Thema: Deutsche Post Neuheiten: Cryptowahnsinn erreicht auch Deutschland
DL8AAM Am: 27.10.2023 16:00:52 Gelesen: 20004# 85@  
@ Jürgen Häsler [#81]

Niemand MUSS das "mitmachen", man sollte dann aber im Gegenzug etwas Toleranz gegenüber jenen aufbringen, die das ausprobieren möchten. (...) Wenn ich mit Sammlern aus unseren Vereinen spreche, dann stelle ich häufig einen gravierenden Mangel an Informationen und Wissen über "Digitales" fest, ...

Das ist doch nicht das Problem mit dieser(en) Kryptoausgabe(en), es geht nicht um Digitalisierung, NFT, Blockchain oder "Krypro" - oder um Generation Digital, Native Digitals versus "digital Ungebildete".

Briefmarken erfüllen im Kern nur einen postalischen Zweck, sie sind nichts anderes als im Vorfeld gekaufte Waren- bzw. Dienstleistungsgutscheine, genannt "Postwertzeichen", die im Nachgang für den Wert des Gutscheins eingelöst werden sollen/können. Und die Leistung ist im Falle von Briefmarken eben nur "irgendeine" postalische. Nichts anderes, nicht mehr, nicht weniger! Einen anderen Sinn haben Briefmarken nicht.

Wenn sie einen anderen Zweck erfüllen sollen, dann handelt es sich eben nicht mehr um "Postwertzeichen", sondern z.B. um Souvenire (aka "Kartonphilatelie"), wie Gedenkblätter, ETB etc. und ja, sowas kauft man, wenn man Spass dran haben will. Why not? Und sowas darf dann gerne auch einen Aufpreis kosten. Mehr Ware, mehr Leistung, mehr Spass, mehr Kosten. Das ist auch nicht verwerflich. Das Problem ist auch nicht die teure Gold-Edition.

Das Problem ist die eigene Hauptnummer (der Selbstklebenden, die es eben nur als komplette Krypto-Ausgabe gibt). Jeder der (noch) traditionell Briefmarken sammelt, d.h. noch vollständig nach Katalog, muss mitmachen, ob man will oder nicht, oder man muss sich jetzt von seiner Sammelidee, von seinem "Sammelthema" trennen.

Wie geschrieben, nehme ich an, dass es bei uns hier, nicht (mehr) sehr viele betreffen sollte - im Gegensatz zu den verbliebenen "Komplett-Abo-Sammlern". Mein Vater, tief in den 80-ern, hat seit über 50 Jahren so ein Abo auf "MICHEL-Hauptnummernvollständigkeit". Der hatte bisher seinen Spass dran, der hat aber jetzt einen kompletten Bruch in seiner Sammlung. Aus, Fini, Schluß.

Gut man könnte sagen, dass alle Traditionssammler, die noch so sammeln, eben auch die Wahl hätten, sich eine nachzubestellen (die Krypto wird ja nicht im Rahmen des Abos ausgeliefert). Ja, aber dann wird der mehr als fünffache "sammlerschädigende" (Zwangs-) Zuschlag zum Problem. Ja, gut, man könnte auch hier wieder sagen, so etwas gab es auch früher bereits, aber das waren dann "gemeinnützige" Solidaritäts-Zwecke, wie Naturkatastrophen etc., aber in diesem Fall ist der Zuschlag rein kommerzieller Natur. Ich gehe mal davon aus, in Relation zu den Rest-Aboinhabern, die Nachbesteller eine kleine Randgruppe darstellen. Von denen, wenn sie es mal festgestellt haben, dass ihre Sammlung nicht mehr vollständig ist (und voraussichtlich mit weiteren Kryptoausgaben immer unvollständiger werden wird), wird sicherlich ein großer Teil ihr Abo kündigen und womöglich sogar mit dem Sammeln aufhören.

