Thema: Sensationelle Neuentdeckung: Deutsches Reich 223 mit liegendem Wasserzeichen !
Stefan Am: 28.01.2024 09:19:04 Gelesen: 2295# 2@  
Wie kam es zu diesem seltenen Wasserzeichen?

Gemäß Kohl-Handbuch [1] erfolgte die Herstellung dieser Briefmarkenausgabe im Plattendruck. Ein Druckbogen wies seinerzeit acht Schalterbogen à 50 Briefmarken auf, gesamt 400 Briefmarken pro Druckbogen, welche als Mindestumfang gedruckt worden sein müssen. In der Reichsdruckerei in Berlin muss demnach mindestens ein Schalterbogen mit 50 Briefmarken der anschließenden Qualitätskontrolle entgangen und zusammen mit 19 normalen Schalterbogen in einer Bogentasche verpackt worden sein, welche an die Briefmarken bestellende Oberpostdirektion (OPD) ausgeliefert werden sollte bzw. wurde.

Zu der Kohl-Nummer 202 (Mi-Nrn. 204) [2], welche 1922 ebenfalls auf Papier mit dem Wasserzeichen Rauten erschien, wird vermerkt, dass das Papier vor dem Briefmarkendruck im Plattendruck zuerst in passende Druckbogen zerschnitten, anschließend gummiert und erst danach bedruckt worden ist. Es ist anzunehmen, dass diese Verfahrensweise auch für die Mi-Nr. 223 zur Anwendung kam. Sowohl die Mi-Nr. 204 als auch die Mi-Nr. 223 weisen auf dem Papier eine Gummiriffelung auf, welche in dieser Form erst 1921 eingeführt wurde, weshalb ältere bereits vor dem Zuschnitt als Papierbahn (Endlospapier) gummierte Papierbestände aus Zeiten der Germania auszuschließen sind, welche bspw. für die Mi-Nr. 203 mit liegendem Wasserzeichen zur Verwertung von Restbeständen zur Anwendung kamen.

Der bereits erwähnte Druckbogen der Mi-Nr. 223 umfasste acht Schalterbögen [1], d.h. vom Format her betrachtet vier Schalterbögen senkrecht und zwei Schalterbögen waagerecht (unter philatelistischer Betrachtung einer normal liegenden Briefmarke). Ein Schalterbogen umfasst fünf Briefmarken waagerecht (im Querformat) und zehn Briefmarken senkrecht und entspricht etwa der Größe eines Blattes DIN A4 und ist schlussendlich abhängig vom Zuschnitt (Breite) der Bogenränder. Damit ist ausgeschlossen, dass ein Druckbogen ein quadratisches Format aufwies, welches noch am ehesten zu einer Verwechslung im Papierzuschnitt hätte führen können.



Eckrandstück aus der linken oberen Bogenecke mit Reihenwertzähler und Summenzähler

- Eventuell wollte man in eben jenem Papierzuschnitt sparsam sein und nachkriegsbedingt keine knappen Papierressourcen verschwenden, weshalb ein einzelner vom vorgesehenen Format her eigentlich nicht mehr passender Papierrest vom für den Zuschnitt zuständigen Mitarbeiter einfach gedreht und daraus resultierend mit liegendem Wasserzeichen zurecht geschnitten wurde?
- Dem anschließend für die Gummierung zuständigen Mitarbeiter fiel dieses verkehrt herum liegende Wasserzeichenpapier nicht auf oder wurde ignoriert?
- Als dritte menschliche Instanz bemerkte der Drucker diese falsche Papierlage ebenfalls nicht, obwohl damals jeder Papierbogen einzeln in die Hand genommen und der Druckmaschine zugeführt werden musste?
- Anschließend wurden die Druckbogen gezähnt, in Schalterbogen zerschnitten und händisch abgezählt in Bogentaschen à 20 Schalterbogen verpackt. Auch an diesen Stellen fiel nichts bzw. nicht alles auf?

Die Anzahl musste stimmen und eine entsprechende Sorgfaltspflicht war kontinuierlich erforderlich gewesen, schließlich handelte es sich bei den Briefmarken um Wertzeichen ähnlich wie Bargeld. Vor und nach der Auslieferung wurden Bogentaschen mehrfach auf die passende Stückzahl kontrolliert. Im nachfolgenden Beispiel ist eine Bogentasche der Mi-Nr. 187 von November 1922 zu sehen, welche einige Tage vor den ersten Exemplaren der Mi-Nr. 223 von den chiffrierten Mitarbeitern *143* bzw. *90* in der Reichsdruckerei verpackt bzw. kontrolliert worden sein dürfte.



