Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
bayern klassisch Am: 11.11.2021 10:41:25 Gelesen: 149183# 746@  
Liebe Freunde,

am 16.11.1857 schrieb der Gastwirt Heinrich Loschge in Thalmässing einen einfachen Brief an die Firma G. A. Bäumler & Sohn, Materialister in Nürnberg, 42 km von Thalmässing entfernt und somit ein Brief der 1. Gewichts- und Entfernungsstufe in Bayern, also mit 3 Kreuzern zu frankieren.



Aber der Postgang war wohl etwas zu früh an diesem Tag erfolgt, jedenfalls konnte man den als Frankobrief ("Frey" unten links) deklarierten Brief wegen noch-nicht-Öffnung des Postlokals nicht frankieren und warf ihn halt in den Briefkasten, damals "Boite" genannt, ein.

Dort wurde er am selben Tag heraus gefischt und bemerkt, dass er nicht frankiert worden war, aber einen Freivermerk trug. Wo jetzt die 3 Kr. Marke sitzt, notierte man einst "Boite" und daneben das Porto für unfrankierte Briefe mit 6 Kreuzer in erfrischender Farbe und Deutlichkeit.

Aber noch vor Postabgang muss der Absender zurückgekehrt sein und auf seinen Lapsus hingewiesen haben, denn man überklebte den "Boite"-Vermerk mit einer frisch gekauften 3 Kr. Marke, strich die jetzt falsche "6" durch mit Rötelstift und notierte postalisch "frei" daneben. Das war zwar postalisch korrekt, aber nicht nach der Vorschrift, wonach nur der Absender allein Frankovermerke anbringen bzw. ausstreichen durfte; die Post war dazu nicht befugt, weil das eine Abänderung der Adresse darstellte und die Post keine Adressen abändern durfte.

Den Inhalt habe ich gescannt, damit man sieht, dass es wirklich nur ein ganz einfacher Brief war, dem nichts beigeschlossen worden war und der heute 7g wiegt, wie damals schon. Es war also offensichtlich ein "reclamirter Brief" und reklamierte Briefe sind mit das seltenste, was ich kenne.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/8122
https://www.philaseiten.de/beitrag/280558