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Thema: (?)(120/132/136) Deutsches Reich: Devisenkontrolle im Auslandsbrief- und Paketverkehr
Das Thema hat 137 Beiträge:
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Jürgen Witkowski Am: 18.11.2008 17:16:43 Gelesen: 184329# 1 @  
Zu diesem Beleg kann ich keine schlüssigen Informationen finden.

Einschreibebrief von Mulhouse (Mülhausen/Elsass) nach Iserlohn.

Aufgabestempel Mulhouse vom 6.8.1920, rückseitiger Ankunftstempel Iserlohn vom 10.8.1920.

Rückseitiger Aufklebezettel "Auf Grund der Verordnung vom 15. November 1918 (Reichgesetzblatt S. 1324) geöffnet."

Unter dem Ankunftstempel ist noch ein quadratischer violetter Stempel mit der Ziffer 16 zu erkennen, vermutlich ein Zensurstempel mit der Nummer des Prüfers.

Nach Ende des 1. Weltkrieges fand Postzensur durch die Alliierten statt. Reichswolf hat im Beitrag dazu einen Beleg mit belgischer Zensur gezeigt. Bei meinem Beleg wäre analog die französische Zensurstelle zuständig gewesen. Doch der Aufkleber sieht eher danach aus, als ob er deutscher Herkunft wäre.

Wer kann weiter helfen?

Mit besten Sammlergrüßen
Jürgen


 
Carolina Pegleg Am: 19.11.2008 03:59:53 Gelesen: 184308# 2 @  
@ Concordia CA

Es handelt sich bei dem Brief nicht um Zensur (= Postüberwachung), sondern um Devisenkontrolle. Ich habe in der Richtung auch sicher was zum Zeigen. Wieder ein interessantes postgeschichtliches Spezialgebiet.
 
Jürgen Witkowski Am: 19.11.2008 08:29:18 Gelesen: 184302# 3 @  
@ Carolina Pegleg

Das scheint ja mal wieder ein interessantes Thema zu werden. Belege mit Devisenkontrolle und entsprechenden Aufklebern sind mir bisher nur aus der Zeit von 1933 bis 1945 und mit ähnlichen Aufklebern aus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg bekannt. Ich bin gespannt auf Deine Belege und die Erläuterungen dazu.

Mit besten Sammlergrüßen
Jürgen
 
TomWolf_de Am: 19.11.2008 09:21:33 Gelesen: 184294# 4 @  
Hallo Jürgen.

Die Verschlußzettel mit der Nummer "11" wurden in der Devisenkontrollstelle in Karlsruhe verwendet. Die "16" ist ein Zensorstempel.

Der Wortlaut der auf dem Zettel erwähnten Verordnung lautet:

Verordnung über die Post- und Telegrammüberwachung im Verkehr mit dem Ausland.
Vom 15. November 1918.
§ 1 Die Post- und Telegrammüberwachung im Verkehr mit dem Ausland wird bis auf weiteres aufrechterhalten, soweit sie im Steuerinteresse oder aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich ist. Auf militärische oder politische Angelegenheiten darf die Überwachung nicht erstreckt werden.
§ 2 Die bisherigen Überwachungs- und Überprüfungsstellen bleiben zu dem im § 1 Satz 1 bezeichneten Zwecke bestehen und werden dem Reichsschatzamt unterstellt.
Berlin, den 15. November 1918.
Der Rat der Volksbeauftragten
Ebert
Haase

Die Devisenkontrollstellen wurden (ich glaube) Mitte 1919 durchnummeriert.
1.Berlin W8 und Berlin SW77
2 Bremen
3 Breslau
4 Dresden
5 Duisburg
6 Emmerich
7 Flensburg
8 Frankfurt am Main
9 Freiburg
10 Hamburg
11 Karlsruhe
12 Konstanz
13 Königsberg
14 Lindau
15 Lübeck
16 München
17 Nürnberg
18 Pforzheim
19 Stuttgart
20 Zittau

Diese Nummern befinden sich seitdem auf den Verschlußzetteln, vorher waren die Zettel neutral, also ohne Nummer versehen.

Nach dieser ersten Einteilung wurden noch weitere Nummern vergeben:

21 Friedrichshafen
22 Lavensburg (Lauenburg)
23 Elbing
24 Köln-Deutz
25 Cleve
26 Aachen
27 Trier
28 Ludwigshafen

Allerdings muß gesagt werden, daß für 21, 25, 26 und 27 bisher keine nummerierten Verschlußzettel nachgewiesen wurden. Hier gibts also einiges noch zu entdecken.

