Thema: Philatelie in der Presse
Richard Am: 23.11.2009 08:58:26 Gelesen: 1303212# 323@  
Liebe Grüsse aus dem All

Von Florian Leu

Tages-Anzeiger (10.11.09) - Sie sammeln Marken mit Raumfahrt-Motiven, sie fahren Ski mit Kosmonauten - die Weltallphilatelisten. Letzte Woche bekam Jürg Dierauer Post aus dem All: «Hallo, Jürg, wie geht es dir? Wie ist das Wetter auf der Erde?» Der Kosmonaut Roman Romanenko stellte die Fragen, während er durch die Internationale Raumstation schwebte. Ein Kollege stempelte den Brief und nahm ihn mit in die Kapsel zurück zur Erde. Als Dierauer sah, dass Post aus dem Orbit im Briefkasten lag, schob er den Umschlag in seine Mappe und lächelte. Die Freunde vom Verein der Weltallphilatelisten würden staunen. Dierauer ist Präsident des Vereins, ein Herr mit kariertem Hemd und aufmerksamem Blick, Kaufmann von Beruf, Sammler aus Passion. 62 Mitglieder zählt der Verein, dieses Jahr wird er 40. Alle paar Wochen treffen sich die Philatelisten in der Metzgerhalle, einem Restaurant in Oerlikon, das bodenständiger nicht sein könnte: Gardinen, Holztische, Ruhe. Beugen sich die Sammler über ihre Alben, ist es so still, als flöge ihr Säli durchs Weltall.

Dierauer erinnert sich gut an die Anfänge: Er begann zu sammeln, als Neil Armstrong 1969 seine kleinen Schritte machte. Er sammelte weiter, als 1972 der letzte Mensch den Mond betrat. Er sammelte noch immer, als das Interesse an der Raumfahrt wieder abflaute. Dem Verein blieb er treu, zahlte Tausende von Franken für Marken mit Motiven aus der Raumfahrt, und in der Freizeit lernte er Russisch, um die Stempel auf den Umschlägen der UdSSR zu lesen.

Intergalaktische Postbeamte

Zur Zeit der Mondmissionen beschäftigten einige Vereine Leute, die sich mit Säcken voller Briefe in Flugzeuge setzten, wenn ein Raketenstart angekündigt war. Am Tag des Countdowns liessen sie die Briefe im Postamt, das der Abschussrampe am nächsten lag, stempeln, daheim verteilten sie die Briefe an die Mitglieder. Wer mehr Geld investierte, bot mit um jene Umschläge, die mit der Apollo geflogen waren.

Eine seltsame Vorstellung: Zwischen Experimenten und Mondspaziergängen verwandelten sich die Astronauten in intergalaktische Postbeamte, die mit dem Stempel hantierten, bevor sie die Flagge in den Mondstaub steckten. Für solche Briefe zahlen Philatelisten rund 10 000 Franken. Begehrt sind auch solche, die an Bord der Mir den Stempel aufgedrückt bekamen. Er versank mit der Raumstation im Pazifik, als die Russen sie 2001 zum Absturz brachten.

Mit dem Brief in der Mappe betrat Jürg Dierauer letzten Freitag um sechs mit einem herzlichen Hallo die Metzgerhalle. Die meisten Philatelisten waren schon da, versunken in ihre Alben wie alte Kinder, die schauten und staunten und die Welt jenseits der Zacken vergassen. Mit Schnitzel und Pommes stärkten sie sich für die Auktion im zweiten Teil des Abends. Sie lachten oft und laut, trotzdem gab es Momente der Trauer. Wenn es etwa um die Zukunft des Vereins ging. Zwar habe man gerade ein 73-jähriges Neumitglied gewonnen und sei im Gespräch mit einem 14-jährigen Mädchen in Norddeutschland, doch nachhaltig sei das nicht, sagte ein Mitglied. Es sei schade, dass all die Vereine verschwinden, sagte sein Nachbar, doch man müsse es hinnehmen. Dabei, sagte ein Dritter, sei so eine Gruppe grossartig. Man unternehme Reisen, besuche Messen, man lerne viel, etwa über die Technik, die in den Raketen steckt. Hinzu kommt, dass Philatelisten Freunde auf der halben Welt haben.

Moskau-Lenzerheide retour

Seit Japan und China ebenfalls Raumfahrt betreiben, sind auch dort Vereine entstanden. Weil in Russlands Raumfahrt der Rubel nicht gerade rollt, kommen die Kosmonauten über die Briefmarken zu einem Zubrot und zu Freunden mit Ferienhütten in den Alpen. Jürg Dierauer kennt viele Kosmonauten persönlich, manchmal besucht er sie in Moskau, manchmal besuchen sie ihn auf der Lenzerheide. Ein schönes Bild: Wie die Weltraumspaziergänger mit den Sammlern die Hänge hinabwedeln.

Die Schnitzel sind gegessen, die Alben zugeklappt. Jürg Dierauer hält eine Rede. Dierauer holt den Brief aus dem All hervor und reicht ihn herum. Raunen im Säli. Dann setzt er sich wieder an seinen Platz, und die Auktion beginnt. 200 Briefe sind im Angebot. Es ist eine Auktion, die man nur übersteht, wenn einem eine beleibte Kellnerin hin und wieder einen Kaffee reicht, und wenn man über eine Geduld von geologischen Ausmassen verfügt. Brief um Brief wird angekündigt und in allen Einzelheiten erläutert, dann ist es still, dann zeigen ein paar Arme nach oben, so geht das weiter, Stunde um Stunde. Der Wert der Briefmarken sei zweitrangig, sagt Jürg Dierauer. «Was du in die Briefmarken steckst, ist in der Regel verloren. Darum geht es nicht. Es geht um die pure Freude am Sammeln.» Sein Arm schnellt in die Höhe.



Hoch den Arm für ein Sammlerstück: Die Auktion ist fester Bestandteil der Treffen der Weltallphilatelisten in Zürich-Oerlikon (Bild: Doris Fanconi)

(Quelle: http://bazonline.ch/panorama/vermischtes/Liebe-Gruesse-aus-dem-All/story/26045832)
 
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