Thema: Das Grading von Briefmarken
drkohler Am: 30.04.2024 13:34:52 Gelesen: 1505# 12@  
@ Dobe [#11]

Man muss immer unterscheiden, wie alt die Marke ist.

In den USA waren die Preise für Uraltmarken in sehr guter Qualität immer schon deutlich teurer als im Spezialkatalog angegeben (die Preise gelten dort für "VF" - und jeder Sammler wusste, wie "F", "F/VF oder "VF" aussah). Niemand hat sich darüber aufgeregt. Der Grund ist einfach: Die Markenproduktion im Altertum war "hit and miss", das heisst die meisten Uraltmarken existieren praktisch nur im "Solala" Zustand.

Das Problem mit dem Grading in den USA ist, dass auch moderne Marken und sogar Neuware (Marken, die noch am Schalter erhältlich sind) zu völlig überrissenen Preisen angeboten und von Vollpfosten auch bezahlt werden.

Ich kann mich auch erinnern, wie Alles begann:

In den wöchentlichen Linn's Journal Ausgaben befinden sich hinten unter Inseraten die "Kaufe" - "Verkaufe" Annoncen. Üblicher Weise kauf(t)en Händler Bogenware für etwa 50-70% Nennwert (30% für Ramschware, genannt "Scrap"). Das ging Jahrzehnte lang so. Dann von einem Zeitpunkt an tauchten plötzlich Inserate von einer Händlergruppe auf, die 100-120% bezahlten für Bögen. Im Kleingedruckten stand da allerdings sehr oft "Bögen müssen sehr gut zentriert sein, mangelhafte Ware wird zurückgeschickt". Die Inserate waren einige Jahre lang aktiv.

Dann eines schönen Tages, quasi über Nacht, begann der Gradingfad. Händler boten "Supermarken" mit Grades 90(+) an, später dann Grades 95(+), dann 98(+), jetzt sind es 100(+).

Und der Dummenfang begann zu funktionieren. Es gab genügend Spinner die das Mehrfache für diese "Graded Stamps" hinlegten auf Auktionen (viele Auktionatoren sprangen erst nach einer Weile auf den Zug auf) und von Händlern.
Überraschung: Die Händler, die diese graded stamps anboten, waren die gleichen, die Jahre zuvor in den Inseraten "Superbögen" aufkauften. Viele dieser ursprünglichen Händler(-mafia?) pushen jetzt immer noch das Gradingbusiness.

(Zumindest ein Superspinner hatte allerdings Alles richtig gemacht. Er hat von Anfang an Supermarken gekauft wahrscheinlich zum 1-5 fachen Katalogwert und dann auf einer Auktion seine Supersammlung verkauft en Block etwa zum 10-50+ fachen des Katalogwertes).

Geradezu witzig ist auch wie die Vollpfosten abgezockt wurden über die Jahre. Am Anfang kamen 90+ Marken auf den Markt. Als die Flaute langsam einsetzte, kamen 95+ Marken auf den Markt. Gefolgt von 98+ Marken. Im Moment sind 100+ Marken das Mass aller Dinge.

Die Preise für modernere <100 Marken sind stark am Fallen, wie ich an einigen zeitnahen Auktionen beobachten konnte. Gerade für ältere 100+ Marken werden immer noch Irrsinnspreise hingelegt.

Man kann jetzt sagen: "Das Gradinggeschäft geht mir am A* vorbei". Leider hat es schlimme Nebenwirkungen. Man sieht immer öfter "SuperGem100" ungeschnittene Marken, die aus einem Neunerblock herausgeschnitten wurden. Das heisst von einem Block von 3*3 Marken werden 8 davon willentlich zerstört, um eine Super-Zentrumsmarke herzustellen.
 
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