Interessant ist auch folgendes: Man kann manchmal Zettel finden, deren Nummer nicht zur Devisenkontrollstelle gehört, in der der Brief geöffnet wurde, z.B. Zettel mit der Nummer "11" (Karlsruhe) in der Devisenkontrollstelle München verwendet (gibt noch ein paar solcher Kombinationen).

Gruß
Thomas
 
Jürgen Witkowski Am: 19.11.2008 09:35:36 Gelesen: 184289# 5 @  
@ TomWolf_de [#126]

Vielen Dank für Deine umfassenden Ausführungen. In der mir vorliegenden Literatur habe ich dazu leider nichts finden können. Die Wissenslücke ist durch Deinen Beitrag nun geschlossen.

Ich wundere mich nur, dass der Brief über Karlsruhe gelaufen ist. Freiburg wäre geografisch sehr viel näher gewesen. Es kann natürlich auch sein, dass der Brief im Elsass zunächst über Straßburg gelaufen ist. Dann würde Karlsruhe wieder Sinn machen.

Mit besten Sammlergrüßen
Jürgen
 
TomWolf_de Am: 19.11.2008 09:58:10 Gelesen: 184282# 6 @  
Hallo Jürgen.

Briefe gehen seltsame Wege - so könnte man das umschreiben. Einige dieser Devisenkontrollstellen hatten "lokale" Zuständigkeit (wie z.B. 19 - Stuttgart, dort wurde nur Post kontrolliert aus bzw. nach Württemberg), andere hatten "destinative" Zuständigkeit, kontrollierten also Post aus oder nach einem bestimmten Land. So würde ich das mal umschreiben.

Ich selbst erforsche nur zwei Devisenkontrollstellen, nämlich die Nummer 19 - Stuttgart, und die zu ihr als Unterabteilung gehörende Kontrollstelle Friedrichshafen. Ich dokumentiere alle Verschlußzettel und Zensorstempel.

Falls gewünscht zeige ich gerne einige interessante Belege, habe mittlerweile eine ganze Mappe voll.

Gruß
Thomas
 
Jürgen Witkowski Am: 19.11.2008 10:28:39 Gelesen: 184277# 7 @  
@ TomWolf_de [#128]

>>Falls gewünscht zeige ich gerne einige interessante Belege, habe mittlerweile eine ganze Mappe voll.<<

Nur zu! Ich weis auch von einigen "stillen Mitlesern", die das Thema mit Interesse verfolgen.

Mit besten Sammlergrüßen
Jürgen
 
doktorstamp Am: 19.11.2008 17:08:59 Gelesen: 184261# 8 @  
@ Concordia CA

Lieber Jürgen

Es gibt oder gab Literatur hierzu, habe ich leider nicht, und viel ist es auch nicht. Lediglich wenn ich daran denke hat Infla-Berlin den Verordnung von 1918 in dem Rundsendeheft abgedruckt.

Selbst habe ich einige Belege und Postkarten mit den Devisenstempel drauf.

Hier wie ich es erfahren habe lohnt sich die Suche im Ausland nach Briefe etc. die nach Deutschland gelaufen worden sind.

mfG

Nigel
 
TomWolf_de Am: 20.11.2008 09:58:08 Gelesen: 184237# 9 @  
Der erste Brief, den ich zeige, wurde am 25.4.1919 von Gersau/Schweiz nach Stuttgart geschickt. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine offiziellen Verschlußzettel bei den Devisenkontrollstellen, deshalb wurde ein Verschlußzettel verwendet, der noch aus Kriegszeiten stammt. Von diesem Zettel wurde der obere Teil abgeschnitten, also der ursprüngliche Text "Militärischerseits unter Kriegsrecht geöffnet" passend gekürzt.

Gruß
Thomas




 
Carolina Pegleg Am: 21.11.2008 01:28:21 Gelesen: 184215# 10 @  
Da hast Du in der Tat wieder ein interessantes Thema angestossen, Concordia.

Besser erläutern als TomWolf_de kann ich diese Briefe sicher nicht. Im Gegenteil. So habe ich z. B. durch den Beitrag [#126] erst gelernt, dass der folgende Brief von Hamburg nach Schweden aus 1920 an Ort und Stelle, d.h. in Hamburg selbst kontrolliert wurde.




Der folgende weitere Beleg liegt zeitlich deutlich später: Berlin in die Schweiz aus 1933. Die Banderole zeigt eindeutig, dass die Devisenüberwachung von der Postüberwachung (oder Zensur) klar unterschieden werden muss. Die Öffnung der Post geschah nicht zur Inhaltskontrolle, um die Mitteilung von Geheimnissen zu verhindern, sondern aus ausfuhrrechtlichen (=zollamtlichen) Gründen.




