Thema: Zurück und nachgeschickt
volkimal Am: 03.02.2018 12:51:31 Gelesen: 384779# 483@  
Hallo zusammen,

diesen stark vergilbten Brief habe ich vor langer Zeit sehr billig in einer Rundsendung gefunden. Auf den ersten Blick ein normaler Retour-Brief, aber beim genaueren Hinsehen doch etwas Besonderes:



Der Brief wurde am 15.04.1872 / 5-6 N. von Darmstadt aus an das Großherzogliche Landgericht Zwingenberg geschickt. Er kam noch am selben Tag in Zwingenberg an (Ankunftsstempel vom 15.04.1872 / 8-9 N.M.).

Frankiert ist er mit 3 Kreuzer, dem Porto für Briefe bis 15 Gramm. Das Porto für Briefe über 15 g betrug 7 Kreuzer. Vermutlich war der Brief zu schwer, denn er trägt einen blauen Taxvermerk. Es könnte sein, dass es „E P 8 K“ = „Extra Porto 8 Kreuzer“ bedeutet. Den blauen Vermerk links daneben kann ich nicht entziffern. Vielleicht ist es eine Gewichtsangabe.

Das Landgericht hat den Brief nicht angenommen, da er mit Nachporto belastet war. Der Brief bekommt auf der Rückseite den Vermerk „Annahme verweigert. Absender kann nicht angegeben werden. Name(?) Brieftrg.“ Zusätzlich wird auf der Rückseite der Stempel Unbestellbar abgeschlagen.

Am 16.04. geht der Brief wieder nach Darmstadt zurück. Auf der Vorderseite in blau „16/4 retour Darmstadt“, auf der Rückseite der Stempel von Zwingenberg vom 16.04.1872 / 7-8 V.M. In Darmstadt angekommen wird am 16.04. der Ausgabestempel № 4 abgeschlagen.



Da der Absender nicht bekannt ist, wird der Brief zur Ermittlung des Absenders geöffnet und mit einem Siegel wieder verschlossen. Das Siegel trägt den Text „Amtlich eröffnet bei der Kön. Preuss. Ober-Postdirection Darmstadt“. Dabei stellt man als Absender fest „Abs.: Ohlỳ Hofg. Adr.“ und vermerkt dieses in rot auf der Rückseite des Briefes. Schließlich wird der Brief zugestellt und bekommt einen zweiten Ausgabestempel № 4 vom 18.04.1872.

Darmstadt gehörte erst vom 1.7.1867 an zur preußischen Post. Vorher gehörte Hessen zum Postgebiet Thurn und Taxis. Es handelt es sich um eine sehr späte Verwendung eines Lacksiegel-Verschlusses der preußischen Post in der Zeit des Deutschen Reiches. Im Archiv für deutsche Postgeschichte (Heft 2/75) ist ein passender Artikel von Karl Kurt Wolter: „Erscheinungsformen des Retour-Briefes in Deutschland“.



In der Briefhülle steht nur dieser Text. Dadurch wird klar, dass noch ein weiteres Blatt eingelegen haben muss. Das Gewicht des Briefes lässt sich also nicht mehr feststellen. Hier der Text, den ich nur zum Teil entziffern kann:
Links: „Ich finde keine Insinuationsbescheinigung für Ohlỳ! W.“
Rechts: „??? die Insinuation der Notiz an Ohlỳ vom 14 ten April zu ??? / und 30. Juli 72 / 29./4. 72“

Kann jemand von euch den Rest entziffern?

Im Internet fand ich [1]: Hans Friedrich Christian Carl Albrecht Ohly (* 27. Dezember 1829 in Buchenau (Lahn); † 20. Dezember 1891 in Darmstadt). Vielleicht war er ja der Absender des Briefes.

Ohly besuchte das Gymnasium in Gießen und studierte danach Rechtswissenschaften. Im Anschluss an die Referendarzeit wurde er 1862 Advokat am Hofgericht Großherzogs Ludwig III. in Darmstadt. 1871 trat er in den Gemeinderat Darmstadts ein. Ohly, der ein begnadeter Redner gewesen sein soll, vertrat nationalliberale Ideen und setzte sich für ein demokratisches Reich unter preußischer Führung ein. Ohly war von 1874 bis 1891 der erste hauptamtliche Bürgermeister von Darmstadt.

Viele Grüße
Volkmar

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Albrecht_Ohly
 
Quelle: www.philaseiten.de
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