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Thema: Die unterschiedlichen Kalender
Das Thema hat 266 Beiträge:
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volkimal Am: 12.11.2014 18:46:10 Gelesen: 320836# 1 @  
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Beiträge 1-12, 183-219: Der gregorianische und der Julianische Kalender
Beiträge 220-237: Die Kalender in Mandschukuo



Hallo zusammen!

Bei der Beschäftigung mit ausländischen Belegen hatte ich immer wieder Probleme mit der genauen Datierung oder der Ermittlung der Laufzeiten. Das lag daran, dass im Ausland (Russland, China, Japan usw.) zum Teil andere Kalender benutzt werden oder benutzt wurden. Bei Wikipedia sind ca. 70 verschiedene Kalender aufgeführt (http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Kalendersysteme ). Diese kommen natürlich längst nicht alle in der Philatelie vor, aber einige sind es schon.

Um Euch die Arbeit zu erleichtern, möchte ich an dieser Stelle die verschiedenen Kalender vorstellen, die in meiner Sammlung vorkommen. Vor allem geht es mir darum, zu erklären, wie man die verschiedenen Stempeldaten auf unser Datum umrechnen kann.

Der gregorianische Kalender

Hier in Deutschland wird – wie in den meisten Ländern der Erde – der gregorianische Kalender benutzt.



Wie man am Ersttagsblatt mit Briefmarke und Ersttagsstempel erkennt, wurde der gregorianischen Kalender im Jahre 1582 von Papst Gregor XIII eingeführt.

Vorher galt in Deutschland der julianische Kalender. Dieser hatte den Nachteil, dass er mit seinen durchschnittlich 365,25 Tagen um etwa elf Minuten länger als das Sonnenjahr war. Dadurch verschob sich der astronomische Frühlingsanfang etwa alle 130 Jahre um einen Tag auf ein früheres Kalenderdatum.

Diese Verschiebung wurde 1582 durch Auslassen von 10 Kalenderdaten korrigiert (auf Donnerstag, den 4. Oktober folgte Freitag, der 15. Oktober). Zusätzlich passte man die durchschnittliche Tageszahl an die tatsächliche Dauer eines Jahres an, indem man die Anzahl der Schaltjahre änderte. Genaueres findet ihr bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Gregorianischer_Kalender.

Im nächsten Beitrag werde auf die unterschiedlichen Daten im gregorianischen und julianischen Kalender eingehen, der z.B. bis 1918 in Russland verwendet wurde.

Viele Grüße
Volkmar
 
22028 Am: 12.11.2014 18:51:00 Gelesen: 320835# 2 @  
Da denke ich passt die Info zu diesem Kalenderkonverter ganz gut hin:

http://calendarhome.com/calculate/convert-a-date/
 
Heinz 7 Am: 14.11.2014 22:37:09 Gelesen: 320748# 3 @  
@ volkimal [#1]

Hallo Volkmar und Kollegen,

das Thema mit den unterschiedlichen Kalendern kann wirklich zu besonderen Belegen führen, wie ich Euch an einem meines Erachtens sehr schönen Beispiel zeigen möchte.

"Auf dem Straßenweg beträgt die Distanz von Galați nach Wien 1187 Kilometer."
"Auf dem Straßenweg beträgt die Distanz von Wien nach Triest 480 Kilometer."
"Auf dem direkten Weg beträgt die Entfernung zwischen Triest und Κερκυρα 839 Kilometer."

Diese Info holte ich aus "http://www.entfernung.org";. Warum erzähle ich Euch das? Nun, der beiliegende Brief hat genau diese Reise hinter sich: Er wurde in Galatz (Rumänien) aufgegeben, ging über Wien und Triest auf's Schiff und wurde nach Korfu geschippert, wo er die 90 Lepta Nachfrankatur erhielt. Der Brief legte also rund 2500 Kilometer zurück.



Betrachten wir nun die Stempel: "GALATZ 17 / 2 / 69" steht da und "KERKYRA 17 FEBR 69".

Nanu? Zweimal dasselbe Datum? - Nun, nur scheinbar. Die Post in Galatz verwendete seit 1.1.1865 den gregorianischen Kalender (die österreichische Post sowieso - der Brief wurde von dem österr.-ungarischen Postamt in Galatz gestempelt). Griechenland (Corfu) verwendete aber noch den Julianischen Kalender, der um diese Zeit 12 Tage hinterherhinkte. Der 17.2.1869 (julianisch) entsprach also dem 1. März 1869 (gregorianisch).

