Thema: Baldwin's Coins & Stanley Gibbons in der Strand Collectibles Group vereinigt
Carolina Pegleg Am: 30.06.2009 20:24:34 Gelesen: 97518# 12@  
Hallo Freunde,

ich hoffe jetzt nunmehr wieder etwas aktiver mitmischen zu können; zwar für die nächsten paar Wochen nunmehr weitgehend ohne Sammlung (die ist schon vorab umgezogen), aber immerhin ist jetzt zeitlich etwas mehr Luft.

Es wird eine Weile dauern sich rückwärts durch alle Themen zu lesen. Hier hat es mir aber doch gleich in den Fingern gejuckt . . .

Ich möchte zunächst noch einmal in Erinnerung rufen, wie wir überhaupt auf das Thema Stanley-Gibbons gekommen sind. Es war im Zusammenhang mit dem Thema "Einfluß der Wirtschafts- und Finanzkrise auf die Philatelie" (http://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?ST=1212&CP=0&F=1). Im allgemeinen kann man den Einfluss der Finanzkrise auf bestimmte Industriesektoren leicht an den Aktienkursen der in diesen Industrien tätigen Unternehmen ablesen. Es ist dann relativ leicht zu sehen, ob z. B. das Baugewerbe härter oder leichter von der Krise betroffen ist, als z. B. Chemie, Pharmazie, Lebensmittelmärkte, oder jeder andere denkbare Geschäftsbereich.

Bei der Philatelie ist ein solcher Vergleich schwierig, weil es kaum börsennotierte Unternehmen gibt. Eine beinahe einzelne Ausnahme ist eben Stanley-Gibbons. Für diese Firma haben Analysten die Meinung geaeussert, dass der Sammlermarkt "resilient" ist, d.h. das Sammler aufgrund ihrer Sammelleidenschaft ihre Hobbyausgaben wegen der Wirtschaftskrise im allgemeinen nicht einschränken. Ich gebe damit nur die in den o.a. verlinkten Beitrag geaeusserte Meinung noch einmal wieder. Ich persönlich teile diese Einschätzung im allgemeinen schon, aber ob dies wahr ist, kann sicher diskutiert werden.

Im folgenden werden dann hier zwei Aspekte etwas verwischt: eine Investition in die Firma Stanley-Gibbons bzw. in die von SG angebotenen "Briefmarkeninvestitionen mit Mindestverzinsung." SG hat mehrere Geschäftsbereiche. Es ist eine Briefmarken- und Autogrammhandelsfirma, ein Auktionshaus, ein Katalogherausgeber etc. und sie hat eben auch einen Geschäftszweig, in dem Investitionen in Briefmarken angeboten werden.

Wenn es um die Investition in die Firma geht, sind alle bei Aktien typischen Risiken zu berücksichtigen. Wenn man der Meinung ist, dass der Sammlermarkt tatsächlich "resilient" ist, dann wäre SG eine Firma deren Entwicklung mit dem allgemeinen Börsentrend nur jeweils eine geringe Korrelation aufweist (was in einem Portfolio zur Risikostreuung im allgemeinen gerne gesehen wird). Abgesehen davon hat die allgemeine Wirtschaftslage auf SG möglicherweise insoweit einen positiven Einfluss, als die Nachfrage nach alternativen Investitionsformen davon positiv betroffen sein sollte. Dies ist alles nur "Meinung." Wer sich dafür interessiert, sollte die Finanzdaten, Börsenkurse etc. von SG genauer studieren. Ich habe dies nicht getan; nur einmal schnell drüber geschaut. Wie Richard es schon sagt: Dieser Text stellt weder eine Empfehlung noch eine Warnung dar!

