Thema: Bleisulfidschäden: Die Folienproblematik in der Philatelie
Richard Am: 04.05.2008 13:06:40 Gelesen: 208654# 31@  
Peter Feuser schrieb heute:

Weichmacher in Hart-PVC-Folien ?

Die Frage, ob in den Hart-PVC-Folien Weichmacher enthalten sind, ist nach wie vor ungeklärt.

Praktisch alle Alben- bzw. Folienhersteller betonen in ihren Produktinformationen die völlige Weichmacherfreiheit der Hart-PVC-Folien. Sie werden beispielsweise von der Firma X als "garantiert weichmacherfrei" bezeichnet bzw. "Die von uns eingesetzte Hart-PVC-Folie ist weichmacher- und säurefrei." Einem nachfragenden Bayernsammler bestätigte die Firma Y am 4.2.2008: "Die Blattschutzhüllen sind Spezial-Hart-PVC-Folien, welche absolut weichmacher- und säurefrei, maß- und formfest sowie auch alterungsbeständig gemäß Herstellerangaben sind. Sie können also ihre Sammlerstücke weiterhin mit gutem Gewissen aufbewahren."

Es fällt die Einschränkung "gemäß Herstellerangaben" auf. In PHILATELIE 4/2008 enthält die Produktinformation der Firma Y bei den Hart-PVC-Folien als weitere Einschränkung den Zusatz "mit esterartiger Komponente".

In einem Schreiben der Firma INEOS Films vom 2.4.2008, die einem Teil der Albenhersteller das Rohmaterial in Rollen liefert, heißt es: "Hiermit bestätigen wir, dass in INEOS Films Hart-PVC-Folien für den Einsatz für Briefmarkenalben keinerlei Weichmacher als konstitutionelle Additive eingesetzt werden."

Diese Aussage schließt nicht aus, dass in den Hart-PVC-Folien dennoch Weichmacher enthalten sind, sondern bestätigt lediglich, dass von dieser Firma keine Weichmacher bewusst zugesetzt werden. Verschiedene Analysen der handelsüblichen Hart-PVC-Folien detektieren sowohl kleine Anteile von chemischen Weichmachern (Phthalate) als auch rund 1,5 % Ölsäure-Ester, die als natürliche Weichmacher bzw. Gleitmittel gelten. So heißt es in WIPO, Use of Bleached Biodiesel as a Plasticizer: "Eine andere Klasse von Weichmachern sind natürliche Ester. Bekannt sind Ölsäure-Ester u.a. Sie werden u.a. für flexibles PVC eingesetzt."

Auf telefonische Nachfrage bei der Firma INEOS Films wurde mir erklärt, dass für den Lebensmittelbereich ein Grenzwert von 1,5 % derartiger Ölsäure-Ester gilt, der eingehalten wird. Möglicherweise werden deswegen die Hart-PVC-Folien als "weichmacherfrei" vermarktet. Lebensmittelverpackungen haben allerdings im Gegensatz zu Aufbewahrungsmitteln für philatelistische Zwecke nur eine ganz kurze vorgesehene Lebensdauer. Auf weitere Nachfrage vor einigen Wochen per Fax mit u.a. gegoogelten Auszügen aus Artikeln der Firma BAYER usw., die eine Hart-PVC-Produktion ohne Weichmacherzusatz für die allermeisten Verwendungen (also auch Folien) ausschließen und sich m.E. alleine schon deshalb die Aussage "absolut weichmacher- und säurefrei" verbietet, erhielt ich bisher keine Antwort.

In einem Gutachten der EMPA vom 19.6.1995 heißt es: "Speziell weichmacherhaltige Folien sind im Philateliebereich als bedenklich einzustufen, da Weichmacher in das Papier migrieren kann oder Papier-Inhaltsstoffe und Druckfarbenbestandteile in die Folie eindringen können. Ebenfalls können Bleisalze, welche z.B. als Stabilisatoren eingesetzt werden, mit einigen Druckfarben reagieren." In einer Stellungnahme der Firma BAYER heißt es, dass Hart-PVC-Folien bis zu 12 % Weichmacher enthalten können.

Die völlige Weichmacherfreiheit der für Sammlerzwecke verwendeten Kunststoffe ist für Philatelisten besonders wichtig. Weich-PVC-Folien mit einem Anteil von ca. 20-30 % Weichmachern waren bis etwa 1975 für Briefmarken-Aufbewahrungszwecke in Gebrauch und haben nachweislich erhebliche Schäden angerichtet. Offensichtlich durch die Aufbewahrung in Weich-PVC-Folien entstandene Bleisulfidschäden sind allerdings bisher nicht bekannt geworden. Es besteht der Verdacht, dass Hart-PVC-Folien neben den bekannten Beisulfidschäden auch zu Veränderungen wie wandernden Fluoreszenzen, Abblättern z.B. metallischer Farben, Beeinträchtigungen des Gummis usw. beitragen können. Eine fehlende Weichmacherfreiheit könnte die Ursache für diese Veränderungen sein.

Sollte es sich bestätigen, dass die handelsüblichen Hart-PVC-Folien Weichmacher (in welcher Form und in welchem Umfange auch immer) enthalten, erscheint es zwingend notwendig, dass die Alben- und Folienhersteller in ihren Produktinformationen deutlich darauf hinweisen. Nach Lage der Dinge zweifelhafte Garantien wie "absolut weichmacherfrei" wiegen die Verbraucher in einer trügerischen Sicherheit. Hinweise wie "mit esterartiger" Komponente sind keinesfalls aussagekräftig.
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/292
https://www.philaseiten.de/beitrag/5941