So benötigte der Brief also 12 Tage vom Abgang zum Bestimmungsort. Hätte der Brief den Weg über das Schwarze Meer genommen, wäre es vermutlich schneller gegangen, aber der Brief lief eindeutig über Wien/Triest.

So spannend kann Philatelie sein!

Herzliche Grüsse - Heinz
 
volkimal Am: 15.11.2014 09:32:23 Gelesen: 320722# 4 @  
@ 22028 [#2]
@ Heinz 7 [#3]

Hallo 22028,

dieser Link ist sehr hilfreich. Ich kannte ihn bisher nicht. Vielen Dank!

Aber er reicht natürlich nicht aus. Man muss noch etwas mehr Hintergrundwissen haben. Dieses wird am Beitrag von Heinz deutlich.

Hallo Heinz,

ein sehr schönes Beispiel! Aufgabe- und Ankunftsstempel mit demselben Datum, und das bei der Entfernung! Und vor allem aber ist es super, wie Du den Beleg beschrieben hast.

Du schreibst: "Die Post in Galatz verwendete seit 1.1.1865 den gregorianischen Kalender". Galt das nur für das österreichische Postamt oder auch für das rumänische? Nach Wikipedia wurde der gregorianischen Kalender im Königreich Rumänien erst 1918 eingeführt.

Solche Belege und solche Informationen sollen hier gezeigt werden.

Viele Grüße und vielen Dank.

Volkmar
 
volkimal Am: 15.11.2014 09:37:51 Gelesen: 320719# 5 @  
Der julianische Kalender

Postkarte von Lodz nach Bernau bei Berlin aus dem Jahre 1902:



Aufgrund der wechselhaften Geschichte hat Lodz verschiedene Namen: Lodz (deutsch), Łódź (polnisch) oder Лодзь (russisch). Mit der zweiten Teilung Polens 1793 wurde die Stadt Teil Preußens. Nach dem Frieden von Tilsit 1807 kam der Ort Teil zum Herzogtum Warschau und wurde 1815 in Kongresspolen integriert, sodass die Stadt dem russischen Zaren unterstand.

Nun zu den Stempeln auf der Karte:

Aufgabestempel: Лодзь (Lodz) 15.01.1902
Ankunftsstempel: Bernau (Mark) 30.01.1902
 

Man könnte meinen, dass die Beförderungszeit 15 Tage betrug. Das stimmt aber nicht, denn es waren nur 2 Tage! Da Lodz zum russischen Reich gehörte, galt dort der julianische Kalender. In Bernau in Deutschland wurde dagegen der gregorianische Kalender benutzt. Der julianische Kalender und der gregorianische Kalender unterschieden sich 1902 um 13 Tage.

Aufgabedatum: 15.01.1902 (jul) + 13 => 28.01.1902 (greg.)

Man erkennt die unterschiedlichen Zeiten auch sehr schön, wenn man die Bildseite der Karte ansieht. Der Absender hat nämlich oben rechts das gregorianische Datum angegeben. Die Ansichtskarte zeigt übrigens den neuen Markt (= Nowy Rynek) in Lodz.



Umrechnung vom julianischen zum gregorianischen Kalender:

Vom 18.02.1800 (jul.) bis zum 16.02.1900 (jul.) muss man im Kalender 12 Tage nach vorne gehen, um das gregorianische Datum zu bekommen.
Vom 17.02.1900 (jul.) bis zum 31.01.1918 (jul.) muss man im Kalender 13 Tage nach vorne gehen, um das gregorianische Datum zu bekommen.


Im Jahre 1918 wurde in Russland der gregorianische Kalender eingeführt. Auf den 31. Januar 1918 (jul.) folgte in Russland der 14. Februar 1918 (greg.). Die Daten dazwischen gab es in Russland nicht.

