Thema: Belege aus der eigenen Familiengeschichte
volkimal Am: 17.02.2014 17:26:07 Gelesen: 302444# 59@  
Hallo zusammen,

endlich komme ich dazu, die Geschichte von Familie Hübner weiter zu erzählen. Ich zitiere dazu einige Abschnitte aus den Lebenserinnerungen von Herbert Hübner [5]:

Es wird an einem Februartage des Jahres 1895 gewesen sein. Da steht ein junger, fast 30jähriger Missionar am Nordstrand des Njassa-Sees. Er ist der südlichste der drei großen Seen Mittelafrikas und streckt sich in der Flächengröße etwa des Landes Bayern wie ein langes Band nach Süden...
Jetzt suchen die Augen des Missionars sehnsuchtsvoll das in der Ferne über den blauen Wogen zu erwartende Pünktchen des kleinen alten Schiffleins, das sich für die Fahrt vom Süden zum Norden - freilich nur in Tagesstunden fahrend - eine Zeit von sieben Tagen nimmt. Jetzt wird das Pünktlein des zu erwartenden Schiffleins, das unter den gefürchteten herabfallenden Böen manchen Kampf gegen Wind und Wellen überstanden hatte, in der Ferne sichtbar. Soll das Herz des Missionars nicht höher schlagen?

Unterdessen geht das Schifflein vor Anker, wegen des seichten Gestades mindestens noch einen Kilometer weit vom Seestrand entfernt. Ein Boot wird herabgelassen, das sehnige Arme der farbigen Ruderer zur Anlegestelle steuern. Wirklich, sie ist gekommen: Die Braut des Missionars, die ihrem Verlobten nach über zweijähriger Wartezeit in das fremde Land folgte. Dazu gehört nicht nur ein wagemutiger Entschluss, auch nicht nur eine herzliche Zuneigung zum Liebenden, sondern ein bewusst gewordener Ruf des Glaubens. Über zwei Jahre Trennung: das war für die sich Liebenden und nur spärlich voneinander Hörenden eine lange Zeit.

Noch in dem kleinen, von Moskitos durchschwirrten Hafenort wird die Trauung durch einen Amtsbruder in der Mission vollzogen. Aus der sumpfigen Niederung am See geht die gemeinsame erste Reise nun hinauf zu einer der ersten Stationen im neuen Arbeitsgebiet der Berliner Mission. Sie hat den Namen "Manow" erhalten aus Dankbarkeit gegenüber einer Gemeinde im deutschen Ostpommern.

Als das jungvermählte Missionsehepaar eintrifft, sind hier schon einige noch sehr einfache Häuschen aus Lehmsteinen mit Bambus- und Schilfdach errichtet. So braucht man wenigstens nicht mehr unter den tropischen Unbilden im Zelt zu bleiben. Die junge Frau hat in ihrem Gepäck nützliche Dinge mitgebracht. Sie kann vorerst die Sorge um Essen und Trinken den sich im Missionsdienst mühenden Männern abnehmen…




Manow, die Station im Wanjakiussaland, ist vorerst versorgt durch ältere Missionare, die bereits im Jahre 1891 ins Land kamen. Der Missionar, von dem jetzt die Rede sein soll, war ein Jahr später, also 1892 seinen Amtsbrüdern gefolgt. Nun ist es an ihm, Neuland zu "erobern" und die eigene Gründerinitiative zu betätigen.

So unternimmt er es, seine junge Frau zunächst in Manow zurücklassend auf schmalen, durch das Dickicht des Urwaldes sich hindurchschlängelndem Pfade die mindestens 1500 Meter bis zur Höhe des Berglandes hinauf zu klimmen. Die Einheimischen, Glieder des Kingastammes, weichen ihm zunächst scheu aus. es wird sofort deutlich, sie haben eine andere Stammeseigenart als die stolzen Wanjakiussa im Unterland. Hier haben die Farbigen noch nie einen Weißen Menschen gesehen. Darum die Scheu.


[5] Herbert Hübner, Lebenserinnerungen, Billerbeck 1990

Viele Grüße
Volkmar
 
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