Zur Zollkontrolle von Post aus der Schweiz nach Deutschland hatten wir ja gerade eine aktuelle Diskussion in einem anderen Thema. In veränderter Form wird also selbst heute noch aus zollamtlichen Gründen die Post kontrolliert. Sammlungstechnisch muss man für eine solche Kontrolle der Eingangspost fast noch dankbar sein, wenn dabei durch entsprechende Behandlungsvermerke ein sammelnswerter Beleg herausspringt. Allerdings schreibt Dieter dort "Die Marken von der Post waren mit einer Bandarole überklebt so dass man die Marken sehr schwer abbekam." Aus der Perspektive eines Briefesammlers mag es einen ein bisschen Gruseln, das zu lesen. Gott sei Dank hat bei dem obigen Brief niemand versucht die überklebte 12Pf Hindenburg durch vorsichtiges Ablösen vor der Verschandelung mit einem Zollaufkleber zu retten, so dass ich den Brief heute hier zeigen kann.
 
TomWolf_de Am: 21.11.2008 10:36:31 Gelesen: 184202# 11 @  
Mitte 1919 tauchen die ersten "offiziellen" Verschlußzettel auf den kontrollierten Briefen auf. Diese Zettel wurden an allen Devisenkontrollstellen verwendet, was vermuten läßt, daß diese zentral gedruckt und auf die Kontrollstellen verteilt wurden.



Auch hier sehen wir wieder den Stempel "Postüberwachungsstelle für Briefe Stuttgart", der ja bereits auf dem provisorischen Verschlußzettel abgeschlagen wurde. Dieser Stempel wurde in der Folge durch ein Sigel ersetzt, das zeige ich noch.



Die nächste Generation der Verschlußzettel bekam zusätzlich die Nummer der Devisenkontrollstelle (hier zu sehen die Nr. 19 für Stuttgart), auch diese Zettel wurden - mit der jeweiligen Nummer - an allen Devisenkontrollstellen verwendet.

Auf eine Besonderheit möchte ich noch aufmerksam machen: Bei einigen Zetteln gibt es einen Druckfehler bei der Jahreszahl. Statt 1918 steht hier die Jahreszahl "1818".



Zettel mit diesem Druckfehler sind äußerst selten! Ich zeige hier diesen Zettel aus der Devisenkontrollstelle Nr. 1 Berlin. Angeblich existiert dieser Druckfehler auch auf Verschlußzetteln aus Dresden (Nr. 4). Theoretisch könnten Zettel mit diesem Druckfehler an alle Devisenkontrollstellen ausgeliefert worden sein.

Bitte meldet mir solche Stücke, sie sind für die Forschung immens wichtig!

Gruß
Thomas
 
TomWolf_de Am: 21.11.2008 12:09:18 Gelesen: 184193# 12 @  
Zum Thema Literatur, doktorstamp hat mich an etwas erinnert: In der Rundbriefen der ARGE Infla wurde das Thema vor vielen Jahren behandelt.

Den Namen des Verfassers habe ich vergessen, aber in dem Artikel war eine Quellenangabe enthalten zu einem Beitrag von Herrn Dahnke (?) erschienen in einem Rundbrief der ARGE Zensurpost.

Mit dem Leiter der ARGE Zensurpost habe ich mich vor einigen Jahren schon deswegen in Verbindung gesetzt und er hat mir damals mitgeteilt, daß es neuere Artikel zu den Devisenkontrollstellen in den Rundbriefen gibt, die von Robin Pizer erstellt und von Wolfgang Vogt (dem Leiter der ARGE Zensurpost) ins Deutsche übersetzt wurden. Diese Artikel konnte ich völlig problemlos von ihm als Kopie bekommen. Berechnet wurden nur das Porto und die Kosten der Kopien.

Wer sich (auch längerfristig) für diese Thema interessiert, dem empfehle ich, sich mit Wolfgang Vogt in Verbindung zu setzen. Kontaktadresse habe ich seinerzeit auf bdph.de bei den Arbeitsgemeinschaften gefunden. Eine eigene Homepage hat die ARGE Zensurpost leider nicht. Die Artikel dokumentieren den damaligen Stand der Forschung (ca. 1992), sind einfach zu verstehen, lassen aber in ihrer Gänze noch Fragen offen. Das liegt natürlich auch daran, daß dieses Material innerhalb der Masse eher selten zu finden ist, und Robin Pizer der einzige ist, der sich um diese Materie kümmert.

Gruß
Thomas
 

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