Thema: Deutsches Reich 909/910 SA/SS: Michel streicht die Briefnotierungen
hajo22 Am: 23.08.2014 21:00:34 Gelesen: 211878# 65@  
@ Lars Boettger [#64]

Hallo Lars,

Du weißt ja, der 20.4. bis 25.4.45 ist den Einschreibbriefen mit SA/SS-Marken vorbehalten. Ich kann Dir gerne einen Einschreibbrief vom 21.4. zeigen, aber ich denke, Du willst einen Brief ohne diese Marken sehen.

Nun ja, einen Ortseinschreibbrief mit reiner Hitlerfrankatur von Freitag dem 20.4.45 hatte ich schon auf einem Tauschtag in der Hand. Ich habe ihn aber nicht gekauft, da 1. zu teuer und 2. ohne Ankunftsstempel. Ein einfach liegengebliebener Einschreibbrief ohne jede weiteren Vermerke. Solche Briefe und Briefe aus den Briefkästen gingen nach der Kapitulation der Berliner Garnision am 2.5.45 noch im Laufe des Jahres 1945 ohne Zensurvermerke an die Absender zurück (sofern diese noch lebten oder in Berlin anwesend/erreichbar waren, nicht zustellbare wurden wohl vernichtet).

Meinen spätesten Nicht-SA/SS-Brief habe ich hier in Beitrag [#51] gezeigt, ein Feldpost-Überroller vom 21.4.45, gestempelt Berlin-Friedenau 19 h mit Zurück-Vermerk. Es gibt noch einen überrollten Feldpostbrief mit Luftfeldpostmarke vom 23.4.45, der vor einigen Jahren in einer Briefmarkenzeitung abgebildet war. Ansonsten wird bereits Normalpost nach dem 20.4.45 zur ausgesprochenen Rarität, da die Briefkästen nicht mehr geleert wurden (Artilleriebeschuß, später Straßenkämpfe).

In meiner Sammlung befindet sich - als Normalortsbrief - der abgebildete Beleg vom 17.4.45, Berlin N 58 ohne Uhrzeit, also ein Innendienststempel. Es dürfte sich um einen noch bestellten Brief handeln. Ich zeige ihn hier, denn er ist mit diesem Datum schon eine kleine Rarität.



Es bleibt festzuhalten und ich bin schon lange dieser Ansicht: Einschreibbriefe nach dem 20.4.45 in Berlin entspringen rein philatelistischen Bedürfnissen. Sie sind sicher nicht mehr bestellt worden. Die meisten dieser Briefe tragen zudem Phantasieadressen. Die Frage ist jetzt, wurden sie zeitgerecht in den betreffenden PÄn abgestempelt und der versammelten Händlerschaft und evtl. einigen wenigen Sammlern sofort wieder ausgehändigt oder ist alles nur eine Chimäre, also eine Art philatelistische Fabelgeschichte? Oder die andere Variante, wurden diese Briefe gemütlich im Sommer/Herbst 45 (also wenige Monate nach Eintreffen der Westalliierten) in Privaträumen fabriziert? Wer weiß!

Ich sage mal folgendes voraus: Die SA/SS-Belege werden - völlig unabhängig von irgendwelchen Katalogvorstellungen - immer einen Markt haben. Wenn der Michel-Katalog keinen Preisansatz mehr darstellt, so halte ich das für gerechtfertigt. Die Marken sind - als Darstellung der (philatelistischen) Götterdämmerung und als Zeugen des Untergangs des Dritten Reiches - für Sammler von bleibendem Interesse. Nachgestempelt oder nicht, das dürfte nahezu sekundär sein. Wie die Briefe wirklich entstanden sind, das kann man heute sowieso nur mutmaßen.

Schönen Samstagabend und jetzt sind die Ausführungen sehr lange geworden. Ich hätte auch kurz schreiben können: Nichts Genaues weiß man nicht!

Jochen
 
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