Thema: Die berühmtesten und wertvollsten Briefmarken der Welt
Hornblower Am: 02.04.2019 09:27:45 Gelesen: 439659# 527@  
Ich habe meinen damaligen Beitrag gefunden und gebe ihn gern hier wieder, vielleicht interessiert es jemand ja:

Der „Trübsbach-Fehldruck“ sucht wieder einen Käufer

Seit seinem letzten Auftauchen auf dem internationalen Auktionsmarkt sind mehr als 10 Jahre ins Land gegangen, nun feiert er sein Comeback: das ungebrauchte Exemplar des Baden-Fehldrucks wird erneut von David Feldman in Genf auf seiner April Auktion 2008 angeboten.

In einer vorbildlichen Präsentation, die in dieser Form allgemein für Raritäten angemessen wäre, wird in englischer Sprache „The Unique Unused 1851 9 Kreuzer Error of Colour“ sehr professionell angeboten.

Neben einer allgemeinen Einführung wird vor allem der Hintergrund der ersten badischen Markenausgaben sehr detailliert beschrieben, auf die bekannten Exemplare des Fehldrucks eingegangen und dann die Geschichte des ungebrauchten Stücks geschildert. Selbst die Beschreibung des angeblichen „Simon-Fehldrucks“ fehlt nicht.

Eine solche Präsentation hat ihren Preis: zwischen 1 und 1,5 Mio. Euro soll die Marke erbringen – viel Geld für ein sehr umstrittenes Stück, das seit seinem ersten Auftauchen nach dem 1. Weltkrieg für viel Diskussionsstoff gesorgt hat.

Ausführlich hat sich in neuerer Zeit Wolfgang Maassen in seinem Buch „Echt oder falsch? – Fälschungen und Fälscher in der Philatelie“, Schwalmtal 2003 mit dem „Trübsbach-Stück“ beschäftigt. Dieser wertvolle Beitrag, der auch sehr umfangreiche Quellenangaben enthält, kann jedem, der sich mit dieser Marke beschäftigt, nur ans Herz gelegt werden!

Die Marke selbst hat ihren Namen von ihrem ersten bekannten Besitzer, dem Chemnitzer Fabrikanten Carl Julius Trübsbach, der seine herrliche Sammlung altdeutscher ungebrauchter Marken 1924 auf einer Berliner Ausstellung einer staunenden Öffentlichkeit präsentierte. Eines der Glanzstücke war ein ungebrauchtes Exemplar des bis dahin nur gestempelt bekannten Baden-Fehldrucks.

Er hatte die Marke 1919 auf einer Berliner Auktion erworben, wo sie ausdrücklich ohne Garantie für die Echtheit für 20.000 Mark angeboten worden war. Pikant wird die Sachlage aber dadurch, dass der Anbieter Rudolf Siegel hieß. Siegel, ein bekannter Händler und Auktionator, dessen Spezialgebiet die Klassik war, war auch Herausgeber der M.-und G.-Zeitung, die zahlreiche erstklassige Fachartikel aller klassischen Gebiete vorweisen konnte und Mitherausgeber des berühmten Kohl-Handbuchs. Leider entsprach sein Geschäftsgebaren nicht dem eines ehrlichen Kaufmanns. Durch Fälschungen und Reparaturen, die von Heinrich Köhler aufgedeckt wurden, ruinierte er seinen bis dahin guten Ruf. Seine Firma ging 1924/25 in Konkurs, was beinahe auch das Ende des Kohl-Handbuchs bedeutet hätte.

