Thema: Potschta - Stempel auf Briefen, Briefstücken und Marken alle falsch
GR Am: 23.01.2018 15:42:45 Gelesen: 187735# 336@  
@ stampmix [#327] und [#296]

Ich hoffe, ich habe die beiden Beiträge insoweit richtig verstanden, dass die Schlussfolgerungen "Die alten BPP-Atteste testierten die Echtheit einer Briefmarke. Die neuen BPP-Atteste die Echtheit einer Marke - ohne Brief."

Also alles im grünen Bereich. Es handelt sich um "beliebte" Fälschungen irgendwelcher Marken (vielleicht sogar Vignetten?), die irgendwie in Verkehr gebracht wurden, sowie irgendwann und irgendwie mit einem Stempel in Berührung kamen; noch dazu oftmals nett adressiert und ohne die hässlichen Beförderungsspuren.

Da kann es schon Liebhaber für geben. Wo soll da ein Problem sein?" als Ironie richtig interpretiert.

Ich möchte aber vorsorglich die Frage, "wo da ein Problem sein ... soll" auch noch ernsthaft beantworten:

Dabei gehe ich davon aus, dass ein Grossteil der Nutzer des MICHEL Deutschland Spezial die darin enthaltenen Hinweise für richtig und umfassend hält. Hinzu kommt, dass diejenigen Sammler, die einmal eine "Potschta" erworben haben, dafür einen erheblichen finanziellen Aufwand betreiben mussten und der Überzeugung waren, eine echte philatelistische Rarität mit nachhaltigem Wert erworben zu haben. Da ist es verständlich, wenn die Tatsache, dass die angebliche "Rarität" mit guten Argumenten als solche in Zweifel gezogen wird, nur missmutig zur Kenntnis genommen wird. Wer ist schon gerne Opfer eines Betruges, anstatt zu einer relativ kleinen Schar von Privilegierten zu gehören? Nach den Ausführungen von Herrn Strobel habe ich keine Zweifel, dass es sich bei der Beschaffung der Potschta um eine Straftat gehandelt hat, sei es zunächst als Unterschlagung der Markenbögen, sei es als fortgesetzter Betrug und Urkundenfälschung bei der Abstempelung der Marken und Briefe und deren anschliessendem Verkauf an Sammler.

Dass hierbei mehrere Personen mit erheblicher krimineller Energie gemeinschaftlich handeln zu Werke gegangen sind, dürfte juristisch auch klar sein.

Wäre ich Justitiar des BPP e.V. - der ich nicht bin - und hätte ich als solcher vom Rundbrief 72 Kenntnis erlangt, hätte ich auf die strafrechtlichen Risiken, die mit weiteren Attesten verbunden sein können, wie auch dem weiteren Inverkehrbringen attestierter Marken und Belege deutlich hingewiesen. Dass die BPP. e.V. Prüfer rechtlich als "Sachverständige" anzusehen sind, obliegt ihnen die Verpflichtung, sich auch mit den neuen Erkenntnissen ihres Fachgebietes zeitnah vertraut zu machen. Sachverständigengutachten, also auch "Atteste" und "Befunde" müssen den anerkannten Stand der Wissenschaft berücksichtigen. Wer dies unterlässt, handelt fahrlässig, da er "die im Verkehr erforderliche Sorgfalt" nicht walten lässt. Wer in Kenntnis des neuen Wissensstandes weiter "Echtheit" annimmt, oder so formuliert, dass der unbefangene Auftraggeber "Echtheit" annehmen kann, handelt strafrechtlich vielleicht schon mit "bedingtem Vorsatz", nimmt also "billigend in Kauf", dass jemand diese Marke und/oder den Stempel darauf für "echt" hält.

Zivilrechtlich und damit haftungsrechtlich stellt sich die Frage, ob im Rahmen der sog. "nachvertraglichen Fürsorgepflicht" der Aussteller eines Attestes nicht sogar verpflichtet ist, früheren Kunden, die nach Erscheinen des Rundbriefes 72 mit den Ausführungen von Herrn Strobel, ein Attest oder einen Befund erhalten haben, die Zweifel an der Attestierung oder dem Befund nachträglich noch mitzuteilen, um zu verhindern, dass dieser Auftraggeber im Fall einer Weiterveräusserung selbst Schwierigkeiten bekommt.

Wenn ich dann sehe, dass z.B. der Präsident des BPP e.V., Herr Christian E. Geigle folgendes Angebot in seinem Shop hat:

Los 0003335422 Sowjetische Zone

Michel

41

Beschreibung

1945, Potschta, 12 Pf. rot, postfrisches Luxusstück vom Unterrand (angefaltet), auch dort tadellos postfrisch, unsigniert mit FA Ströh "einwandfrei"




https://www.philasearch.com/de/i_9385_113597/1370_Sowjetische_Zone/9385-0003335422.html?breadcrumbId=1516717311.3084&row_nr=5

Das dort gezeigte Attest von Herrn Ströh stammt aus dem Jahr 2000.

Dann zweifle ich doch daran, dass die Problematik hier vollumfänglich erkannt wurde.

Da ich aus ein paar Semester Geschichte studiert habe, ist mir noch der Satz meines damaligen Professors Dr. Heiner Haan im Gedächtnis: "Erkenntnis führt nicht notwendiger weise zu einem anderen Handeln".

Auf Philasearch.com/de lassen sich unter dem Suchbegriff "Potschta" etliche aktuelle Angebote und vor kurzem abgeschlossene Verkäufe finden.

Da zitiere ich auch gerne die Inschrift des Hosenbandordens: "„Honi soit qui mal y pense“ (ein Schelm, wer Böses dabei denkt). Ob es eine Staatsanwältin oder ein Staatsanwalt im Ernstfall auch bei dieser eher jovialen Sichtweise belassen wird, wage ich zu bezweifeln.

Gerhard Reichert

[Abbildungen redaktionell eingefügt]
 
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