Und ob eben mehr "Native Digitals", und zwar, die ohne jeden bisherigen Bezug zum Briefmarkensammeln hatten, nun auf Grund "jetzt gibt es Krypto-Briefmarken" erstmals als Briefmarkensammler nachrücken, dürfte ja wohl sehr zu bezweifeln sein. Nur weil da jetzt Krypto draufsteht, bekommen wir keinen neuen Run in das Hobby. Wenn das, wie man von offizieller Verbandsseite immer hört, eine innovative Chance für unser Hobby sein sollte, dann zeugt das von Weltfremdheit.

Der Krypto-/NFT-Hype ist bereits durch. Kryptowährungen sind zu Spekulationsobjekten "verkommen" bzw. werden langfristig von "staatlichen Kyprowährungen" als Handy-/Internetpay o.ä. übernommen. Als Zahlungsmittel erfüllten die eigenen Kryptowährungen ja nie (in einem nenneswerten Umfang) ihren Zweck. Der NFT-Kunstmarkt ist (bis auf einzwei "teure" Highlights) komplett zusammengebrochen bzw. die Blase ist bereits nach "Monaten" geplatzt.

Die Krypto (Briefmarken) dürften (in Summe) deshalb "uns" mehr schaden, als nutzen. Zumindest, wenn diese "hochpreisigen" Ausgaben weiterhin hauptnummerntechnisch, wie reguläre Postwertzeichen behandelt werden sollten. Insbesondere, wenn die Ausgabe hohe (kommerziell motivierte) Zuschläge einfordern bzw. hohe, postalisch komplett sinnbefreite Nennwerte tragen.

Als reine Dinge der "Kartonphilatelie" sähe das aber komplett anders aus. So etwas muss man nicht, muss keiner (auch der Traditionssammler nicht), kann man aber. Das wäre u.U. sogar für den einen oder anderen von uns hier interessant, wenn das Preis-Leistungsverhältnis stimmen würde, vielleicht sogar mich mich. ;-) Undenkbar wäre es nicht (mit einem Cyberwallet wollte ich schon lange mal rumspielen). Man könnte damit die Native Digitals immer noch ansprechen, wobei ich diese Klientel nicht (in nennenswerten Umfang) als wirklich relevant sehe, für diese dürften NFT-Briefmarken bzw. NFT-Philatelieprodukte eher als "Kinderkram" bzw. als "Opas Versuch hipp zu wirken" ankommen.

Und ich gehe mal ganz stark davon aus, dass gefühlt 99 % aller Kryptokäufer (in Deutschland und auch weltweit) sicherlich aus der sowieso schon sammelnden Community stammen dürfte. Also bleibt nur noch das Presseecho bzw. dass das "Briefmarkenhobby" mal wieder prominent in der überregionalen Presse sichtbar wird, als positiver Effekt. Aber ob dass im Endeffekt den "Schaden" bei den Traditionellen ausgleicht?

Für die Post wird diese erste Krypto sicherlich zu einem kommerziellen (und PR-technischen) Erfolg. Für die nächsten Quartalszahlen der Phila-Abteilung dürfte ein paar Millionen € mehr auf der Habenseite bedeuten. Wahrscheinlich klappt das auch noch für die nächste handvoll von Folgeausgaben. Einen langfristigen positiven Effekt dürfte das aber nicht erzielen. Die überteuerten Krypto-NFT-Produkte werden sich relativ schnell abnutzen. Und die traditionellen Altkunden sind dann aber bereits weg, die kommen später auch nicht wieder zurück. Einmal weg, immer weg. Hier dürften somit langfristig eher negative Effekte überwiegen.

Wenn ich meinem Vater die Kryptoausgabe erklären würde (er folgt keinen Phila-Medien, außer dem Kundenmagazin der Post), dass seine Sammlung nun gebrochen, "tot" ist, kündigt er sicherlich sein Komplett-Abo. Mal schauen, welcher Digital Native dann seinen Platz oder gar sein Abo übernimmt, ;-)

Beste Grüße
Thomas
 
Quelle: www.philaseiten.de
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