Aus dieser Quelle stammt nun das ominöse Stück, das nicht zuletzt deswegen schon bei seinem Auftauchen zu einem heftigen Schlagabtausch in der philatelistischen Fachpresse führte. Kritiker wie Carl Kolb warfen Trübsbach vor, dass die Marke nicht den blaugrünen Farbton des Fehldrucks, sondern den gelbgrünen der zweiten Auflage habe, und sie daher falsch sei. Allen bekannten Experten habe sie vorgelegen, keiner habe sie als echt attestieren wollen. Trübsbach, der ursprünglich selbst immer von einem gelbgrünen Stück gesprochen hatte, und erst, als er auf diesen Umstand aufmerksam gemacht wurde, behauptete, er hätte sich beim Studium des Kohl-Handbuchs vertan, seine Marke sei natürlich ebenfalls blaugrün, begründete die ausstehende Attestierung mit einem Fehlen von Vergleichsstücken. Daraufhin forderte Kolb ihn auf, die Marke Carl Lindenberg, dem Entdecker der Fehldrucke vorzulegen, was Trübsbach aber wohl nicht getan hat, zumindest ist ein solches Gutachten bis heute nie bekannt geworden.

Danach wurde es ruhig um das Stück. Am 2. Juni 1990 bietet es der Stuttgarter Auktionator Joachim Erhardt im Rahmen der 2. Versteigerung der Koch-Sammlung an und bezeichnet es als Probedruck. Dies wird durch zwei anerkannte Baden-Experten, Paul Würger und Josef Englert, bestätigt, die ebenfalls noch einmal ausdrücklich die andere Papierfarbe betonen, die angeblich auf einen Tresorbrand zurückzuführen sei. Diese Theorie vermag nicht recht zu überzeugen. Die Hitze, die bei einem das Papier verfärbenden Brand entsteht, muss doch auch die Gummierung zumindest zum Verlaufen bringen. Das Krakelee der Marke zeigt sich aber im Katalog makellos.

Das Stück wird für 12.500 DM zugeschlagen und taucht kurz danach, am 29. November 1991, erstmals bei David Feldman auf. Kurz zuvor hatte Normann Williams, ein bekannter englischer Philatelist, die Marke in einem Beitrag des Gibbons Stamp Monthly als echten Farbfehldruck bezeichnet.

Dies verfehlte offensichtlich nicht seine Wirkung, denn Feldman konnte stolz einen Zuschlag von 690.000 SFr vermelden. In der Folgezeit wurde es dann im Internet von amerikanischen Firmen mit Preisen von bis zu 2,5 Mio. $ offeriert, ohne aber einen Käufer zu finden.

In der neuen Losbeschreibung von Feldman werden nun jedoch einige Dinge behauptet, die so nicht unwidersprochen bleiben können. Dass das Stück seit seiner Entdeckung von niemandem in seiner Echtheit angezweifelt worden sei, wie im Text ausgeführt wird, wurde bereits oben widerlegt. Ganz im Gegenteil waren führende Experten zu allen Zeiten niemals von seiner Echtheit überzeugt. Dies geht allein schon aus der Tatsache hervor, dass kein maßgeblicher Experte ein entsprechendes klares und aussagefähiges Attest ausgestellt hat, was bei Raritäten dieser Größenordnung ansonsten selbstverständlich ist. Auch hat sich die Marke – von Trübsbach einmal abgesehen – noch nie in einer wirklich „großen“ Baden-Sammlung befunden, was am Geld sicherlich nicht liegen kann.

Auch die Aussage in der Losbeschreibung, dass es von Badens Erstausgabe keine Entwürfe gebe, und die Theorie, es handle sich bei diesem Stück um eine Art „Entwurf“ oder „vorläufige Ausgabe“ daher unlogisch und nicht haltbar sei, kann so nicht stehen bleiben. Von den ersten Marken Badens gibt es sehr wohl Entwürfe in Wasserfarben, die sich heute im Postwertzeichenarchiv befinden, in der Literatur beschrieben wurden und auch in Spezialkatalogen gelistet sind. Hier kann man ganz eindeutig sehen, dass ursprünglich geplant war, die 9 Kreuzer Marke in grüner Farbe auszugeben.

Daher gibt es in keiner Weise einen unwiderlegbaren Beweis („irrefutable fact“), dass es sich um den Fehldruck handelt.

Was ist es aber dann? Bevor wir zur Beantwortung dieser Frage kommen, muss noch ein anderes Stück besprochen werden, das vor 15 Jahren für Schlagzeilen sorgte und das Feldman ebenfalls aufführt, leider ohne jedoch die Pointe preiszugeben.