Viele Grüße
Volkmar
 

muemmel Am: 15.11.2014 17:10:28 Gelesen: 320680# 6 @  
Hallo in die Runde,

dazu passt eine Postkarte, die am 20.1.1883 von Gotha nach Berditscheff (damals zu Russland gehörig) auf die Reise ging:



Laut Eingangsstempel erreichte die Karte ihr Ziel am 12. Jan. 1883, was natürlich nicht möglich war. Wie bereits erwähnt, galt in Russland noch der Julianische Kalender. Addiert man 12 Tage auf das Eingangsdatum, ergibt sich als Ankunfttag der 24. Januar 1883 (Gregorianisch). Damit ist die Welt also wieder in Ordnung und eine Zeitreise mit ungewissem Ausgang bleibt uns erspart.

Die Karte stammt aus der Sammlung einer guten Bekannten.

Informationen zu Berditscheff unter:

http://de.wikipedia.org/wiki/Berdytschiw

Hübsche Grüße
Harald
 
Heinz 7 Am: 15.11.2014 18:18:48 Gelesen: 320664# 7 @  
@ volkimal [#4]

Hallo Leute,

das macht echt Spass mit Euch! Leider hatte ich heute einen grossen Datenverlust, weil ich wollte Euch einen grösseren Beitrag liefern zum Thema, und habe das Ganze offenbar etwas "überladen". Jedenfalls ging am Ende gar nichts mehr und ich flog raus. Alle Sicherungen waren weg - schade. Drei Stunden Arbeit sind vorerst mal weg. Nun portioniere ich die Beiträge in "verdaulichere" Happen und hoffe, so meine (Zeit-) Investitionen doch noch nutzen zu können. Immerhin die Scans habe ich noch alle auf dem Stick.

Vorweg eine konkrete Antwort: Ja, die rumänische Post stellte ihren Kalender um per 1.1.1865 auf den gregorianischen. Zuvor galt der julianische Kalender, sowohl in der Moldau, als auch in der Walachei und zu Beginn der Vereinigten Fürstentümer. Die Notiz im "Michel" stimmt also genau. Die Menschen verwendeten im 19. Jahrhundert in diesem Gebiet die Kalender munter nebeneinander, das sieht man auch an vielen Doppelnotierungen des Datums, z.B. 1./13. März 18xx.

Auf dem Gebiet der ehemaligen Fürstentümer Moldau und Walachei gab es auch fremde Postdienstleister. Dabei verwendete Österreich und Frankreich den gregorianischen, Russland und Griechenland hingegen den julianischen Kalender.

Ein ähnliches Beispiel zum obigen Brief (Beitrag 3) zeige ich Euch anbei: Brief von Ismail nach Corfu



Zwar hat der Brief einige Mängel (Stempel eher undeutlich, Marken z.T. angeschnitten, Rückseite mit Papier-Fehlstelle), aber für unsere Zwecke lässt sich alles zeigen: Ismail, eine ukrainische Stadt an der Donau, nahe bei der Mündung zum Schwarzen Meer, gehörte nur kurz, 1856-1877 zu Rumänien. Von 1812 bis 1856 und von 1877 bis 1917 gehörte die Stadt zum russischen Bessarabien.

Am 25.9.1871 wurde nun ein Brief von Ismail (Rumänien!) nach Corfu geschickt. Der Agraffen-Stempel gehört zur Gruppe A65 und ist ein rumänischer Stempel (fig. 401 Stempelbuch K. Dragomir 1990). Wiederum wurde die lange Route über Wien gewählt, wie deutlich vermerkt wurde. Der Brief erhielt auch alle Durchgangsstempel: GALATZ 26 / 9 - WIEN 30 / 9 / 71 - TRIEST (Datum fehlt) - KEPKYPA = KERKYRA 25 SEPT 71 (julianisch). Der Brief kostete 100 Lepta, die wurden bei Ankunft verklebt (griechische Frankatur) und entwertet: 25.9.1871 (julianisch). Also auch dieser Brief benötigte 12 Tage.



Die Briefrückseite ist, obwohl optisch alles andere als "Luxus", wichtig und wertvoll. Fortsetzung folgt

Heinz
 
Heinz 7 Am: 15.11.2014 18:57:56 Gelesen: 320651# 8 @  
@ volkimal [#4]

(Fortsetzung)

Nun zeige ich Euch einen Brief, als sich die Post noch nach dem alten julianischen Kalender ausrichtete.



Warum ist dieser Brief interessant? Auf dem obigen Bild seht Ihr eigentlich nur ca. 2/18 des gesamten Briefes. Früher wurden grosse Briefbogen gefaltet und aussen beschriftet, gesiegelt und verschickt.



