Thema: Altdeutschland Bayern Eingehende Briefe
bayern klassisch Am: 21.01.2022 09:29:28 Gelesen: 106389# 574@  
Liebe Freunde,



heute zeige ich eine einfachen Portobrief aus Rheydt (heute Teil von Mönchengladbach) vom 28.12.1850 nach Nesselwang bei Kempten. Gibt es Besonderheiten? Ja, gibt es.

Verfolgt man die Reise des Briefes damals mit dem Finger auf der Landkarte, wird man feststellen, dass er über das Postgebiet von Thurn und Taxis lief, welches aber 1850 nicht Teil des DÖPV war. Es handelte sich also um einen Brief aus Preussen (Postvereinsland) über thurn und taxisches Lehenspostgebiet (nicht im DÖPV) nach Bayern (Postvereinsland).

Die Aufgabepost hatte dafür zu errechnen, wie weit die Reise ging - hier über 20 Meilen, wofür 3 Sgr. für den Brief selbst und 1 Sgr. Zuschlag wegen unfrankierter Absendung vom Empfänger fällig wurden. Siegelseitig wurden auch 4 Sgr. notiert und unterstrichen. Da in der Währung der Abgabepost zu taxieren war, konvertierte man diese 4 Sgr. korrekt postalisch in 12 Kreuzer, die man, wie bei Preussen nicht anders zu erwarten, ebenso korrekt in blauer Tinte als 12 Kreuzer oben links wiederholte.

Der Brief lief von MG bis Bonn mit der Bahn, aber dann war Ende 1850 auch schon Schluß und musste mit der Kutsche über rheinpreußisches Gebiet, Frankfurt am Main und Aschaffenburg laufen, ehe er durch das erste bayerische Kartenschlußamt in Würzburg am 31.10.1850 aus seinem Briefepaket geholt wurde.

Siegelseitig war bayerischer Posteingang zu stempeln und auf den preussisch notierten 12 Kreuzern in blau schlug man den Auslagestempel Würzburgs ab. Aber jetzt kommts - statt ihn so weiter zu routen, strich man in Rötel die preussische Forderung 12 Kr. ab, um sie durch eine Rötel 12 zu ersetzen, was naturgemäß wenig Sinn ergibt - außer, dass man zeigen wollte, dass die 12 Kr. nicht nur die Auslage für eine fremde Postanstalt war, zu der kein eigenes, bayerisches Porto mehr hinzu zu addieren war (wie z. B. aus Briefen originär aus Thurn und Taxis!), sondern dass dies schon das Endporto für den Empfänger war.

Als Kompensation hierfür hat man auch gleich den Ankunftsstempel vergessen, um die Sache rund zu machen.

Nur diese frühen Postvereinsbriefe weisen oft zweimal dasselbe Porto auf und Briefe aus dem DÖPV über Nicht-DÖPV-Gebiete in den DÖPV sind auch nicht gerade häufig zu finden. Wenn dann einer noch so hübsch daher kommt, sollte man ihn nicht verschmähen, zumal er sogar noch seinen Inhalt hat, der aber weniger spannend ist.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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