Thema: Vorausentwertungen Deutschland
DL8AAM Am: 02.04.2023 23:45:18 Gelesen: 27905# 210@  
@ Araneus [#206]

(Ganzsachen mit Absenderstempelung dürfte es meines Erachtens gar nicht geben, da die AGB das nicht zulassen (siehe Zitat im Beitrag [#204]: „vom Bundesministerium für Finanzen herausgegebene Postwertzeichen mit dem Aufdruck „Deutschland““; Ganzsachen gehören meines Wissens nicht dazu).

Hallo Franz-Josef,

wobei wir bei dieser Fragestellung bei der "Briefmarkentheorie" sind ;-) Und Deine Frage, was "Deutschland"-Briefmarken sind, ist klar zu beantworten. Ganzsachen gehören in jedem Fall dazu.

Hier befinden wir uns im Bereich des §43 des PostG [1], dort steht im Absatz 1

(1) Die Befugnis, Postwertzeichen mit dem Aufdruck "Deutschland" auszugeben und für ungültig zu erklären, ist dem Bundesministerium der Finanzen vorbehalten. ....

Das Wort "auszugeben" mag auf den ersten Blick vielleicht irreführend sein, aber das heisst hier eben nicht "drucken" und anschliessend "ausgeben". Das bedeutet nur, dass das Bundesministerium der Finanzen das jeweilige "Muster" herausgibt. Für den Rest, d.h. für die anschliessenden Druckaufträge, inkl. der Bestimmung der Auflagenhöhe und auch der gewollten "Form" (naßklebend, gezähnt - Zähnungsart x, geschnitten, selbstklebend etc. oder Ganzsachenwertstempel auf einen "Umschlag") ist dann ausschliesslich der Erlaubnisinhaber in Eigenregie verantwortlich. In welcher Form dieser die erlaubten Postwertzeichen drucken lässt, ist allein Sache des Erlaubnisinhabers (heute "noch" der DPAG). Siehe:

§43 Abs. 2 PostG: Die Vervielfältigung und Verwendung der vom Bundesministerium der Finanzen herausgegebenen Postwertzeichen zur Abgeltung von Postdienstleistungen bedarf dessen Erlaubnis.

Das interessante an dieser Rechtskonstruktion ist, dass das Vervielfältigungs- und Verwendungsrecht erst einmal nicht direkt mit der Erbringung der Universalpostdienste verknüpft ist. Theoretisch könnte bei der nächsten Ausschreibung die CITIPOST-Gruppe das Recht erwerben "Deutschlandbriefmarken" auf den Markt zu bringen, wobei die DPAG weiterhin die Universalpostaufgaben (inkl. UPU-Aufgaben) übernimmt. Theoretisch. Wobei diese Frage sogar aktuell im Raum stehen könnte [2].

Zitat (Stellungnahme des Ministeriums an PaketDa): " ... Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht absehbar, ob die derzeit geübte Verwaltungspraxis in der Form fortbesteht, dass die vom Bundesministerium der Finanzen gemäß § 43 Absatz 1 Postgesetz herausgegebenen Postwertzeichen mit dem Aufdruck Deutschland nach Ablauf des Lizenzvertrages im Jahr 2023 weiter von der Deutschen Post AG produziert und verwendet werden.". (Deshalb nimmt das Ministerium derzeit auch keine "Anregungen" mehr für Sonderbriefmarkenausgaben an)

(Zumindest) Theoretisch ist auch möglich, das sich die Post nicht mehr um die "Deutschland-Briefmarken" bewirbt, aber trotzdem für den Universalpostdienst. Theoretisch. Sinnvollerweise verknüft das Ministerium im Rahmen der Ausschreibung aber beide Dinge. Solange es Bieter für so eine verbundene Aussschreibung gibt. Denkbar ist diese Aufteilung aber trotzdem. Insbesondere da das Recht Deutschland-Briefmarken zu vervielfältigen und verwenden (=verkaufen), gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 ff PostG mit einer Gebühr verbunden ist ...

Für die Entscheidung über die Erlaubnis erhebt das Bundesministerium der Finanzen von den Anbietern von Postdienstleistungen Gebühren und Auslagen. ... Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die Höhe der Gebühr zu regeln.

... und falls es sich für die DPAG nicht mehr lohnen sollte, diese Gebühren an das Ministerium zu bezahlen, nur um "fremde" Gutschein-Verdrucke verwenden zu dürfen, weil zum Beispiel immer weniger Sammler vorausbezahlte Briefmarken bei der Post beziehen, für die sie aber niemals eine Gegenleistung in Anspruchen nehmen, dann verzichtet die DPAG sicherlich irgendwann einmal auf das "Deutschlandbriefmarken"-Recht. Dann kann dann zwar das Ministerium weiterhin Deutschlandbriefmarken ausgeben, die aber niemals gedruckt und verwendet werden. Die Gebühren rechnen sich für die DPAG ja nur, wenn genug Briefmarken für ewig in einer Sammlung verschwinden. Ansonsten kann die die Post bzw. die Kunden für die Freimachung von Postsendungen (neben Post- und Absenderfreistempelungen) ja gut auch auf eigene vorausbezahlte "Deutsche Post"-Postwertzeichen zurückgreifen (siehe: Briefmarke Individuell, Poststations-ATM, Internetmarke, Handyporto). Im Prinzip kann die Post, wie jede andere Privatpost auch, sogar komplett eigene Briefmarken (ohne das Wort Deutschland, d.h. §43-freie Postwertzeichen) verausgaben. Die Post und der Kunde braucht keine Deutschlandbriefmarken mehr. Selbst im internationalen Postaustausch muss keine Deutschlandbriefmarke verklebt werden, es muss hier nur die ordnungsgemäße Begleichung des Porto auf der Sendung "vermerkt" sein und das erfüllt auch ein "DPAG-Postwertzeichen".

Kurz: Natürlich handelt es sich bei einem "Deutschland"-Wertstempel auf Ganzsachen um ein vom Bundesministerium für Finanzen (nach §43 PostG) herausgegebenes Postwertzeichen. Im Prinzip kann also so eine Ganzsache, wenn sie nicht von der Post bereits verausentwertet wurde, durch einen Absenderstempel des Ab- bzw. Versenders vorausentwertet werden. Da es ja auch schwerere DIALOGPOST-Sendungen gibt, für die man auch "normale" Ganzsachen verwenden könnte, ist diese Frage sogar mehr als nur theoretisch.

Beste Grüße
Thomas

[1] https://www.gesetze-im-internet.de/postg_1998/PostG.pdf
[2] https://www.paketda.de/news-briefmarken-lizenzierung.html
 
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