Thema: Wir erinnern uns heute an ...
Max78 Am: 29.11.2017 21:34:54 Gelesen: 264712# 78@  
Guten Abend zusammen,

es ist nicht einfach, einen neutralen Beitrag zum Thema "Drittes Reich" zu verfassen, aber eine Erinnerung daran kann nie schaden. In einer Zeit, in der sich Deutschland mit Hilfe anderer wieder zu einem der finanzstärksten Länder "hochgearbeitet" hat, aber andererseits durch die globale Flüchtlingskrise etwas direkter mit den Folgen konfrontiert ist und des längeren Menschen wieder der Meinung sind, man sollte Richtung rechts abbiegen, kann es nicht schaden, die Realität von damals aus dem Karton zu holen und sich klar zu machen, dass es einem nicht gerade schlecht geht.

Aus meinem Archiv heute eine Ganzsache P 312 mit Propagandavordruck "Der Führer kennt nur Kampf, Arbeit und Sorge. Wir wollen ihm den Teil abnehmen, den wir ihm abnehmen können". Ich weiß nicht wieviel Prozent der Menschen diesen Spruch im Jahre 1943 noch unterschrieben hätten, es waren aber mit Sicherheit nicht mehr so viele wie 10 Jahre zuvor, als man sich die "Macht ergriff". Slogan und textlicher Inhalt von solchen Ganzsachen stehen oft im Widerspruch, genau wie der Katalogpreis zum historischen Wert.

Marie von Bothmer, Mutter von 5 Kindern, deren Ehemann längst durch die Folgen des 1. Weltkriegs verstarb, berichtet in folgendem Kärtchen über die Folgen von den schweren Luftangriffen auf Berlin (Battle of Berlin). Nach der Zerstörung ihrer Wohnung in einem der typischen Berliner Gartenhäuser in der Spichernstraße kam sie mit ihrer Tochter bei dem Expressionisten Erich Heckel unter, der in engem Kontakt zu Mariechen's Söhnen stand. Bei den selben Luftangriffen wurde auch die nächstgelegene Wilhelm-Gedächtnis-Kirche getroffen und erhielt später im Volksmund den Namen "Hohler Zahn".

29.11.1943, Berlin-Charlottenburg:



M. von Bothmer b. Heckel / z. Zt. Berlin W 15 / Emserstr. 21/5, d. 29.11.43 Liebe Mutter! Heute Mittag kam der erste Gruß von Dir und erquickte mein Herz! Hab' tausend Dank dafür! Ja, du hast recht, zu loben und zu danken; denn hinterher vor allem ist uns klar, in welch großer Gefahr wir waren, besonders Tora, denn sie kam ziemlich spät in den Keller, hatte mit Umsicht noch allerhand eingepackt, ließ ihren Koffer, um schneller bei mir zu sein, im Gartenhaus. 5 Minuten später schlug die Sprengbombe ins Nebenhaus. Als sie dann nochmals ins Gartenhaus lief, ihren Koffer zu holen, war die Haustür herausgerissen und hatte die Oberin des im Parterre untergebrachten Schwesternheims erschlagen, die sich noch hatte retten wollen. Tora forderte Hilfe an, aber keiner konnte helfen. Sie mußten sich um die Rettung der Lebenden kümmern. Auch nachher, als wir im Torweg des Gartenhauses standen und nicht mehr zur Straße gelangen konnten, weil die Mauern am Einstürzen waren, das Vorderhaus brannte und hinten auf unserem Hof ein Brandherd durch Phosphor entstanden war, war ja eigentlich kein Entrinnen mehr, wenn uns nicht ein beherzter Mann noch geholt und durch den Luftschutzkeller, den Mauerdurchbruch, den Keller des Nebenhauses und dann durch das brennende Haus hindurch geholfen hätte. Ein paar noch Zurückgebliebene sind nachher noch über die Mauer des Gruppenkommandos geklettert; aber wir hätten das nicht gekonnt ohne Leiter; es brannte ja auch das Gebäude. Ja, wir können still zusammen sein. Wir wohnen einfach und primitiv, aber warm und haben in Heckels sehr liebenswürdige Wirte, die uns in keiner Weise das Schwere unserer Lage fühlen lassen. Wir dürfen auf der Heizplatte Teewasser, Milch und geholtes Essen abends warm machen. Gas gibt es nicht. Bald mehr und innige Grüße von Tora und deinem gehorsamen Mariechen.

allen eine schöne und besinnliche Adventszeit, mit Grüßen Max
 
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