marken frankierbar, sondern musste siegelseitig als bar kassiert aufgeschrieben werden).

Wie wir vorn (rote 2) und hinten (blaue 2 von Preußen und blaue 10 Cents = 2 Silbergroschen auch von Preußen) sehen, hat man tatsächlich 2 Silbergroschen an Preußen für die Niederlande vergütet, weshalb Bayern nun keine 9 Kreuzer von den verklebten 15 Kreuzern verblieben, sondern nur noch deren 8.

Die Aufgabepost (nicht der Absender!) sorgte also dafür, dass Bayern einen Kreuzer zu wenig erhielt und es würde mich nicht wundern, wenn man bei einer Innenrevision (die gab es auch noch Jahre später, weil Bayern nur wenige Revisoren hatte) festgestellt hätte, dass ein Kreuzer zu wenig in der Kasse war und man den Expeditor von Gefrees um eben diesen Betrag im Nachhinein erleichterte.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/8122
https://www.philaseiten.de/beitrag/111746