Thema: Briefzensur bis 1968 in der Bundesrepublik
juni-1848 Am: 02.04.2024 01:18:54 Gelesen: 148# 4@  
@ juni-1848 [#2]

Moin zusammen,

wegen möglicher Urheberrechtsverletzungen in [#2] nicht das Interview in Schriftform, sondern "ersatzweise" ein weiterer Link von Richard.

Dennoch interessieren nicht nur "Zensursammler", wie denn wohl einer generellen Vernichtung entgangene Sendungen aufzufinden seien. Dazu ein wenig Hintergrund aus besagtem Interview:

- Grundgesetz Artikel 10:

Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.

- Quellenforschung -Ergebnisse:

In der Zeit von 1950 bis 1968 wurden in der Bundesrepublik Postsendungen konfisziert in der Größenordnung zwischen 100 und 300 Millionen Sendungen überwiegend aus der DDR und in geringem Ausmass aus Staaten Osteuropas.

- Ablauf:

Kurz hinter der Zonengrenze bestiegen Beamte (u.a. Postbeamte) die Züge und sortierten vor. Aussortiertes wurde in zentrale Sammelstellen in Hamburg, Hannover, in Bebra und in Hof gebracht. Verdächtig Post wurde an die entsprechenden Stellen weitergegeben. Anfangs waren das Polizei-, dann Zollbeamte, die besagte Sendungen direkt vor Ort vernichte(te)n liessen. Später führte ein Staatsanwalt einen richterlichen Beschlagnahmebeschluss herbei. Die Post landete meist in "Vernichtungsräumen". So wurde in Hannover eine große "Postvernichtungszentrale"eingerichtet, wo dann Strafgefangene im Gefängnis diese Post zu vernichten hatten.

- Verantwortlichkeiten:

Die Alliierten, durften eine solche Zensur ausüben Kraft höheren Rechts (das Besatzungsrecht galt in Deutschland bis 1955). Die Ämter der Alliierten waren bis zu 90 % durch deutsche Mitarbeiter besetzt.

Beide hatten das gemeinsame Ziel, Sendungen zu überwachen, die aus Osteuropa und natürlich aus der "sowjetisch besetzten Zone" kamen.

Auch die Staatsanwaltschaft hatte nicht das Recht, gegen solche tatsächlichen oder vermeintlichen Propagandasendungen vorzugehen, tat es aber dennoch - in Abstimmung mit verschiedenen Ministerien.

Neben dem Bundesjustizministerium waren das Bundespostministerium und vor allem das Innenministerium (Strafverfolgung) und das Bundesfinanzministerium als zuständiges Ministerium für die Zollbeamten beteiligt.

Bereits 1955 mit Verabschiedung des Deutschlandvertrages, der die BRD in die Souveränität entließ, hätten auch die rechtlichen Grundlagen für eine "Postzensur" geschaffen werden können. Man hat aber gerade einmal 10 Jahre nach Kriegsende bewusst darauf verzichtet, zum einen die Bürger mit einer "Postzensur" zu beunruhigen, zum anderen die in diesem Zusammenhang von den Alliierten für sich beanspruchten Eingriffsmöglichkeiten in das Post- und Fernmeldegeheimnis per Gesetz zu erlauben.

- Zeitgeist:

Zensur hin, Zensur her - in mahnender Erinnerung an den NS-Terrors hatte in den 1950ern für viele ein starker Staat (gegen die Bedrohung aus dem Osten) einen absolut höheren Stellenwert als die Sicherung der eigenen Grundrechte. Erst 1963 mit dem ersten großen Abhörskandal wurde bekannt, dass der Verfassungsschutz nicht nur viele ehemalige Mitarbeiter mit SS- und SA-Vergangenheit beschäftigte, sondern mit seit Jahren aktiver Beteiligung an der "Postzensur" gegen das Grundgesetz verstossen hatte.

Dann kamen die 68er und rüttelten an den Grundfesten des Wirtschaftswunders Deutschland und seiner Demokratie.

Alles weitere haben die meisten von uns Sammlern noch irgendwie in Erinnerung.

Wer sich tiefer einlesen will:

@ Jürgen Zalaszewski [#3]

Besagter Band 1415 der Bundeszentrale für politische Bildung ist nur noch käuflich zu erwerben:

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@ Clemens M Brandstetter [#1]

Danke, Clemens, für Deine Nachfrage.

Das ganze ([#2]) ist 15 Jahre her. Der Demente lernt derweil jeden Tag aufs Neue seine Tochter kennen, jene Tochter, die Vaters "Alben" längst verkupfert und alle anderen vermeintlich müffelnden Papierchen ohne bunte Marken lieber dem Altpapier anvertraut hat, als dem Forscherdrang seiner einstigen Sammlerfreunde mit frischer Nahrung ... aber welcher Sammler hat derartiges nicht schon selber erlebt?

Sammlergruß, Werner
 
Quelle: www.philaseiten.de
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