Thema: Vorphilatelie Schweiz
bayern klassisch Am: 15.07.2017 12:02:03 Gelesen: 43588# 44@  
@ bignell [#42]

Hallo Harald,

was für ein schöner Brief! Da bin ich ja hingerissen, so gut kommt der rüber. :-)

Nach der Währungsumstellung Zürichs vom 1.7.1836 zahlte der Absender 22 Rappen (siegelseitig zu sehen) am Schalter. Daher korrekt Franco und Zürich gestempelt. Ob der Absender in der Zukunft lebte, oder die Post ihren Aufgabestempel falsch eingestellt hatte, wird man nicht herausfinden können - jedenfalls sind Stempel von gestern i. d. R. schon am Morgen korrigiert worden, während hier der Nachmittags - Stempel zum Einsatz kam, so dass ich eher an einen Fehler des Absenders hinsichtlich des Schreibdatums denke.

1 Kreuzer entsprach 2 2/3 Rappen, daher, wenn man möchte, bezahlte der Absender rechnerisch gut 8 Kreuzer. Das war korrekt für einfache, bis 1/2 Loth wiegende Briefe, denn Zürich kassierte 6 Kr. bis zur Grenze via Österreich (kostenloser Transit) bzw. über den Bodensee mit dem Dampfboot (auch kostenlos) und kreditierte Bayern 2 Kr., die auch siegelseitig notiert wurden. Ich halte 1847 die Leitung über den Thurgau via Romanshorn und dann mit dem Dampfboot für die höchstwahrscheinliche, nur beweisen kann man das nicht.

Hier sieht man schön die Zürcher Hände - die "Normalpost" vermerkte am Schalter in Rötel die 22 Rappen, das Austauschbüro für die Auslandskorrespondenz notierte immer in violetter bzw. weinroter Tinte die fremden bzw. eigenen Taxen, je nachdem, woher und wohin ein Brief laufen sollte.

Der Zielort war aber nicht Lindau, sondern Reutin, phonetisch "Reitin" geschrieben, welches nicht auf der Insel lag, wie Lindau, sondern 400 m entfernt. Daher trug der Stadtbriefträger Lindaus den Brief nicht aus, sondern sollte ihm einen konzessionierten Boten geben, der seinen Kreuzer Bestellgeld mit Rötel vorderseitig vermerken ließ, auf den er einen Anspruch hatte, auch wenn 400 m nicht gerade einen Marathonlauf darstellten.

Alles in allem ein tolles Stück Postgeschichte zwischen Bayern und Zürich (oder der Schweiz, wie man will), das viel Spaß macht, zu dem man einiges sagen kann und das kein Vermögen kostet und uns doch alle in seinen Bann zieht, wenn man bedenkt, wie komplex schon diese relativ nah gelegenen Postorte im Postnetz ihrer Zeit verwoben waren.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
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