Thema: (?) (6) 19. Jahrhundert: Briefbeförderung USA - Deutschland
Lars Boettger Am: 21.12.2019 12:27:03 Gelesen: 4615# 7@  
Seit langer Zeit habe ich mal wieder einen Brief für mein Transatlantik-Exponat gekauft.

Absender ist das Handelshaus "J.E. Thayer & Bros.", ansässig in Boston. Der Faltbrief wurde am 5. Februar 1849 verfasst. Der Brief wurde aber nicht der US-Post übergeben, sondern dem Forwarder Harnden (zu der Tätigkeit von Harnden gibt es einen schönen Artikel auf der englischsprachigen Seite von Richard Frajola [1]. Harnden beförderte der Brief mit der Eisenbahn von Boston nach New York und lieferte ihn zum Transport mit dem Cunard-Dampfer "Canada" ab. Die "Canada" verlies den Hafen von New York am 7. Februar 1849 (North Atlantic Mail Sailings, Walter Hubbard und Richard Winter). Am 19. Februar 1849 kam die "Canada" in Liverpool an. Da kein Liverpool-Stempel auf dem Brief zu finden ist, gehe ich davon aus, dass er direkt nach London weitergeleitet wurde.

Was macht den Brief so interessant? Ab dem 1. Juli 1848 erhob die USA ein Strafporto auf Briefe, die mit einem englischen Schiff transportiert wurden:

- 24 Cents für einen Brief, der noch im Eingangshafen zugestellt wurde (anstatt gewichtsunabhängigen 6 Cents)
- 29 Cents für einen Brief der ersten Gewichtsstufe, der seinen Empfänger in einem Radius von 300 US-Meilen fand
- 34 Cents für einen Brief der ersten Gewichtsstufe, der seinen Empfänger außerhalb der 300 US-Meilen fand

Das fanden die Engländer nicht so klasse. Man setzte sich an den Verhandlungstisch und schloss eine Postkonvention. Die USA stellten ab Ende Dezember 1848 alle Postkriegsmaßnahmen ein. Die Briefe wurden wieder so taxiert, wie so vor dem Postkrieg behandelt wurden.

Jetzt wird es schwierig. Die Postkonvention wurde veröffentlicht, aber die Engländer gingen davon aus, dass sie erst ab Mitte 1849 in Kraft treten würde. Die amerikanischen Postmeister fingen ab Januar 1849 an, die Briefe zum Teil nach der Postkonvention zu taxieren. Nicht in jedem Fall, nicht jedes Postamt, aber es gibt diese Briefe. Die Engländer waren überrumpelt, beugten sich aber der Realität und fingen ab dem 20. Februar an, die Briefe ebenfalls nach der Postkonvention zu taxieren. Auch hier gilt - nicht in jedem Fall.

Der hier vorgestellte Brief wurde noch in der sogenannten "Restored Rate Period" versandt. In dieser Zeit fanden nur drei Überfahrten von West nach Ost mit einem Cunard-Dampfer statt. Die Beförderung mit einem privaten Forwarder ist ein netter Teilaspekt, da sie gut den Kampf der privaten Postdienstleister mit der US-Post zeigen. Dem Empfänger wurde 1/- in Rechnung gestellt, die damals gültige Taxierung für den Versand mit einem Cunard-Dampfer ab 1840.

Beste Grüße!

Lars



[1] https://www.rfrajola.com/collections/harnden/harndens.htm
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/4013
https://www.philaseiten.de/beitrag/218532