Der Briefbogen wurde mehrfach gefaltet und so in 18 Felder unterteilt, die wie folgt verwendet wurden: Feld 10-18: Raum für Brieftext; Feld 1-9: "Verpackungsteil". In Feld 5 wurde die Adresse vermerkt, Feld 4 und 6 wurden ineinander geschoben und versiegelt und bildeten so die Briefrückseite. Auf dem ersten Bild seht Ihr also Feld 5 und 6 des Gesamtbogens. Der Fleck rechts aussen (auf Feld 6) ist normal, er stammt von der Versiegelung. In Feld 4 ist das Papier etwas aufgerissen, das geschah beim Öffnen des Briefes. Der oben gezeigte Bogen ist aber in hervorragender Erhaltung (er ist immerhin 154 Jahre alt!).

Wie wir aus dem Briefkopf ersehen (Teil-scan der Felder 12,15+18) notierte der Briefschreiber Abgangsort, das Datum und den Namen des Empfängers.

.

Schön ist jetzt, dass der Briefeschreiber den gregorianischen Kalender verwendete. Der 9. Februar (greg.) entsprach genau dem Poststempel-Datum "GALATZ / MOLDOVA 28 / 1 (jul.)". Der Brief an Herrn Wechsler kam zwei Tage später in Jassy (auch Moldau) an und erhielt auf der Briefrückseite den (roten) Ankunftsstempel "JASSY MOLDOVA 30 / 1" (jul.).

Ein Wort noch zum Porto: 1860 kostete so ein Brief 40 Parale. Der Absender verzichtete aber auf eine Frankierung, entweder, weil er keine Marke zur Hand hatte (schade, es wäre ein Ochsenkopf (2. Ausgabe, rechteckig, Michel Nr. 6) "fällig" gewesen), vielleicht aber auch weil sich der Briefeschreiber beim Adressaten beschwerte. Ich entziffere aus dem Schreiben: "...schon am 6t hier eintreffen, und ist bis heute nicht da." Möglich also, dass der Absender seine "Mahnung" quasi zur Strafe unfrankiert versandte.

Heinz
 
Heinz 7 Am: 16.11.2014 20:58:58 Gelesen: 320613# 9 @  
@ volkimal [#4]
@ Heinz 7 [#8]

Liebe Leser,

ich möchte meinen gestrigen "halben" Beitrag heute noch vervollständigen. Gestern habe ich Euch einen Brief gezeigt, bei dem der Schreiber den gregorianischen Kalender verwendete, die moldauische Post aber den julianischen.

Nun sind wir neun Jahre später. Herr Rosenthal aus Pitesci (Walachei) sandte einen Brief nach Bukarest, das ebenfalls in der Walachei lag. 1859 hatten sich die zwei Fürstentümer Moldau und Walachei, die beide unter der Oberhoheit des Osmanischen Reiches standen, zu einem gemeinsamen Staat (Vereinigte Fürstentümer) zusammengeschlossen. Ab Januar 1862 nahm das Gebiet den Namen Rumänien an. 1867/68 wurde eine neue Währung eingeführt; Bani ersetzten die alten Parale. Ein einfacher Inlandbrief kostete nicht mehr 40 Parale (wie 1860) bzw. 30 Parale (wie 1862) bzw. 20 Parale (wie 1865), sondern neu 18 Bani. Und die rumänische Post verwendete seit dem 1.1.1865 den Gregorianischen Kalender.

Auch Herr Rosenthal verwendete für seine Mitteilung einen Faltbrief.



Dieser wurde ähnlich verwendet wie der oben gezeigte Brief. Nach 5 Faltvorgängen hatte er das handliche Format von ca. 14 x 9 cm. Feld 5 des Briefbogens bildete die Briefvorder-, Feld 2 und 8 (ineinander gesteckt) die -Rückseite, die gesiegelt und somit verschlossen wurde. (Man vergleiche die Faltung des Briefes von 1860, die anders erfolgte; dort bilden Feld 4+6 die Briefrückseite). Der Brief wurde frankiert mit dem höchsten Wert der 6. Ausgabe von 1868 (der ersten mit Währung Bani, Michel Nr. 20) und der Post übergeben am 22. Februar 1869.



Drei Tage später kam der Brief in Bukarest an, wie der Stempel auf der Briefrückseite klar zeigt.



