Thema: (?) (35) (54) Postverkehr im 1. Weltkrieg und danach
volkimal Am: 04.03.2012 22:54:57 Gelesen: 53399# 16@  
@ Latzi [#15]

Hallo Latzi,

sehr schön, wie ich sehe kannst Du Griechisch. Die Karte von meinem Großvater an seinen Kollegen war ein als Handelskorrespondenz getarnter privater Gruß unter Theologen. Welcher Postbeamte konnte schon Griechisch und kannte die beiden Worte "Parresia" bzw "Elpis"? Durch die Namen der Zigarrensorten wollte Großvater die Grüße an seinen Kollegen überbringen.

Manchmal muss man die Geschichte eines Beleges kennen. Wie sollte man sonst darauf kommen, dass das Zigarren-Angebot nur Tarnung ist? Dadurch, dass die Karte beanstandet wurde und zurück kam, ist sie zum Glück erhalten geblieben.

Mein Vater (er hatte als Schüler Griechisch) hat mir Parresia als Vertrauen und Elpis als Hoffnung übersetzt . Vorhin habe ich einmal versucht, die Übersetzung der beiden Worte im Internet zu kontrollieren. Es war sofort klar, dass Elpis Hoffnung heißt. Bei Parresia habe ich aber aufgegeben. Das Problem war, dass die Übersetzung in der Regel im griechischen Alphabet angegeben ist, das ich nicht beherrsche. Du hast Parresia als Meinungsfreiheit übersetzt. Hat das Wort verschiedene Bedeutungen?

Jetzt zwei weitere Belege aus der Korrespondenz. Bei der ersten Karte sieht man klar, dass Herr Wehrung Pastor ist. Entsprechend der im Ersten Weltkrieg üblichen Praxis wurde die Karte in den Elsass vom August 1918 zensiert. Sie trägt den Zensurstempel der Inlandspostüberwachungsstelle Straßburg (Elsaß) in blauer Farbe (Riemer Nr. 22).



Mein Großvater muss übrigens einen zweiten als Handelskorrespondenz getarnten Gruß verschickt haben, denn dies ist die Antwort:



Auf der Karte heißt es:

Veuillez donc me réserver une cinquantaine de chaque marque... Vos cigares m'ont beaucoup plu la dernière fois.

Übersetzt:

Würden Sie mir bitte 50 Zigarren jeder Sorte zurücklegen... Ihre Zigarren haben mir das letzte mal besonders gut gefallen.

Auf der Karte vom 25.3.1919 aus Hunaweier steht der Vermerk "Correspondance commerciale". Sie trägt einen schwarzem französischen Zensurstempel.
Die französische Postkarte ist noch mit dem alten deutschen Sternchenstempel aus Hunaweier (franz. Hunawihr) entwertet. Die Jahreszahlen in den deutschen Stempeln waren Steckziffern, die jedes Jahr von Berlin aus geliefert wurden. Da die neuen Ziffern nicht mehr rechtzeitig in Hunaweier ankamen, mußte die "18" auch 1919 weiterverwendet werden. In einigen Orten half man sich, indem man die "8" unten ausfeilte, so dass sie fast wie eine "9" aussah. Man musste aber spiegelbildlich denken, und in Hunaweier hat man die falsche Seite ausgefeilt.

So, dass reicht für heute Abend. Demnächst geht die Geschichte weiter.

Gute Nacht
Volkmar
 
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