Neues Thema schreiben   Antworten     zurück Suche   Druckansicht  
Thema: (?) (771) Deutsches Reich Feldpost 1. Weltkrieg
Das Thema hat 786 Beiträge:
Gehe zu Seite:  1   2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 21 31 32 oder alle Beiträge zeigen
 
JFK Am: 15.08.2010 18:49:38 Gelesen: 745763# 1 @  
Anbei ein interessanter Faltbrief aus 1915, der mir noch ein paar Rätsel aufgibt.



Absender: Oberstleutnant Professor Mühlens IV. Türkische Armee Jerusalem
Adressat: Prof. Nocht Hamburg 4 Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten
Inhalt: mikroskopische Präperate
Stempelfragment: Militär - (post..?)Constantinopel
Marke: D.R. 86 II a mit weiterem 1-zeiligem Stempel (den ich leider nicht entziffern/zuordnen kann)

Rückseite:



Stempel 1) Türkischer Stempel (Inhalt?)
Stempel 2) Deutsches Auswärtiges Amt
Stempel 3) Durchgangsstempel Berlin C/D/2/c/2.8.15 7-8N , der wohl als Eingangs- und auch als Verschlussmarkenstempel genutzt wurde

Was ich bisher herausgefunden habe:

Eine Marine-Hygieneexpedition wurde im Dezember 1914 unter Leitung des Hamburger Tropenmediziners Prof. Dr. Peter Mühlens zusammengestellt. Sie arbeitete zusammen mit den türkischen Sanitätsstellen der türkischen 4. Armee daran, die beim Wasser- und Wegebau in der Wüste auftretenden Infektionskrankheiten wie Rückfallfieber, Flecktyphus, Typhus, Abdominaltyphus, Paratyphus, Amöbenruhr, Bakterienruhr und Cholera einzudämmen.
Schutzimpfungsstoffe gegen Typhus und Cholera wurden in Jerusalem aus landestypischen Erregerstämmen selbst hergestellt.

Mühlens hatte Medizin studiert und war anschließend Arzt im Dienst der Kaiserlichen Marine. Ab 1901 arbeitete er am neu gegründeten „Hamburger Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten“. 1911 wurde er aus dem Dienst der Marine entlassen und erhielt eine feste Stelle im Institut. Von 1912 bis 1914 bereiste Mühlens das Osmanische Reich und forschte u. a. zur Malaria in Jerusalem. Während des Ersten Weltkriegs wurde Mühlens eingezogen und war Mitglied des Asien-Korps und dabei wohl auch der 4. türkischen Armee zugeteilt worden.

Woran ich noch rumrätsele:

Was sagt der türkische Stempel aus?
Warum war die Feldpostsendung frankiert? Diplomatenpost-Feldpost? Weitersendungsporto Berlin - Hamburg vorfrankiert?
Was hat das mit dem Stempel auf der 10 Pf. Germania auf sich?

Nette Sonntagsgrüße aus Nettetal
Jürgen
 
Postgeschichte Am: 25.08.2010 20:30:56 Gelesen: 745669# 2 @  
@ JFK [#13]

Hallo Jürgen,

nachdem ich mir nun auch die vergangenen Beiträge näher ansehen kann, bin ich auf Deine Fragen gestoßen, die noch nicht beantwortet wurden.

Bei Deinem Beleg handelt es sich um einen Feldpostbrief, der, wie Du selbst festgestellt hast, eng mit der türkischen 4. Armee verknüpft ist. Die türkische 4. Armee, der auch der Absender als deutscher Armeeangehöriger (evtl. auch als Zivilist) unterstellt war, war u.a. in Jerusalem stationiert. Zu Deinen Fragen:

1. Den Inhalt des Negativ-(Petschaft)-Stempels kann ich Dir leider nicht übersetzen. M.E. dürfte es sich um ein Dienstsiegel der 4. Armee handeln und die Berechtigung zur Benutzung der Feldpost ausdrücken.

2. Bei dem Beleg handelt es sich um einen (portopflichtigen) Feldpostbrief. Auch so etwas gab es. Nicht alle Feldpostbriefe waren gebührenfrei. Gebührenfrei waren nur Briefe Feldpostberechtigter (diese waren genau definiert) mit einem Gewicht bis 50 g. Briefe mit einem höheren Gewicht über 50 g bis 275 g waren mit 10 Pf, über 275 bis 550 g waren mit 20 Pf zu frankieren. Die Sendungen über 50 g gingen als "Feldpostpäckchen" in die Geschichte ein. Da in dem von Dir gezeigten Beleg mikroskopische Präparate versandt wurden, ist ein Gewicht über 50 bis 275 g glaubhaft und war mit 10 Pf zu frankieren.

