Thema: Bleisulfidschäden: Die Folienproblematik in der Philatelie
Richard Am: 03.01.2008 10:32:50 Gelesen: 210065# 6@  
Peter Feuser hat sich im BDPh Forum erneut geäussert und ist gerne einverstanden, das Thema in möglichst vielen Foren zu verbreiten, da er nicht überall schreiben kann. Diesem Wunsch komme ich gerne nach.

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Halten wir doch mal fest, was an eindeutigen Tatsachen in dieser Angelegenheit feststeht und geben auch noch einige widersprüchliche Gutachten hinzu, von denen sich jeder seine eigene Meinung bilden kann:

1.) Eine sehr große Anzahl Sammler und Händler hat folgende Erfahrung gemacht: Farblich einwandfreie Marken, die in Hart-PVC-Folien der verschiedenen Hersteller von philatelistischen Bedarfsartikeln und Artikeln des Bürofachhandels untergebracht wurden, verfärbten sich nach mehr oder weniger kurzer Zeit und erlitten deutliche Wertverluste. Bei normaler Lagerung in anderen Albensystemen, auch unter anderen Kunststoffen ohne Schwefelanteile und Weichmacher, waren keine ähnlichen Schäden festzustellen.

2.) In allen Fällen dunkelten die Druckfarben nach, teilweise bis zur völligen Schwarzfärbung. Hinzu kamen auch Schwarzfärbungen und Zerstörungen der Papierstruktur bei eingefärbten Papieren und das Hervortreten von normalerweise unsichtbaren Unterdrucken.

3.) Es steht aufgrund verschiedener Gutachten (u.a. PTS, München) fest, dass es sich bei diesen Veränderungen um sog. Bleisulfidschäden handelt.

4.) Bleisulfid ist ein schwarz gefärbtes Schwermetallsalz, das durch eine chemische Verbindung von Blei und Schwefel entsteht und bereits in winzigen Spuren die oben genannten Veränderungen an vorrangig mit Naturfarben gedruckten klassischen Marken herbeiführen kann (Gutachten PTS u.a.).

5.) Untersuchungen haben ergeben, dass die Druck- oder Papierfarben geschädigter Marken mehr oder weniger hohe Anteile an Blei aufweisen, was im seinerzeit üblichen Herstellungsverfahren für Briefmarken bzw. Farben begründet ist.

6.) In den handelsüblichen Hart-PVC-Folien befindet sich als Zusatz ein schwefelhaltiger Zinnstabilisator (ca. 0,5-0,7 %), der den Kunststoff glatt und längerfristig haltbar machen soll.

7.) Nach Meinung verschiedener Institute (u.a. Papiertechnische Stiftung PTS, Eidgenössische Materialprüfungsanstalt EMPA, Bundesanstalt für Materialforschung) kann dieser schwefelhaltige Stabilisator in langsamen Migrationsprozessen austreten und mit dem Blei in den Briefmarken eine chemische Verbindung eingehen, was zur Bleisulfidbildung führen und damit die Schädigung oder Zerstörung der Marken auslösen kann. Nach Auffassung dieser drei Institute sind derartige Migrationen eindeutig nachgewiesen und damit Tatsache.

8.) Nach Meinung des Otto-Graf-Instituts der Universität Stuttgart bzw. des Steinbeis-Tranferzentrums, Reutlingen, die im Auftrag der Firmen Lindner bzw. SAFE tätig wurden, kann ein Austreten des Schwefels aus den Folien nicht nachgewiesen werden.

9.) Nach einem Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung kann eine Ursächlichkeit der PVC-Folien für die Farbschäden nur durch einen Langzeitversuch eindeutig gerichtsverwertbar nachgewiesen werden.

10.) Nach diesem Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung ist für die Bleisulfidbildung und damit die Markenschäden das Zustandekommen eines sog. Mikroklimas erforderlich, d.h., die Marken müssen ganz oder weitgehend von der normalen Außenluft abgeschnitten sein. Nach dem Gutachten könnte in den PVC-Folien ein solches Mikroklima entstanden sein.

11.) Obwohl die Alben- und Zubehörhersteller seit Ende der Siebziger Jahre (!) von Sammlern und Händlern immer wieder mit Markenschäden aufgrund der Unterbringung in PVC-Folien konfrontiert wurden, haben sie keine Maßnahmen zur Schadensbegrenzung eingeleitet. Deutlicher werdende Kritik an diesem Verhalten wurde mit einstweiligen Verfügungen und Androhung von Schadenersatzforderungen beantwortet.

12.) Der Berufsverband des Briefmarkenhandels (APHV) stützt wider besseres Wissen die Position der hauptbetroffenen Alben- und Zubehörhersteller. In einem Kommentar der BRIEFMARKENREVUE 1/2008 erweckt der APHV-Präsident Arnim Hölzer unverändert den Eindruck, die Marken selbst seien schuld an ihren Verfärbungen.

13.) Der Vorstand der Interessenvertretung der Sammler, der BDPh, hat sich unseres Wissens bisher nicht öffentlich zu der ihm spätestens seit 2002 bekannten Problematik geäußert oder auf die Albenhersteller Druck ausgeübt, sondern überlässt Kommentare und Informationen dazu dem Redakteur der Hauszeitschrift PHILATELIE.

14.) Nach Angaben der verschiedenen Hersteller von Hart-PVC-Folien sind diese völlig weichmacher- und säurefrei. Dies ist falsch. Die zur Zeit handelsüblichen Hart-PVC-Folien enthalten sowohl chemische Weichmacher (Phthalate) als auch "natürliche" Weichmacher (Ölsäure-Ester u.ä.). Es ist mir nicht bekannt, dass die zur Zeit in den PVC-Folien verwendeten Weichmacher Markenschäden verursachen können.
 
Quelle: www.philaseiten.de
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