Es handelt sich dabei um den „Simon-Fehldruck“, der 1993 ebenfalls bei Erhardt in Stuttgart angeboten wurde. Seinen Namen hat das Stück von Siegfried Simon, dem Autor des ersten Baden-Handbuchs aus dem Jahr 1936 und seiner Zeit wohl führender Baden-Kenner.

Er hatte einen mit einer normalen blaugrünen 6 Kreuzer-Marke frankierten Brief, deren Marke rückseitig den Abdruck eines 9 Kreuzer-Werts aufwies. Drei deutsche Prüfer hatten in einem Attest die Echtheit bestätigt. Eine halbe Million DM sollte das Stück bringen. Im Vorfeld der Auktion wurden jedoch Bedenken vorgebracht, denn in einem alten Zeitungsartikel aus dem Jahr 1941 hatte Simon selbst dieses Stück beschrieben und als nachträglich angebrachten Abdruck eines noch vorhandenen Originalstempels der 9 Kreuzer bezeichnet. Angefertigt wurden diese Spielereien von einem badischen Sammler namens Maus, in dessen Besitz sich ein solches Klischee befunden hat. Der Baden-Prüfer Wolfram Seeger bestätigte dies später in einem ausführlichen Gutachten, in dem er auch auf andere, ihm bereits vorgelegte Stücke verwies.

Die Marke wurde von der Auktion zurückgezogen und verschwand sang- und klanglos in der Versenkung – die Pointe, die der Schweizer Katalog leider diskret verschweigt.

Im Abschnitt „The Known Examples“ wird im Gegenteil sogar beklagt, dass der „Simon-Fehldruck“, obwohl doch von drei Experten attestiert, nicht in den Katalogen, auch nicht im Spezial-Katalog von Peter Sem, aufgeführt sei. Der Grund dafür dürfte nach dem oben gesagten wohl verständlich sein.

Sem notiert in seiner letzten, 6. Auflage aus dem Jahr 2004 das ungebrauchte Stück auf S. 48, bezeichnet es dort jedoch als zweifelhaft. Der MICHEL-Deutschland-Spezial bewertete es zwischen 1993 und 1997 sogar mit 1 Mio. DM. Allerdings hat man die Katalogisierung mittlerweile wieder ersatzlos gestrichen, da es sich bei dem „ungebrauchten Stück um eine Druckprobe, Verfälschung oder ähnliches“ handele, wie die Redaktion lapidar mitteilte.

Und hier schließt sich nun auch wahrscheinlich der Kreis zum „Trübsbach-Fehldruck“, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf die gleiche Art wie die „Mauss-Briefe“ bzw. der „Simon-Fehldruck“ entstand.

Rudolf Siegel wird es wohl gelungen sein, sich eines der vier erhalten gebliebenen Klischees zu verschaffen und mit diesem bedruckte er einen entsprechend großen Bogenrand einer grünen Baden-Marke. Unterstützt wird diese These auch vom breiten Rand der 9 Kreuzer-Marke, auf den richtigerweise die Beschreibung auch ausdrücklich verweist. Aufgrund des engen Abstandes der Originale zueinander ist ein solch breitrandiger Schnitt sehr selten, alle Fehldrucke (auch die echten!) sind jedoch weder angeschnitten oder lupenrandig – sehr ungewöhnlich für Badens geschnittene Marken.

All dies erklärt problemlos die korrekten Angaben aller vorliegender Atteste der meist französischsprachigen Gutachter, dass der „Trübsbach-Fehldruck“ ein echter Abdruck auf Originalpapier ist. Zweifellos handelt es sich schon aufgrund ihrer Geschichte um eine faszinierende und interessante Marke, die in einer entsprechenden Sammlung durchaus einen besonderen Platz einnehmen sollte. Ob allerdings eine Million Euro oder mehr für einen Neudruck – und um nichts anderes handelt es sich meiner Ansicht nach – zu erzielen ist, bleibt abzuwarten.

Gruß
Michael Ullrich
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/1705
https://www.philaseiten.de/beitrag/200593