Thema: Belege aus der Zeit von 1945-1949, die eine Geschichte erzählen
cartaphilos Am: 12.12.2010 22:35:28 Gelesen: 130981# 36@  
Gratulation zu diesem wichtigen Thema.

Gehen wir die Sache mal vom Ende des Krieges her an.

Wir haben 1 Postsparbuch der Deutschen Reichspost. Bekanntermaßen ist das Postsparbuch eine Übernahme der Österreichischen Post, denn im Reichspostgebiet gab es bis zur Annektierung respektive zum mehrheitlichen freiwilligen Selbstanschluß Österreichs keine Postsparbücher.



Schlagen wir das Buch auf, so erkennen wir, daß es am 1.6.1944 in Römerbad (Steiermark) an den Träger eines deutschen Namens ausgestellt wurde:



Römerbad ist der deutsche Name der slowenischen Kleinstadt Rimske Toplice, die bereits seit der Antike als Heilquelle einen guten Ruf genoß. Im Zuge der Aufteilung des slowenischen Teilstaates Jugoslawiens verleibte sich das Deutsche Reich die sogenannte Südsteiermark und die Krain als Bestandteile der jeweiligen bereits im Ex-Österreich gebildeten Reichsgaue ein.

Wir haben es also mit der Ausstellung eines Postsparbuches in einem deutsch annektierten Teil Ex-Jugoslawiens zu tun. Das Buch wurde gleich mit einem Kontostand von 2140 RM eröffnet, was eher für den Übertrag eines früheren Postsparbuchguthabens spricht:



Der Besitzer hat es nicht weiter genutzt. Doch mit dem sich abzeichnenden Ende der Kriegshandlungen und dem Vorrücken der jugoslawischen Partisanen unter Tito wurden jetzt im Abstand von wenigen Tagen zwischen dem 16. April 1945 und dem 4. Mai 1945 insgesamt vier mal jeweils 100 RM abgehoben. Das entsprach etwa sieben Monatsgehältern, die dieser Mann bezog. Der 4. Mai 1945 ist dann auch der letzte Tag, an dem die Reichspost noch ihre Dienste in diesem okkupierten Teil Jugoslawiens ausübte.

Da dieses Postsparbuch offensichtlich nicht umgewertet oder wieder auf ein jugoslawisches Postsparbuch überschrieben wurde, können wir davon ausgehen, daß der Besitzer keine Gelegenheit mehr dazu bekam. Die, so wird berichtet, den Partisanen durchaus nicht abgeneigten deutschsprachigen Slowenen (die sogenannten Gottscheer), die teils selbst im Widerstand gegen Hitlerdeutschland bewaffnet organisiert waren, gerieten mit den deutschen Okkupanten in Mißkredit und es wurden ihnen ihre Rechte aberkannt.

Was mit Johann Prostner, dem Eisenbahner im Ruhestand und ehemaligen Inhaber dieses Postsparbuches geworden ist, wissen wir nicht. Jedenfalls hat er nach dem 4. Mai 1945 kein Geld mehr von seinem Buch abgehoben. Doch als Eisenbahner hat er noch am 2. Mai 1945 aus Cilli, der Hauptstadt der Südsteiermark, sein Gehalt für April bezogen, wie ein dem Postsparbuch beiliegender Postanweisungsabschnitt belegt:



Noch ein postgeschichtliches Detail ist hier von Interesse. Im Postsparbuch erkennen wir, daß zwischem dem 1.6.1944 und dem 16. April 1945 die Poststempel mit der der Untersteiermark zugeordneten PLN 12a eingeführt wurden. In Römerbad gab es sogar die Unterscheidungsbuchstaben a und b im unteren Stempelsegment.

Ich finde: Ein interessanter Beleg vom Ende des 2. Weltkrieges, und dies von der Peripherie des gründlich untergegangenen 3. Reiches, ein Untergang, den die tschechischen Patrioten nach der Befreiung dadurch feierten, daß man einige zeitlang Poststempel mit der Inschrift "FINIS GERMANIAE - das Ende Germaniens" verwendete. Einen entsprechenden Beleg liefern wir nach, wenn das Ende des 3. Reiches in Prag und in Tschechien an der Reihe ist.
 
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