Brief, Marke und Stempel sind sehr sauber und natürlich gefällt mir dieser Brief sehr. Eine Besonderheit ist mir aber beim Öffnen des Briefes aufgefallen:



Klar ersichtlich hat der Rosenthal seinen Brief mit 10. Februar datiert. Er hat ihn dann aber nicht zwölf Tage später erst auf die Post gebracht, sondern am selben Tage. Herr Rosenthal arbeitete schlicht noch nach dem julianischen Kalender, wie so viele seiner Landsleute. Die Post aber verwendete nun schon eine Weile den Gregorianischen Kalender.

Diese Aussage lässt sich sogar beweisen. Der Empfänger machte sich nämlich fein säuberlich Notizen zu dem Brief (siehe Feld 7 des Briefbogens): Name des Senders - Datum des Versandes - Datum der Ankunft und ein weiteres Datum wurden vermerkt. Der Empfänger vermerkt also, dass die Stempeldaten 22/2 und 25/2 den Daten 10.Feb und 13.Feb (Julianischer Kalender) entsprachen. Er verwendete auch den Julianischen Kalender.



Schön, nicht wahr? Wir haben also einen ähnlichen Fall wie beim Brief 1860, nur genau umgekehrt!

Herzliche Grüsse - Heinz
 
volkimal Am: 16.11.2014 22:14:49 Gelesen: 320595# 10 @  
@ Heinz 7 [#9]

Hallo Heinz,

einfach klasse die Belege, die Du zeigst und vor allem die Beschreibungen - genau so, wie ich sie bei diesem Thema haben möchte. Zusätzlich ist auch noch sehr schön, dass Du Belege aus einem Gebiet zeigst, das ich nicht belegen kann.

Danke fürs Zeigen
Volkmar
 
Marcel Am: 16.11.2014 23:06:54 Gelesen: 320586# 11 @  
Ich hatte mal einen Beitrag bei Air Mail / Luftpost - Aufkleber, Labels, Eindrucke, Vermerke über das Gengô (Nengô)-System, daß sich nach bestimmten Ereignissen untergliedert und in Ären eingeteilt ist.

http://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?PR=63566

Nengō bzw. Gengō bezeichnen in der japanischen Zeitrechnung „Jahresdevise“ oder „Äranamen“. Im weiteren Sinne ist damit das in Japan übliche kalendarische Schema gemeint, das seinen Ursprung in China hat. Mehrere Jahre werden dabei in Gruppen mit dem gleichen Namen, bzw. mit der gleichen „Devise“ zusammengefasst. Obwohl in Japan auch die westliche Zeitrechnung bekannt ist, gilt bei Behörden das nengō-System als verbindlich.

Hier eine Liste: http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Neng%C5%8D

Wir leben zur Zeit im Heisei - übersetzt "Frieden geben". Den Namen dieser Ära hat Kaiser Akihito gegeben. Er bestieg am 7. Januar 1989 den japanischen Chrysanthementhron und wurde am 12. November 1990 offiziell zum 125. Tennō (himmlischer Herrscher) von Japan ausgerufen.

so jetzt aber wirklich Schluß für heute schöne Grüße
Marcel
 
volkimal Am: 22.11.2014 13:07:42 Gelesen: 320472# 12 @  
@ Marcel [#11]

Hallo Marcel,

danke für den Hinweis. Da ich es nicht schaffe, alle Beiträge auf Philaseiten zu lesen, ist mir Dein Beitrag wohl entgangen. Über den japanischen Kalender habe ich auch schon in einem Beitrag geschrieben. Ich werde später auf den japanischen Kalender eingehen.

Heute von meiner Seite aus der letzte Beitrag zum julianischen Kalender. Diesmal ist es ein Brief, der von Rybnik nach Lodz ging. Rybnik liegt in Schlesien und gehört heute zu Polen. Den Namen Rybnik hat die Stadt beim Wechsel des Landes behalten.



Der Brief wurde am 11.11.1898 (greg.) aufgegeben und kam am 31.10.1898 (jul.) in Lodz in Russisch-Polen an. Da der Brief vor 1900 verschickt wurde, muss man im julianischen Kalender 12 Tage nach vorne gehen (siehe [#5]. Der Brief erreichte den Empfänger also am 12.11.1898 (gregorianisch) und war nur einen Tag unterwegs.