Bogentasche Mi-Nr. 187 mit Verpackungsdatum vom 08.11.1922, für die Hausauftragsnummer 5907.22

Verteilung der Briefmarken mit dem unbeabsichtigt liegendem Wasserzeichen Rauten

Im Sammelgebiet Deutsches Reich sind Briefmarken mit liegendem Wasserzeichen 1 (Rauten) nicht gänzlich unbekannt. Diese wurden regulär für die bereits erwähnten Mi-Nrn. 203 und 204 mit den seinerzeit hohen Nominalen zu 10 Mark und 20 Mark („Deutsche Gewerbeschau“ vom 02.04.1922) verausgabt. Die Reichsdruckerei nutzte hier eine Möglichkeit, Altbestände von in diesem Fall farbigen Papier der nicht mehr zu druckenden Germania-Ausgaben mit Wasserzeichen 1 aufzubrauchen, die Papierfarbe als weiteres Sicherheitsmerkmal vor Fälschungen verwendend. Die kleineren Werte dieses Satzes wurden bereits auf dem weißen (einfarbigen) Papier mit dem neuen Wasserzeichen Waffeln gedruckt. Als irrtümliche Abart kommt das liegende Wasserzeichen 1 (bisher) bei den Mi-Nrn. 86 I Y; 89 I Y und 220 Y auf weißen (einfarbigen) Papier vor.



Deutsches Reich Wasserzeichen 1 - Rauten - links normalstehend (wie im Michel-Katalog abgebildet) und rechts liegend

Wie man an der jüngst aufgefundenen Mi-Nr. 223 sieht, sind zukünftige Entdeckungen nicht auszuschließen.

Diese Abarten sind allesamt als sehr selten einzustufen und lediglich in gebrauchter Erhaltung in sehr wenigen Exemplaren (mit jeweils einstelliger Stückzahl) bekannt. Dies spricht dafür, dass diese Abarten seinerzeit unerkannt postalisch aufgebraucht wurden. Die breite zeitliche Streuung der betroffenen Katalognummern über mehrere Jahre hinweg (von mindestens 1908-1922) zeigt allerdings auch, dass dieses Phänomen eines unbeabsichtigt liegenden Wasserzeichens Rauten immer wieder auftrat. Zur Mi-Nr. 220 Y (Nominale zu 200 Mark) gesellt sich nun in diesem Satz Briefmarken ein Zwilling zu 500 Mark (hoffentlich als zukünftig zu katalogisierende Mi-Nr. 223 Y). Auch später (bis 1932) kamen Briefmarken mit liegendem statt stehendem Wasserzeichen (hier Wasserzeichen 2 = Waffeln) zur Verwendung, teils beabsichtigt, teils unbeabsichtigt – im Michel-Katalog in der Katalogisierung ergänzend zur Kataloghauptnummer auch dort mit einem „Y“ als Großbuchstabe gekennzeichnet.

Die bisher katalogisierte Mi-Nr. 220 Y zu 200 Mark wurde irgendwann zwischen 1981 und 1996 als eigenständige Unternummer im Michel Deutschland-Spezial aufgenommen und wird im Rundbrief 257 von März 2015 der ArGe Infla-Berlin abgebildet [3]. Der dortige Autor hatte diese Briefmarke 1966 erworben. Bis 2015 war bisher ein gestempeltes Exemplar bekannt, auch in diesem Fall eine derzeit nicht prüfbare Stempelentwertung. Weitere Verweise zur Mi-Nr. 220 Y finden sich zu den Rundbriefen Nr. 33 (neue Folge, Seite 43) und Nr. 123 (Seite 19) von Infla-Berlin. Es ist davon auszugehen, dass für die Mi-Nr. 220 auch das gleiche Prozedere in der Herstellung gilt wie für die in diesem Artikel beschriebene Mi-Nr. 223.

Quellen:

[1] Kohl-Handbuch, 11. Auflage, Anmerkungen auf Seite 1007 (Kohl-Nr. 218) bzw. Seite 1011 (Kohl-Nr. 229)
[2] Kohl-Handbuch, 11. Auflage, Seite 1000 (Kohl-Nr. 202)
[3] https://www.infla-berlin.de/17_Daten/Berichte/A4/246/257Besonderebelegfertig.pdf?m=1434534030& (Seite 9)
 
Quelle: www.philaseiten.de
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