3. Die Postverbindungen aus Jerusalem wurden meist durch Kuriere aufrecht erhalten. Die Beförderung dieser Sendung lief offensichtlich über das Auswärtige Amt. Dies ist aus der Abfertigung der Sendung zu erkennen. Feldpostpäckchen, auf denen wegen Unebenheiten kein deutlicher Stempelabdruck des Aufgabeortes angebracht werden konnte, war angeordnet worden, den Aufgabestempel vorher auf einem gummierten, gut haftenden Zettel anzubringen und an einer geeigneten Stelle der Aufschriftseite zu bekleben. Diese Vorschrift wurde offensichtlich mit dem von dem Auswärtigen Amt (AA) in Berlin C 2 vorgefertigten Aufklebern erfüllt. Ob der Aufkleber in Jerusalem angebracht oder die Sendung über das Auswärtige Amt in Berlin lief und dort aufgeklebt wurde, lässt sich nicht sagen.

4. Der Stempel auf der Marke ist ein sogenannter "Päckchenstempel", die meist auf Feldpostpäckchen zu finden sind, deren Inhalt Unebenheiten hervorriefen und einen Abdruck eines Tagesstempels nicht zuließen. Hierzu habe ich bereits einiges gesagt:

http://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?ME=20964#M23

Ich hoffe, daß Dir meine Erklärung etwas weiterhelfen.

Gruß
Manfred
 
JFK Am: 27.08.2010 08:18:52 Gelesen: 745628# 3 @  
@ Postgeschichte [#33]

Hallo Manfred,

vielen Dank für die zusätzlichen Informationen, die sind sehr hilfreich.

Auf dem Absender ist der militärische Rang Oberstleutnant vermerkt, heute entspricht das einem Flottenarzt bei der Marine oder einem Oberfeldarzt beim Heer.

Daher meine ich, daß Prof. Mühlens 1915 in "militärischer Mission" unterwegs war, wobei das schon wieder die nächste Frage aufwirft: Warum dann kein (Marine)-Sanitäts-Dienstgrad?

- weil nicht direkt in der deutschen Marine tätig?
- weil Einzug als Reservist?
- weil Expedition?
- weil Unterstellung unter Auswärtiges Amt?
- weil?

Aber das ist mehr eine militärhistorische Fragestellung - ohne die allerdings die postgeschichtlichen Hintergründe nicht so ohne Weiteres zu erklären wären - wie Du wieder einmal nachhaltig bewiesen hast, lieber Manfred.

Die Philatelie ist halt eingebunden "ins richtige Leben" und durch Neugier, Hintergrundwissen, Forschung und damit auch interdisziplinäre Literatur, nicht zu vergessen - Euer geballtes Wissen hier auf den Philaseiten - für mich so interessant und (ent-)spannend.

Nette Grüße aus Nettetal und einen angenehmen Tag
Jürgen
 
Jürgen Witkowski Am: 20.10.2010 16:59:27 Gelesen: 745442# 4 @  
An diesem großformatigen Brief (etwas größer als DIN A5) rätsel ich schon seit geraumer Zeit rum, ohne so recht zur Quelle der Erkenntnis zu gelangen.

Doch der Reihe nach:

- Briefumschlag mit belgischem Wappen und Inschrift MINISTRE DE LA GUERRE ● CABINETT MILITAIRE ●

- Empfänger: Kriegsministerium, Abteilung VIII, Berlin

- oben links Vermerk VIa Nr.1492.

- unten links Vermerk HEERESSACHE !

- Rechteckstempel FELDPOST

- Tagesstempel CÖLN * 1ℓ 19.12.14. 4-5 N

- rückseitiger Stempel DEUTSCHES GENERAL-GOUVERNEMENT BRÜSSEL

Der Umschlag stammt demnach vom belgischen Kriegsminister des Militärkabinettes, das zu dieser Zeit im französischen Le Havre im Exil weilte.

Ich vermute, dass das Schreiben per Kurier oder zusammen mit anderen Poststücken unter Umschlag an den deutschen General-Gouverneur in Brüssel gelangte.

Da keinerlei für mich erkennbare postalische Bearbeitungsvermerke aus Belgien zu finden sind, nehme ich an, dass der Brief entweder per Kurier oder gemeinsam mit anderen Poststücken unter Umschlag als Sammelpost nach Köln (warum eigentlich nicht nach Aachen?) gelangte und dort als gebührenfreie Heeressache in den Postverkehr eingespeist wurde.

Wie sehen die Spezialisten das?

