Thema: Sudetenland: Verborgene Schätze
Markus Pichl Am: 03.03.2018 11:59:00 Gelesen: 86461# 89@  
@ Pete [#84]
@ rudi63 [#86]

Hallo Pete, Hallo Rudi,

vielen Dank, für die Recherche.

Die Bewertung von "-.-" im Michel Spezial 1981/82 kann darauf hinweisen, dass diese Serie in diesen erstmals oder nur kurz vorher Einzug in diesen gehalten hat. Persönlich gehe ich davon aus, dass es bis 1976 nicht möglich war, da dies evtl. an einem Veto von Dr. Dub gescheitert wäre. Dr. Dub verstarb im Jahre 1976.

@ alle

In der über die Michel-Kataloge hinausgehende Fachliteratur wird diese Serie erstmals in der 1. Auflage (2011) des Handbuchs von Gerhard A. Späth aus dokumentarischen Gründen aufgeführt, unter vielen Hinweisen und Gedanken, die vermitteln, dass hier noch vieles nicht geklärt ist.

In der zweiten Auflage des Handbuchs von Herrn Späth erscheint ein vollständig überarbeiteter Text zu dieser Serie und es heißt nun: Über diese briefmarkenähnlichen Abbildungen ist nur wenig bekannt. Es handelt sich nicht um überdruckte tschechische Marken sondern um Bildchen, die Briefmarken nachahmen. [...] Die tschechischen Wertangaben mit deutscher Propaganda weisen eher auf Spendenmarken als auf Postwertzeichen hin. Keinesfalls handelt es sich um amtliche Briefmarken.

Tschechische Wertangaben können es nicht sein, da statt "Kc" ein "Kr" angegeben wird.

Ferner kann ich noch folgendes von mir, zu der Betrachtungsweise von Herrn Späth, ergänzen. Die geographische Bezeichnung für das auf den Vignetten abgebildete Gebiet ist "Böhmisches Niederland", auch sogen. Rumburger oder Schluckenauer Zipfel genannt. [1] Diese geographische Bezeichnung verwendet auch Dr. Hörr in seinem Handbuch.

Ab dem 22.09.1938 verstand sich das Gebiet als Autonom. Die Entstehungsgeschichte der Rumburger Postwertzeichen ist im Handbuch Dr. Hörr sehr gut erklärt, inkl. dessen, dass damals sogar die Rumburger Befreiungsausgabe an den Weltpostverein in Bern gemeldet und belegt wurde, was der Weltpostverein mit zwei Schreiben vom 3.10.1938 (Zahl Nr. 6970) und vom 5.10.1938 (Zahl Nr. 7050) bestätigte. Angaben gemäß Handbuch Dr. Hörr.

Auch die Inschrift "befreit durch Adolf Hitler am 22.9.1938", in den briefmarkenähnlichen Gebilden, ist so nicht wirklich richtig, wenn auch das Deutsche Reich in diesen Tagen einen immensen Druck auf die Tschechei ausübte und die Welt in Atem hielt. Die Autonomie wurde, wenn auch nicht ganz gewaltlos, im Rumburger Zipfel von innen heraus vollzogen. Deutsche Soldaten überquerten die Grenze erst am 01.10.1938 gegen 14 Uhr. Siehe Bericht von William Shirer. [2] Durchaus gehe ich davon aus, dass ohne dem Drohpotential des Deutschen Reiches, eine Autonomie in diesem Gebiet nicht lange haltbar gewesen wäre.

In der Entstehungsgeschichte, der Druckzeit, Verausgabung und Verwendung dieser Postwertzeichen, ist keinerlei Raum für "nicht verausgabte Briefmarken". Das wird sich jedem erschließen, der die Seiten 332 bis 446 im Handbuch Dr. Hörr durchliest. Seine Recherche war sehr umfangreich, erfolgte bereits 1939 inkl. Befragung von Postdirektor Erben, der in den besagten Tagen im Jahre 1938 von der Bezirksleitung der Sudetendeutschen Partei die Neuordnung des gesamten Postwesens in Nordböhmen übertragen erhielt.

Wer auch immer diese Vignetten oder Spendenmarken gedruckt hat, es war nicht die damalige Postverwaltung und ich glaube auch nicht, dass es die Sudetendeutsche Partei war.

Beste Grüße
Markus

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%B6hmisches_Niederland
[2] http://www.radio.cz/de/rubrik/geschichte/september-1938
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/54
https://www.philaseiten.de/beitrag/174006