Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
bayern klassisch Am: 18.04.2016 08:30:34 Gelesen: 331693# 43@  
Liebe Freunde,

ein bisschen außergewöhnlich darf auch mal ein schlicht anmutender Brief innerhalb der Pfalz sein, auch wenn man es ihm auf den ersten Blick kaum anzusehen vermag.



Geschrieben wurde er in Landau am 30.5.1858 und ging an "Seine Wohlgeboren Herrn Friedrich Scholler in Minfeld bei Kandel". Der Absender frankierte 3 Kr. bis 1 Loth für reine Pfalzbriefe per schmuckem Randstück (für mich eine Platte 4, obwohl es die erst seit Okt. 1858 geben soll).

Der Ort Minfeld war ohne eigene Postexpedition postalisch nur von Kandel, damals amtlich: Langenkandel zu erreichen. Demzufolge erklärt sich auch der Halbkreisstempel von Langenkandel siegelseitig.

Nur in der Pfalz wurde das Institut der Landpostboten (Ruralboten) zum 1.10.1858 eingeführt - im rechtsrheinischen Bayern erst 2 Jahre später. Doch im Mai 1858 war die postalische Versorgung "auf dem platten Lande" in der Pfalz noch den Kantonsboten überlassen, die von den Gemeinden bezahlt wurden, also keine Porti bzw. Gebühren erhielten und sich durch die Aufgabe und Abgabe von Briefschaften von und an Private finanzierten (neben ihrem Grundgehalt der Gemeinden, hier: Langenkandel).

Ergo nahm der Kantonsbote am 31.5.1858 diesen Brief vom Postexpeditor an sich und trug ihn für 2 Kr. (siegelseitig notiert und mit Rötel umrahmt) nach Minfeld (ca. 3 km), wodurch wir einen 5 Kreuzer - Brief haben.

4 Monate später wäre der Kandeler Landpostbote mit dem Brief nach Minfeld gelaufen und hätte ihn kostenlos abgegeben, weil sein Gehalt von der bayer. Staatskasse bezahlt wurde und er ein individuelles Bestellgeld nicht anzusprechen hatte.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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