Thema: (?) (668) Postverhältnisse Bayern - Österreich
bayern klassisch Am: 10.02.2018 12:53:14 Gelesen: 213858# 238@  
Liebe Freunde,

der folgende Brief ist leider nicht datiert und für mich auch nicht datierbar, muss jedoch zwischen 1861 und 1867 verschickt worden sein. Das tut meiner Freude aber keinen Abbruch, denn es ist wohl ein fast einmaliges Stück.



Aufgegeben wurde er in Wien unter Recommandation und gerichtet war er an Ihre Hochwohlgeboren Frau Louise von Stahl geborene Almasy de Török Sz Miklos in Salzburg. Der Absender war wohl kein Österreicher, sonst hätte er verwaltungskonform den Brief mit 15 Neukreuzern als Franko innerhalb Österreichs über 20 Meilen geklebt, aber die Recogebühr von 10 Neukreuzern siegelseitig angebracht. Um so schöner für uns heute, denn die beiden roten K. K. Brief - Filialamt - Recommandirt - Wien 18.9. - Stempel sind eine echte Augenweide; danke dafür, liebe Freunde damals.

Er lief dann mit der österreichischen Eisenbahn bis Salzburg, wurde dort jedoch nicht zugestellt, weil die Empfängerin wohl in Nonnthal N. 32 wohnte. Nonnthal lag bei Berchtesgaden in Bayern, so dass der Brief ca. 10 km weit über die Grenze lief und man versuchte, ihn dort zuzustellen. Dies gelang nicht, so dass man Nonnthal bei Berchtesgaden strich und ihn nach Berchtesgaden zurück brachte, jetzt aber mit "poste restante" versehen.

Die gute von Stahl scheint ihn dort auch irgendwann in den nächsten 6 Monaten (bei recommandirten Schreiben verdoppelte sich die Lagerzeit!) abgeholt zu haben, denn eine Rücksendung ist nicht ersichtlich.



Liest man sich meinen Text durch und schaut sich den Brief von vorne an, könnte man glauben, dass es siegelseitig eine Vielzahl von Vermerken und Stempel geben sollte, oder zumindest könnte. Leider ist hinten gar kein Stempel angebracht worden, nur von der Hand des Absenders Harkenfels No 459 Stadt sein Name und sein Logis in Wien.

Da er zuerst nicht per poste restante nach Salzburg gelaufen war, wurde er auch nicht ausgeliefert, so dass es keine Taxe für eine erneute Postaufgabe geben durfte. Als Abzugsbrief hätte ihn Salzburg aber vorne auf der Marke abstempeln müssen. Bei seiner Auslieferung in Berchtesgaden aber hätte er zwingend mit dem Ortsstempel bedruckt werden müssen, weil bei poste restante Briefen ab diesem Datum die Lagerzeit zu laufen anfing. Auch das war unterblieben. Die 4 Kreuzer, die er bei seiner Auslieferung an die adelige Dame kostete, stehen natürlich auch nirgends, so wenig wie die Lagernummer, unter der er im Lagerbuch aufgeführt werden musste, erkenntlich ist.

Halten wir also mal kurz die Contraventionen bei diesem Brief in chronologischer Reihenfolge fest:

1. Absender verklerbt Recomarke von 10 Nkr. vorne, statt hinten.
2. Abgabepost in Salzburg stempel nicht Ankunft dort.
3. Aufgabepost in Salzburg stempelt nicht vorne auf der Marke für den Abzug des Briefes nach Bayern.
4. Ankunft in Berchtesgaden nicht mit Stempel bestätigt.
5. Grund für die Nichtzustellbarkeit in Nonnthal nicht notiert, nur gestrichen, poste restante und Berchtesgaden notiert.
6. Stempel der Abgabepost in Berchtesgaden bei der Rücksendung von Nonntal nicht abgeschlagen.
7. Lagerbuchnummer des jetztigen poste restante Briefes in Berchtesgaden vergessen.
8. 4 Kreuzer Lagergebühr zu notieren vergessen.

Ich denke, man wird sehr lange suchen müssen, um einen weiteren Brief mit 8 Fehlern zu finden, wenn einem das überhaupt einmal gelingen sollte - ich bin da eher skeptisch!

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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