Thema: Kulturgutschutzgesetz: Für den Erhalt des privaten Sammelns
drmoeller_neuss Am: 17.11.2015 18:15:09 Gelesen: 39004# 48@  
Richard, vielen Dank für den Hinweis auf das Interview im Handelsblatt, aus dem ich zwei Passagen herausgreifen möchte, um die Problematik des geplanten Gesetzes zu erörtern:

Handelsblatt: Neu sind aber die Sorgfaltspflichten.

Grütters: Auch die sind nicht neu. Jeder Händler muss beweisen, dass die Ware nicht gestohlen ist oder illegal erworben wurde. Das ist eine Selbstverständlichkeit.


Mein Kommentar: Das trifft genau nicht zu. Im Kulturschutzgesetz kommt es zu einer Beweislastumkehr. Auch ohne konkreten Verdacht muss der Händler den Beweis des redlichen Erwerbes erbringen und 30 Jahre aufbewahren. Im übrigen kann sich der Erwerber bei öffentlichen Auktionen auf gutgläubigen Erwerb stützen, siehe §979 Abs. 2 BGB. Der Gesetzgeber hat genau diese Ausnahme vorgesehen, um die besonderen Umständen von Auktionen zu berücksichtigen.

Handelsblatt: Wie viel Provenienzforschung muss künftig sein?

Grütters: Es geht um eine möglichst weitgehende Feststellung der Herkunftsgeschichte des Objekts - soweit der Aufwand wirtschaftlich zumutbar ist. Diskretion und der Quellenschutz bleiben gewahrt bis zum Konfliktfall.


§41 spricht von "erforderlicher Sorgfalt", von "außergewöhnlich niedrigen Preisen" und "vernünftigen Personen". Wie bei vielen Gesetzen üblich, redet man um den heissen Brei herum und überlässt die Festlegung der Details der Rechtssprechung. Auch die Staatssekretärin möchte sich nicht festlegen und redet von einer "möglichst weitgehenden Feststellung".

Viele Forenmitglieder beissen sich am Begriff der "Sammlung" fest. Einmal davon abgesehen, dass vieles eben keine "Sammlung" ist, wie ein Händlerlager oder eine Sammlung eben eine lockere Aneinanderreihung von einzelnen, in sich abgeschlossenen Teilsammlungen ist, greift hier die m.E. hohe Wertgrenze von 100.000 EUR. Wer Auktionskataloge studiert, wird merken, dass solche Objekte die Ausnahme auf dem Briefmarkenmarkt darstellen.

Viel kritischer ist die Wertgrenze von 2.500 EUR, ab der die "Sorgfaltpflichten" greifen, wenn Kulturgut über die Grenze gebracht wird. Das bedeutet in erster Linie Bürokratie für Auktionshäuser, die international agieren. Viele bessere Belege überschreiten diese Preisgrenze und sind nur grenzüberschreitend abzusetzen. Dank der ungenauen Formulierungen im Gesetz besteht die konkrete Gefahr der staatlichen Schikane, die Auktionshäuser wirtschaftlich in die Knie zwängen kann, indem die Ware willkürlich festgehalten wird. Einlieferer und Bieter aus dem Ausland kommen dann nicht mehr zum Zug.

Hier muss nachgebessert werden, entweder muss der Begriff "anderes Kulturgut" im §42 Abs. 2 Satz 3 genauer gefasst werden, oder die Wertgrenze muss deutlich angehoben werden.

Auch die "Herkunft von Kulturgut" kann Fragen aufwerfen: Wie ist ein Preussen-Brief aus Breslau (Wroclaw) in die USA einzustufen? Ist das deutsches, polnisches oder gar amerikanisches Kulturgut, oder sind §32 Satz 2 die Regeln aller Staaten zu einzuhalten?

Und am Rande: Die Altersgrenzen verschiedener Kategorien von Kulturgütern werfen Fragen auf. Bei Sammlungen gibt es keine Altersgrenze, bei Gemälde eine Grenze von 70 Jahren und bei Verkehrsmitteln ist die Grenze 150 Jahre ! Da war wohl die Oldtimerlobby aktiv gewesen, da nur noch Pferdekutschen als Kulturgut geschützt sind, nicht aber alte Autos und Lokomotiven. Auch technische Denkmale, die nicht unter Baudenkmäler fallen, fallen durch das Raster.
 
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