Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
bayern klassisch Am: 19.05.2017 13:16:44 Gelesen: 319285# 146@  
Liebe Freunde,

es gibt Briefe, die sind von außen so unscheinbar, dass man sie leicht übersehen könnte. Erst mit ihrer Öffnung und dem Lesen des Inhalts offenbaren sie sich uns. Solch einen möchte ich heute hier vorstellen.





Geschrieben in Nürnberg am 28. und 29.11.1870 müssen wir uns in die Zeit hinein versetzen: Der Krieg zwischen den deutschen Staaten und Frankreich hatte Ende Juli 1870 begonnen und seit dem 19.7.1870 gab es keine Postgrenze zwischen Bayern und Frankreich mehr, so dass die Briefe aus Bayern geschlossen nach München zu verschicken waren, wo sie abgestempelt und in geschlossenen Briefpaketen über die Schweiz nach Frankreich zu leiten waren. Mehrkosten entstanden den Korrespondenten hüben wie drüben nicht, weil die Transite von den beiden involvierten Postverwaltungen getragen wurden, wodurch die Schweiz ein paar Sondereinnahmen bekam, auf die in Friedenszeiten nicht zu rechnen war.

Eine Firma aus Nürnberg hätte nun bei Konformität mit den Verhältnissen 12 Kreuzer für bis 10g schwere Briefe frankieren müssen. Bayern wären 4,8 Kr. verblieben, abzüglich eines pauschalen Transits durch die Schweiz und Frankreich hätte 7,2 gutgeschrieben bekommen (ohne Transitschmälerung).

Statt dessen zog man es vor, den Brief, wie auch immer, im frankreichnahen Genf in der lieblichen Schweiz frankiert aufzugeben, was 30 Centimes (Rappen) kostete, denn auch für den Postvertrag Frankreichs mit der Schweiz war er einfach und wiegt heute noch 4g! Ausweislich der Siegelseite kam er auch schon einen Tag nach Absendung von Genf aus (2.12.1870) schon dort an.

Was im Genfer Stempel unten steht, vermag ich nicht zu interpretieren: SUCC - RIV lese ich da.

Ich kenne keine weiteren Brief, der diesem gleicht und der Gewinn betrug hier nur 3 Kreuzer, dafür aber hatte man viel Mühewaltung, denn von Nürnberg nach Genf waren es immerhin satte 750 km mit der Bahn zu fahren und das war schoon ein Stück, damals wie heute.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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