Thema: Altdeutschland Bayern Eingehende Briefe
bayern klassisch Am: 30.12.2017 11:03:51 Gelesen: 225573# 217@  
Liebe Freunde,

aus Zofingen, 20 km südwestlich von Aarau gelegen, kommt eine Drucksache der Firma Hans Adam Senn vom 5.10.1833 an Zumstein nach Kempten, die nicht als Drucksache verpackt und aufgegeben wurde, sondern dem Forwarder in Lindau übergeben wurde. Auch dieser gab sie nicht der Post (in Lindau), wie wir das häufig bei diesen Korrespondenzen sehen, sondern brachte sie direkt nach Kempten, weswegen wir keine Poststempel und Taxen sehen.



Viele Sammler wundern sich, warum Drucksachen nicht einfacher der Post übergeben wurden, waren sie doch teils sehr günstig zu befördern. Auch liest man hier "franco" auf der Vorderseite, was viele Sammler gar nicht verstehen können, weil doch dieser Vermerk immer hinsichtlich von Postgebühren und Taxen gesehen wird, was aber teils gar nicht stimmt bzw. stimmen muss.

Der Vermerk "franco" bedeutete nur, dass der Absender für die Zahlung des Transporteurs (das konnte eine Staatspost sein, eine Privatpost, ein Forwarder, ein Bote amtlich, dienstlich, privat, konzessioniert, aber auch ein Reisender oder ein Familienmitglied) gesorgt hatte, wenn nicht bis zum Empfänger, dann bis zu einem Punkt, der dann anzugeben gewesen wäre.

Die Folge der Anbringung eines solchen Vermerkes auf einem Brief / einer Drucksache, die per Forwarder zugestellt wurde, war die, dass Z. auf einen Blick sah, dass er dem Überbringer aus Lindau nichts zu geben hatte.

Noch etwas zum Inhalt, den ich für interessant halte: Die Seidenpreise waren deutlich gestiegen und die Firma Senn in Zofingen hatte wohl so viele Kunden, dass sie es für ratsam hielt eine Vorlage zu vervielfältigen, um diese dann als Brief oder Drucksache ihren Kunden zuzusenden. Dabei darf nicht vergessen werden, dass das gemeine Volk nicht wusste und wissen durfte, wie teuer (oder günstig) die Waren von den Händlern bzw. Herstellern waren. Seidenwaren waren damals sehr teuer und sind es noch - da wollte man nicht haben, dass Hinz und Kunz wussten, welche (i. d. R. großen) Gewinnspannen zwischen Ein- und Verkauf lagen.

Es ist zu vermuten, dass auch eine teurere Beförderung mit der Post nicht dazu geführt hätte, sie offen zu versenden und damit jedem die Möglichkeit zu geben, Firmeninterna auszubaldowern.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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