Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
bayern klassisch Am: 08.06.2020 10:39:41 Gelesen: 215274# 535@  
Liebe Freunde,

die Mehrheit der Sammler findet Dienstbriefe todsterbenslangweilig und beschäftigt sich daher gar nicht erst mit ihnen, von seltenen Stempelformen, Farben und Destinationen vlt. einmal abgesehen.

Dass man damit einer großen Anzahl von Briefen postgeschichtlich Unrecht tut, ficht viele Sammler nicht an.



Heute zeige ich einen undatierbaren, leeren Brief mit einem Rayon - Einzeler von Eichstätt (es gibt 2 Schreibweisen dieses Stempels, das hier ist die Frühere), der eingeschrieben nach Ingolstadt verschickt werden sollte. Die Adresse lautet: "An das Königlich Bairische Commando des 6. Linien Infanterie Regiment Herzog Wilhelm in Ingolstadt". Unten links steht "militaria betreffend", was bei dieser Adresse durchaus plausibel war.

Es steht in Folge dessen auch kein Franko/Frei - Vermerk da und die Siegelseite ist blank, so dass der Absender nichts frankiert haben konnte. Ein großes "R" steht auch noch da - vlt. der Beginn des Wortes "Recommandirt"? In jedem Falle wurde der Brief mit dem Chargéstempel bedruckt, obwohl man dieses Wort nicht auf dem Brief findet und das "R" wurde sogar noch gestrichen. Eine Reco - Nummer wurde nicht vermerkt und wohl auch nicht gezogen.

Der Absender dürfte also keinen Schein gezogen haben (hätte 4 Kreuzer gekostet) und ließ den Brief unrecommandirt abgehen. Nur die Aufgabepost hätte jetzt unter dem Chargéstempel vermerken müssen "wurde kein Schein gezogen", um dann den Chargéstempel zu streichen. Aber das tat man nicht und so wurde der Brief zu einer Contravention, vermutlich um 1810, weil ich auch über die militärische Einheit zu keinem genaueren Ergebnis gekommen bin.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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