Thema: **** (?) Portugal Klassik bis zum Jahr 1900
Michael Ehrig Am: 25.02.2018 20:11:50 Gelesen: 45969# 75@  
@ Pepe [#74]

Die Unterbrechung der Außenlinie ist einer von mehreren für die Type VI typischen Defekte des Druckstempels. Diese Defekte treten, wie gesagt, wegen des Einzeldruckverfahrens im gesamten Bogen von 28 Marken auf. Nicht jede Marke der Type VI zeigt jedoch immer alle Defekte, da sich diese erst im Laufe der Zeit durch Beschädigungen des Druckstempels einstellten oder sich Einkerbungen oder Kratzer im Druckstempel während des Druckprozesses mit Farbresten zusetzten. An der von Dir gezeigten 5 Réis-Marke der Type VI zeige ich die darauf sichtbaren Defekte mit der entsprechenden Kennzeichnung nach Vieira (in Kleinbuchstaben):



Deine Marke zeigt also die Defekte a, d, e, f, g, h, während sie die Defekte b, c und i, die bei der Type VI auch vorkommen können, nicht sichtbar sind.

Wie es sich mit den Typen der Druckstempel und den Defekten verhält ist der speziellen Produktionsmethode geschuldet. So handelt es sich bei der Herstellung der Druckstempel um ein mehrstufiges Verfahren. Ich beschreibe hier mal kurz den Herstellungsprozess bei den Ausgaben für die Marken mit geschweiften Wertbändern bzw. Wertbändern in Türbogenform.

A) Zunächst wurde der Königskopf aus einem Stück Metall in erhabener Form geschnitten/gefräst.
B) Das Metallstück (Punção Reprodutor Original = Originaler Reproduktionsstempel) mit dem plastisch gearbeiteten Königskopf wurde sodann gehärtet und dann in ein Stück weichen Metalls eingeprägt.
C) Dieses weiche Metallstück (Matriz Geral = Allgemeine Matrize) enthielt nun den Königskopf in vertiefter Form, sonst war es glatt.
D Der Graveur gravierte nun den Rest der Markenzeichnung, jedoch ohne die Wertziffern, in die Allgemeine Matrize ein. Die Allgemeine Matrize wurde nun gehärtet.
E) Von dieser gehärteten Matrize wurde mit einem weichen Metallstück ein Abdruck gefertigt, der Allgemeine Reproduktionsstempel (Punção Reprodutor Geral). Dieser enthielt das Markenbild ohne die Wertziffern.
F) Nach dem Härten wurden von diesem Allgemeinen Reproduktionsstempel, wiederum durch Eindrücken in weiches Metall, mehrere Matrizen hergestellt, nämlich so viele, wie der Markensatz an Werten enthielt. In jede dieser Matrizen wurden nun die Wertziffern eingraviert. Anschließend wurde die Matrizen gehärtet.
G) Nun wurde mittels der Matrizen für jede Wertstufe jeweils ein Reproduktionsstempel (Punção Reprodutor) aus weichem Metall hergestellt, der dann wieder gehärtet wurde.
H) Von diesem Reproduktionsstempel wurden nun für jede Wertstufe die Arbeitsstempel (Cunhos do Serviço) hergestellt, die das Markenbild - wie zuvor die Matrizen - als Vertiefungen enthielten.

Die erhabenen Stellen der Arbeitsstempel wurden beim Druckprozess eingefärbt und druckten die Farbflächen wegen des flexiblen Gegenstempels aus Leder, der sich unter dem Papier in der Druckmaschine befand, vertieft in das Papier ein, während die weißen Teile der Markenzeichnung in die farbfreien Vertiefungen des Arbeitsstempels gedrückt wurden und damit als erhaben geprägt erschienen.

Da das ganze Herstellungs- und Druckverfahren nicht gerade materialschonend verlief, mussten sowohl die Arbeitsstempel als auch die Matrizen der verschiedenen Werte abhängig von den Auflagezahlen erneuert werden (also musste der Prozess ab F) bzw. H) wiederholt werden). Da bei der Erneuerung der Matrizen die Wertziffern jeweils neu graviert werden mussten, kam es zu Unterschieden in der Stellung der Wertziffern innerhalb der Wertbänder und damit zu den verschiedenen Typen bei den Ausgaben der geschweiften Wertbänder bzw. Wertbändern in Türbogenform.

Ich hoffe das war jetzt weder zu kompliziert, noch zu langweilig.

Viele Grüße

Michael
 
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