Mit besten Sammlergrüßen
Jürgen


 
Lars Boettger Am: 20.10.2010 18:18:19 Gelesen: 745428# 5 @  
Hallo Jürgen,

ich gehe davon aus, dass der Umschlag in Brüssel gebraucht wurde - Kriegsbeute sozusagen - und dann per Kurier nach Köln ging.

Beste Sammlergrüsse!

Lars
 
Jürgen Witkowski Am: 20.10.2010 19:11:29 Gelesen: 745416# 6 @  
@ Lars Boettger [#693]

Hätte man dann auf dem Umschlag, wenn er von deutscher Seite benutzt worden wäre, nicht das belgische Hoheitszeichen unleserlich gemacht?

Mit besten Sammlergrüßen
Jürgen
 
Lars Boettger Am: 20.10.2010 19:38:24 Gelesen: 745410# 7 @  
@ Concordia CA [#681]

Hallo Jürgen,

gab es dafür 1914 eine Vorschrift? Nach meiner Erfahrung war in den ersten Kriegsmonaten einiges möglich. Vor mir liegt ein Brief aus Frankreich vom November 1914, in Luxemburg aufgegeben, der in die Schweiz ging und nicht zensiert wurde. Dürfte es eigentlich nicht geben, da wäre Cöln-Deutz für zuständig gewesen.

Beste Sammlergrüsse!

Lars
 
Postgeschichte Am: 21.10.2010 01:25:57 Gelesen: 745391# 8 @  
@ Concordia CA [#681]

Hätte man dann auf dem Umschlag, wenn er von deutscher Seite benutzt worden wäre, nicht das belgische Hoheitszeichen unleserlich gemacht?

Mir ist keine Vorschrift bekannt, daß Absenderangaben, als mehr sehe ich das auch nicht an, unkenntlich gemacht werden mußten. Etwas anderes wäre die Anbringung von belgischen Postwertzeichen oder Dienstsiegel zur Erlangung einer möglichen Portofreiheit. Da hier offensichtlich die Papierverwertung im Vordergrund stand, hat man an die Absenderangabe wohl nicht gedacht oder für unwichtig gehalten.

warum eigentlich nicht nach Aachen?

Dies dürfte an der guten Bahnverbindung Brüssel - Köln gelegen haben. In Aachen war zwar eine Relais-Station für Kurierpost eingerichtet, aber eben nur für Kurierpost. Gewöhnliche Heeres- oder Feldpost wurde nur in bestimmten Einzelfällen mit der Kurierpost befördert.

Gruß
Manfred
 
Jürgen Witkowski Am: 22.10.2010 21:58:57 Gelesen: 745361# 9 @  
@ Lars Boettger [#682]
@ Postgeschichte [#683]

Vielen Dank für Eure Einschätzung. Manchmal denkt man viel zu kompliziert.

Dafür jetzt ein unkomplizierterer Beleg. Es handelt sich wiederum um eine Heeressache als Feldpost, dieses Mal innerhalb von Belgien gelaufen.

Aufgegeben wurde sie von der Pass-Zentrale Brüssel, die Feldpostberechtigung wurde mit dem rechts unter dem Tagesstempel befindlichen Dienststellenstempel nachgewiesen.

Der Tagesstempel von Brüssel vom 8.VII.1915 stammt von einer Hey&Dolphin International Stempelmaschine amerikanischer Bauart, wie sie in Belgien im Gegensatz zu Deutschland weit verbreitet war.

Von der Empfängeradresse kann ich leider nicht viel entziffern:

Mobile E ???
NV 4 Armee
Pep ? K ???
Beernem

Mit besten Sammlergrüßen
Jürgen


 
Lars Boettger Am: 22.10.2010 23:29:43 Gelesen: 745351# 10 @  
@ Concordia CA [#9]

Hallo Jürgen,

ich tippe auf "Mobile Truppenkommandatur N V, 4. Armee, postlagernd (?)"

Beste Sammlergrüsse!

Lars
 
Postgeschichte Am: 23.10.2010 12:00:24 Gelesen: 745325# 11 @  
@ Concordia CA [#9]

Hallo Jürgen,

die Anschrift lese ich mit:

Mobile Etappenkommandantur
N V, 4. Armee
Post .....

Bei dem Wort hinter Post bin ich mir nicht sicher.

Gruß
Manfred
 

Das Thema hat 786 Beiträge:
Gehe zu Seite:  1   2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 21 31 32 oder alle Beiträge zeigen
 
  Antworten    zurück Suche    Druckansicht  
 
Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Deinen Besuch stimmst Du dem zu.