Thema: Kanadische Stempelgeschichte - die Werbestempel
Carolina Pegleg Am: 15.10.2009 05:14:07 Gelesen: 35869# 11@  
Zunächst Danke an Stefan (petzlaff) für die liebe Anerkennung in einem anderen Thema von heute. Ich muss sagen, mir macht das Schreiben hier Spass und ich freue mich, wenn der ein oder andere durch unsere Diskussionen etwas neues zu unserem schönen Hobby erfährt.

Nach dem ich in den letzten Fortsetzungen durch einige Jahrzehnte hindurchgerast bin, muss ich mir nun etwas mehr Zeit nehmen. Bei den konventionellen Werbestempeln der letzten 50 Jahre gibt es natürlich noch vieles zu Sagen und zu Zeigen, aber mir ging mein eigener Vortragton etwas auf den Nerv. Ich denke man kann auf dem gelegten Fundament Fehlendes leicht in interaktiver Form noch ergänzen. Vorgestellt oder wenigstens erwähnt ist jedenfalls praktisch alles was einem typischerweise an kanadischen Werbestempeln in die Finger kommt. Eintagsfliegen und Ausreisser habe ich weg gelassen. Ich bin mir auch nicht im klaren, ob ich diese überhaupt alle kenne. Über 90% der vorkommenden Werbestempel gehören aber sicher zu den bislang behandelten Arten.

Es bleiben nur mehr die Tintenstrahl-Entwertungen, die ich bislang synonym mit "ink jet" oder "jet spray" bezeichnet habe. Durchgesetzt hat sich m. W. noch keine Bezeichnung, aber wir wissen alle was gemeint ist, nämlich das:



Wir werden uns weltweit an diese neue Art der Entwertung gewöhnen müssen. Das Auftreten dieser Entwertungen ist mit der Postautomatisierung, insbesondere der automatischen Postsortierung verknüpft. Die automatische Postsortierung wiederum ist mit der Entwicklung von automatischen Schrifterkennungsverfahren, OCR = optical character readers, verbunden.

Schon Anfang der 70er Jahre wurde in Kanada mit OCR Technologie experimentiert. Ziel war es die Postleitzahl automatisch zu erkennen und das Poststück entsprechend automatisch zu sortieren. Die ersten OCR Maschinen lasen dazu automatisch den unteren Streifen jedes Umschlages. Über die Jahre steigerte sich die theoretische Leistungsfähigkeit der Maschinen bis zu 20,000 Adressen pro Stunde -- allerdings mit einer Fehler- bzw. Zurückweisungsquote von 75%. Der Durchbruch gelang Anfang der 90er Jahre als Canada Post neuartige OCR Maschinen von AEG bezog, die in der Lage waren, nicht nur die letzte Zeile, sondern die gesamte Adresse zu erfassen. Diese "mulit-line" OCR (=MLOCR) Maschinen erfassten 9 Briefe/Sekunde (ca. 32,000 Stunde). Da die Maschinen automatisch die Postleitzahl mit der gesamten mehrzeiligen Anschrift verglich, konnten Zweifelsfälle in der Lesung automatisch aufgeklärt und entschieden werden. Die Zurückweisungs- und Fehlerquote war nunmehr sehr gering. Diese Maschinen fanden sich selbstverständlich nur in den Briefzentren. Die Zentralisierung der Post, d.h. die Ersetzung von Postämtern durch Verkaufsstellen und die Schaffung von "Postfabriken" zur zentralisierten, überregionalen Bearbeitung, war eine Entwicklung die seit den 70er Jahren erst langsam und dann immer schneller von statten ging (und nicht nur in Kanada).

In den Briefzentren waren die Briefe stets in einem separaten Arbeitsgang vor der Zuführung zu den OCR oder MLOCR Maschinen gestempelt worden, in der Regel mit den modernen (C)FC Maschinen von PB oder Toyota oder mit dem Sammelsurium anderer Geräte, die der kanadischen Post in den 80er Jahren zur Verfügung stand. Ende 1992 entschied Canada Post allerdings zur Effizienzsteigerung die Briefentwertung als einen Arbeitsgang in die Briefsortierungs"strasse" zu integrieren und zwar zwischen der Videokodierung und der Zielverteilung. Es musste damit ein grundsätzlich anderer technischer Ansatz her.

Bevor es gleich etwas technisch wird (und ich diesen Beitrag nicht mehr einstellen kann wegen "time outs") schnell noch ein detaillierter Blick auf einen typischen kanadischen jet spray Stempel:



Der Stempel hat in der Regel zwei, gelegentlich auch drei, Zeilen. In der oberen (manchmal in der unteren) Zeile finden wir stets die Maschinennummer der OCR Maschine, hier 090. Manche Briefzentren haben nur eine OCR Maschine, andere haben mehrere. Alle Nummern wurden jedoch landesweit nach irgendeinem System vergeben und wiederholen sich nicht. Es ist daher möglich über die Nummer der OCR Maschine (oder besser 'Strasse') den Verwendungsort zu bestimmen. Ich kann möglicherweise eine Liste zusammenstellen, falls das von Interesse ist. Die OCR Nummern wurden nicht fortlaufend vergeben und ich denke nicht, dass es mehr als 50-60 dieser Einrichtungen gibt. Der Verwendungsort ergibt sich aber nicht nur aus der Maschinennummer, sondern auch in erster Linie (und offensichtlicher) aus der Postleitzahl, hier T5J 2T0 -- Edmonton, Alberta. Dies deckt sich im vorliegenden Fall mit der Absenderangabe, aber kann anhand des oben [#9] mitgeteilten Wikipedia-Links auch leicht verifiziert werden. Sodann finden wir das Datum in sechsstelliger Form 991221, der 21. Dezember 1999, und die minutengenaue 'europäische' Uhrzeit 19:04. Den Abschluss bilden 10 geneigte Killerstriche, zur Entwertung der Marke gedacht. Die zweite (oder weiteren) Zeilen -- wenn vorhanden -- zeigen einen Slogan, hier: Postal Code / Code Postal (öfter mal was neues).

Wie das mit den Tintenstrahlentwertungen nun technisch genau funktioniert, beschreibe ich morgen.
 
Quelle: www.philaseiten.de
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