Bezüglich der von SG angebotenen Investitionsmöglichkeiten in klassische Briefmarken wurde hier von Nigel und Lars alles wesentliche gesagt: Als generelle Aussage, Finger weg. Man muss sehr genau studieren, um was es sich handelt, was man da kauft. Ich habe auch hier wieder nur drüber geschaut. Ich bin von der Ausgestaltung nicht überzeugt. Grundsätzlich halte ich die Geschäfts idee allerdings für solide. Schon aufgrund der Mindestinvestition von zehntausend Pfund ist klar, dass hier nicht der Kleininvestor angesprochen wird. Für die glücklichen Besitzer sehr grosser Vermögen, wird allerdings im allgemeinen eine Diversifizierung auch in "alternative" Sachwerte (Kunst, Antiquitäten, Sammelgegenstände wie Münzen) empfohlen. Diesen Investoren ist eine Investition in Briefmarken aus praktischen Gründen im allgemeinen verschlossen. Es mangelt an Sachkunde, insbesondere im Hinblick auf die immens wichtige Erhaltungskriterien für Briefmarken und die richtige Aufbewahrung.

Nach meiner Meinung füllt SG hier einen echten Bedarf und eine Lücke, insoweit als SG als Agent seltene klassische Briefmarken für den Investor kauft, auf Wunsch sachgerecht aufbewahrt, und auch den Wiederverkauf übernimmt. Wie gesagt, über die Ausgestaltung im einzelnen kann und muss man Diskutieren. SG ist allerdings mit diesem Investitionsmodell konkurrenzlos und schliesst eine reale Lücke bei den Investionsmöglichkeiten für grosse Vermögen. Das von Lars angesprochene Konkursrisiko der Firma besteht natürlich, aber wird dadurch gemildert, dass einem ja immerhin die erworbenen klassischen Marken gehören (deren Auswahl und Zusammenstellung im übrigen hier der Investor anscheinend selbst beinflussen kann). Bewertung zu 100% Katalog ist natürlich ein Hammer. Bei 100% einwandfreien, seltenen klassischen Marken in Luxusqualität, wie sie von SG in den Investmentportfolios zusammengefasst werden, ist die Gleichung "Realwert = 100% Katalog oder mehr" allerdings auch nicht von vorneherein unrealistisch. Ich habe mich auf der Webseite von SG umgeschaut. Bei den Marken, die man sich da in sein Portfolio legen kann (wie gesagt, ab 10,000 Pfund Gesamtvolumen), spielen die Katalognotierungen m. M. praktisch kaum noch eine Rolle. Es ist beinahe alles "Liebhaberpreis."

Schliesslich: Die Eingangs-Fragestellung "Stanley Gibbons: Ermittelt die Börsenaufsicht?" ist zu verneinen. Ich habe nirgendwo etwas in dieser Hinsicht gelesen. Habe ich da etwas übersehen? -- Im Gegenteil, scheint sich SG aus eigenem Antrieb um eine Genehmigung ihrer Investmentprodukte durch die FSA zu bemühen (siehe [#1]). Der Plan ist offenbar die Investmentprodukte zu formalisieren und freiwillig der Aufsicht durch die FSA zu unterwerfen, um eine Grundlage zu schaffen, den Bereich weiter zu expandieren. Mittelfristig plant SG den Geschäftszweig in eine eigenständige Firma (mit Sitz in Schottland) auszugliedern. Ein Sprecher der FSA sagt, bislang gäbe es keinerlei ähnliche Geldanlagen, die der Überwachung der FSA unterlägen. Man müsse abwarten, was SG beantrage und würde dann entscheiden.

Die Sache wird sich wohl noch 1-2 Jahre hinziehen. Wenn die FSA die Aufsicht über die von SG angebotenen Investitionsmöglichkeiten übernimmt, würde dies den Anlageschutz verbessern und die von SG angebotenen Investitionen in Briefmarken würden in den mainstream der Anlageformen aufgenommen. Ich würde dies für eine sehr positive Entwicklung halten.
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/1345
https://www.philaseiten.de/beitrag/17487