Soweit meine Ausführungen zum julianischen Kalender. Aus den anderen Ländern, in denen er galt, habe ich leider keine Belege.

Viele Grüße
Volkmar
 
volkimal Am: 29.11.2014 09:47:06 Gelesen: 320394# 13 @  
Hallo zusammen,

heute geht es weiter mit der „faschistischen Zeitrechnung“, Italien 1922 bis 1944/45.

Mit Benito Mussolinis Marsch auf Rom am 28. Oktober 1922 hatte sich der Faschismus in Italien politisch durchgesetzt. Erstmals am 19. Oktober 1923 fügte Mussolini einem persönlichen Brief im Datum den Zusatz „Anno I dell’êra fascista“ hinzu. Durch einen internen Erlass vom 25.12.1926 machte er diesen Zusatz für die gesamte staatliche Verwaltung verbindlich. [1]

Wie macht sich die faschistische Zeitrechnung philatelistisch bemerkbar:



Beim ersten Stempel ist die Jahreszahl „1926“ noch vierstellig. Beim Stempel vom 24.7.1929 sind dagegen zwei Jahreszahlen angegeben: Die „29“ für „1929“ und die „VII“ für das siebte Jahr der faschistischen Zeitrechnung. Zum rechten Stempel siehe auch http://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?PR=45655



Vergleicht man diese beiden Stempel aus dem Jahr 1937, so entdeckt man zwei verschiedene Jahreszahlen nach der faschistischen Zeitrechnung, die „XV“ und die „XVI“. Das liegt daran, dass die faschistische Zeitrechnung am 29.10.1922 begann. Für das Jahr 1937 bedeutet es, dass bis zum 28.10.1937 das Jahr „XV“ war, ab dem 29.10.1937 das Jahr „XVI“.

Entsprechend des Erlasses vom 25.12.1926 musste ab 1927 in neuen Stempeln auch das Jahr nach der faschistischen Zeitrechnung angegeben werden. Bisher habe ich bei Poststempeln als frühestes Datum die „VI“ für 1928 gesehen. Kann jemand einen Stempel aus dem Jahr 1927 mit der „V“ zeigen?

[1] Thomas Vogtherr: Zeitrechnung: von den Sumerern bis zur Swatch, C.H.Beck Wissen 2001

Soweit für heute. Ich würde mich freuen, wenn auch Ihr einige Beispiele zeigt.

Viele Grüße
Volkmar
 
volkimal Am: 06.12.2014 08:04:23 Gelesen: 320334# 14 @  
Hallo zusammen,

es geht weiter mit der "faschistischen Zeitrechnung" aus Italien.



Dieser Stempel vom 9.5.1938 = XVI zeigt die Jahreszahl nicht nur im Stempelkopf sondern auch rechts oben im Werbeklischee. Das Wort rechts neben dem Liktorenbündel sieht fast wie eine römische Zahl aus, es ist aber das lateinische Wort "Dux" für Führer.

Es gibt auch Werbeklischees, bei denen nur die römische Zahl angegeben ist. Davon besitze ich aber kein Exemplar.

Von Stephan Jürgens bekam ich diesen Scan:



Hier sieht man schön, wie sich die Stempel nach dem Ende des Krieges verändert haben. In den Maschinenstempeln sind wieder vierstellige Jahreszahlen. Da man beim Tagesstempel das Datum nach der faschistischen Zeitrechnung nicht mehr zeigen wollte, hat man das entsprechende Typenrad auf den Block umgestellt.

Viele Grüße
Volkmar
 
volkimal Am: 21.12.2014 18:41:03 Gelesen: 320268# 15 @  
Hallo zusammen,

Die japanische Zeitrechnung

Nach Wikipedia existierten in Japan vier verschiedene Jahreszählweisen:

• das aus China stammende Gengō-System, das auf den Amtszeiten der Tennos (japanischen Kaiser) basiert,
• die westliche Zählweise, die mit der Geburt Jesu beginnt (Anno Domini),
• die davon abgeleitete Kōki, die die japanische Reichsgründung 660 v. Chr. als Epoche nimmt und
• das ebenfalls aus China stammende System der Tierkreiszeichen und Himmelsstämme, das sich periodisch alle sechzig Jahre wiederholt.

