Thema: Der Nachbarortsverkehr der Deutschen Reichspost vom 1.4.1900-5.5.1920
mumpipuck Am: 27.11.2016 00:35:04 Gelesen: 63774# 84@  
Als Heimatsammler von Bergedorf (heute Hamburg-Bergedorf) interessieren mich auch einige Verbindungen des Nachbarortsverkehrs. Heute geht es mir um die Relation Billwärder-Hamburg, die ab 01.04.1900 bestand.

Billwärder hatte eine eigene Postagentur. Trotzdem sind viele Belege aus und nach Billwärder über das Postamt in Bergedorf geleitet worden. Seit 01.04.1900 galt zwischen Billwärder und Hamburg (nicht aber zwischen Bergedorf und Hamburg) der ermäßigte Tarif des Nachbarortsverkehrs. Mit liegen mehrere Belege mit drei verschiedenen Einzeilern "Billwärder" oder "aus Billwärder" aus den Jahren 1902-1906 vor. Es geht mir darum zu ergründen, wo und warum diese angebracht wurden.



Es fällt auf, dass die Vermerke/Stempel "aus Billwärder" sich ausschließlich auf in Bergedorf gestempelten Belegen nach Hamburg oder (in einem Fall nach Bergedorf) finden, die zum ermäßigten Tarif im Nachbarortsverkehr frankiert sind.

Ich habe daraus die These abgeleitet, dass zumindest ein Teil der Post von/nach Billwärder regelmäßig über das Postamt Bergedorf, statt über die Postagentur in Billwärder geleitet wurde. Diese Vermerke/Stempel gälten dann der Vermeidung der Erhebung von Nachgebühren, da der ermäßigte Tarif ja zwischen Bergedorf und Hamburg nicht galt. Grund dafür könnte die Weitläufigkeit des Gebietes Billwärders gewesen sein.

Neu bekommen habe ich eine Ganzsache, gestempelt in Bergedorf am 19.11.1900:



Diese trägt statt der oben diskutierten Einzeiler "Billwärder" oder "aus Billwärder" aus den Jahren 1902-1906 einen handschriftlichen Vermerk "Aus Billwärder" Dann folgt ein für mich nicht eindeutig lesbarer Name und das Datum 19/11. Dieser Vermerk ist somit ein Vorläufer der oben genannten Einzeiler.

Meine These wird m.E mit den vorliegenden Beleg erhärtet. Erstmalig gelang es mir einen Absender aus Billwärder zumindest annähernd zu lokalisieren. Laut Fernsprechverzeichnis von 1912 befand sich die Firma "Carl Pfützner Nachf. Import für Gärtnereibedarf" in Oberbillwärder, Oberster Landweg 26-28. Mit der Karte wird ein Angebot für Gartenschläuche erbeten, so dass das der Absender sein dürfte. Die Straße gibt es heute nicht mehr. Aber es gibt den Unteren, Mittleren und Oberen Landweg. Diese verlaufen jeweils in Nord-Süd Richtung. Der Untere ganz im Westen (heute Hamburg-Billbrook) der Obere im Osten Billwärders (heute Hamburg-Billwerder) und der Mittlere dazwischen. Das erlaubt die Annahme, dass der "Oberste" ganz im Osten zu lokalisieren ist.

Die Postagentur Billwärder befand sich im Westen Billwärders in der Nähe des Unteren Landwegs. Das Gebäude besteht noch unter der Adresse Billbrookdeich 284. Das Postamt Bergedorf befand sich in der Kampstraße (heute Weidenbaumsweg) direkt am Bahnhof.

Nimmt man den Oberen Landweg, so beträgt die Entfernung zum Postamt Bergedorf weniger als 1 km, die zur Postagentur Billwärder ca. 5,5 km auf einer kurvenreichen, wohl unbefestigten Deichstraße. Bei einer angenommenen Lage des Obersten Landwegs noch weiter östlich wüchse der Unterschied weiter. Das war bei der damaligen Straßenbeschaffenheit und den vorhandenen Verkehrsmitteln ein erhebliche Distanz. Ferner konnte die Post nach Hamburg in Bergedorf auf die Bahn gegeben werden.

Weiteres Indiz ist der Absenderstempel mit der Angabe "Billwärder-Bergedorf". Bergedorf war keinesfalls ein Ortsteil Billwärders, sondern der wesentlich größere Ort. Somit kann diese Angabe als Leitweg "der Teil Billwärders, der über Bergedorf geleitet wird" interpretiert werden.

Dafür sprechen auch zwei Belege vom 16.06.1899 und vom 22.03.1905 (letzterer an besagte Fa. Pfützner), auf deren Anschriften hinter Billwärder ebenfalls "Bergedorf" ergänzt wurde:



Beide tragen Eingangsstempel von Bergedorf und nicht von Billwärder, der von 1899 zusätzliche einen der Postagentur im benachbarten Allermöhe!

1912 wurde der westliche, industrialisierte Teil Billwärders als "Hamburg-Billbrook" nach Hamburg eingemeindet. Die Postagentur Billwärder wurde entsprechend umbenannt.



Der dörfliche Teil im Osten hieß weiter Billwärder und erhielt erst im Rahmen der Landpostverkraftung 1929 eine Poststelle eben des Postamts Bergedorf. Auch dieses ein Indiz für meine These.



Leider habe ich (noch) keinen besseren Abschlag.

Wenn man den Namen auf dem handschriftlichen Vermerk aus Personalakten der Post klären könnte, wäre es auch möglich die Frage zu beantworten, wo die "aus Billwärder" Vermerke angebracht wurden. In Frage kommen hier die Briefträger, die die Post in Billwärder entgegengenommen oder Postkästen geleert haben oder das Postamt Bergedorf.

Um meine These zu erhärten, würde ich mich freuen, wenn Ihr weitere Belege, die zwischen Billwärder und Hamburg oder allgemein nach Billwärder gelaufen sind, zeigen würdet.
 
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