Thema: Deutsches Reich: Dauerserie Hindenburg
saintex Am: 06.12.2014 19:01:15 Gelesen: 197686# 92@  
Heute Abend will ich einen interessanten Luftpostbrief zeigen, den ich kürzlich für meine Sammlung Luftpost im 2. Weltkrieg erwerben konnte.



Auf den ersten Blick bietet der am 14.1.1941 in Essen aufgegebene Luftpostbrief nach Lissabon keine Besonderheiten. Der Brief scheint allerdings mit 1 x 15 Rpf. und 2 x 25 Rpf Hindenburg, mithin gesamt 65 Rpf. überfrankiert. Das Auslandsporto für einen Brief nach Portugal betrug 25 Rpf., der Luftpostzuschlag 10 Rpf je 20 Gramm[1]. Nach meiner Ansicht hätten 35 Rpf. Porto für den Luftpostbrief nach Portugal gereicht.

Der Lp.-Brief durchlief die deutsche Zensur in der Zensurstelle München (Kennbuchstabe "d" auf dem rückseitig angebrachten Verschlußstreifen), die für die Zensur der Post nach Spanien und Portugal zuständig war[2], und traf ausweislich des auf der Rückseite angebrachten Ankunftsstempel am 29.1.1941 in Lissabon ein.

Die Besonderheit des Lp.-Briefes erschließt sich erst auf den zweiten Blick und besteht in dem auf der linken Seite angebrachten Verschlußstreifen mit der Aufschrift "OPENED BY EXAMINER 1746". Hierbei handelt es sich um einen Verschlußstreifen der britischen Zensur, der Lp.-Brief durchlief also auch noch die britische Zensur. Aber wie war das möglich, wenn der Brief nach Lissabon adressiert war ?

Des Rätsels Lösung liegt in der Postanschrift auf der Vorderseite des Briefes : "Lissabon Postfach 506" war eine sog. Deckadresse ( undercover address), über die Privatpersonen mit Wohnsitz in verschiedenen Kriegsstaaten (hier: Großbritannien und Deutschland) private Nachrichten austauschen konnten. Von Lissabon wurde der Brief per Schiff oder Luftpost nach Großbritannien befördert, wo der Brief in London die britische Zensur durchlief und anschließend dem in Großbritannien wohnhaften Empfänger, Herrn Dr. Adolf Rosenberg zugestellt. Die Organisation und Abwicklung dieses Postaustausches zwischen verfeindeten Staaten war von britischer Seite dem Reiseveranstalter Thomas Cook übertragen worden[3]. Ich werde mal im Thread Zensurpost etwas ausführlicher über dieses spannende und interessante Thema schreiben.

Der Brief war übrigens bei ebay für 1 Euro ausgerufen!

Literatur

[1] Paul-Jürgen Hueske, Die Luftpostzuschläge für EUROPA - Auswertung der Deutschen Luftpostlisten von 1933 bis 1945 , Soest 2011
[2] Karl-Heinz Riemer, Die Überwachung des Auslandsbriefverkehrs während des II. Weltkrieges durch deutsche Dienststellen - Handbuch und Katalog, Düsseldorf 1979
[3] Charles Entwistle, Undercover Addresses of World War II, 3. Aufl. Perth, Großbritannien 2006; Socrates Bosovitch, Undercover addresses during the Second World War, Athen, Griechenland 2008

Wolfgang
 
Quelle: www.philaseiten.de
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