Aus der Philatelie kenne ich drei dieser Zeitrechnungen. Bei den japanischen Stempeln wird das Datum entweder nach dem Gengō-System oder nach der westlichen Zählweise angegeben. Näheres dazu im nächsten Beitrag. Zum Kōki-System habe ich bisher nichts Philatelistisches gefunden.

Das „System der Tierkreiszeichen“ findet man bei den Briefmarken. Zum Ende jeden Jahres gibt es in Japan entsprechende Ausgaben. Da es vom Zeitpunkt her gerade so gut passt, möchte ich mit dieser japanischen Zeitrechnung beginnen:

Das System der Tierkreiszeichen

Das System der Tierkreiszeichen basiert auf zehn Himmelsstämmen und zwölf Erdzweigen. Näheres dazu bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Chinesischer_Kalender#Der_60er-Zyklus Jedem Erdzweig ist ein Tier zugeordnet. Diese Tierzeichen werden für die Bezeichnung der Jahre in einem Zwölf-Jahre-Zyklus verwendet. Folgende Tierkreiszeichen gibt es: Ratte, Büffel, Tiger, Hase, Drache, Schlange, Pferd, Schaf, Affe, Hahn, Hund, Schwein.

Wenn ich beim Blättern im Katalog nichts übersehen habe gab es in Japan von Ende 1935 bis Ende 1937 und seit Ende 1948 jeweils zum neuen Jahr eine Briefmarkenausgabe. Seit 1950 gehört auch jeweils ein Block dazu. Später gab es zusätzlich passende Neujahrs-Ganzsachen (Postkarten). Am Anfang zeigten die Marken verschiedene Motive, später waren es fast immer die entsprechenden Tiere. Hier einige Beispiele, die ich bei mir im Album fand:



1938: Jahr des Tigers, Motiv: Shimekazari = Heiliges Stroh der Neujahrsdekoration (glücksbringendes Symbol)
1952: Jahr des Drachen, Motiv: Maske und Fächer aus einem No-Stück
1957: Jahr des Hahnes, Motiv: Wal Attrappe (Glückssymbol) auf einem Festwagen
1958: Jahr des Hundes, Motiv: Spielzeughund „Inuhariko“
1959: Jahr des Schweines, Motiv: „Tai-Ebisu“ = Schutzgott Ebisu mit dem Glückssack



1960: Jahr der Ratte, Motiv: Spielmaus
1961: Jahr des Stieres, Motiv: Puppentiere (Rinder)
1962: Jahr des Tigers, Motiv: Spielzeug-Tiger
1968: Jahr des Affen, Motiv: Noborizaru = kletternder Spielzeugaffe aus Papiermaché.

Eine entsprechende Blockausgabe besitze ich leider nicht. Vielleicht kann jemand von Euch einen Block der Neujahrsmarken oder eine Neujahrs-Ganzsache zeigen.

Viele Grüße
Volkmar
 
volkimal Am: 01.01.2015 16:25:59 Gelesen: 320196# 16 @  
Die japanische Zeitrechnung nach dem Gengō-System:

Hallo zusammen,

passend zum heutigen Tag möchte ich die japanische Zeitrechnung nach dem Gengō-System mit Hilfe meiner Lieblings-Schnapszahl-Stempel vom 1. Januar erklären.



Bei japanischen Stempeln nach dem Gengō-System wird das Datum von rechts nach links gelesen. Ihr seht links den Sonderstempel zum 1.1.11 (= 1999) aus Akabira auf der Insel Hokkaido. Und was ist abgebildet – der Sonderstempel aus Akabira vom 1.1.11 (= 1936). Rechts ein weiteres Exemplar des Stempels von 1936 aus Fukuyama. Den Beleg mit dem rechten Stempel und die entsprechenden Erklärungen findet ihr auf http://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?PR=42324.

Wie ist es möglich, dass beide Stempel dasselbe Datum zeigen, aber aus unterschiedlichen Jahren komme? Es liegt daran, dass die Jahreszählung beim Gengō-System mit dem Amtsantritt eines neuen Kaisers (Tennos) jeweils neu beginnt. Die Tage und Monate stimmen seit der Angleichung an den westlichen Kalender im Jahre 1873 mit unserem Kalender überein.

Der linke Stempel kommt aus dem 11-ten Jahr der Heisei-Zeit, das ist die Regierungszeit des Tennōs Akihito. Der rechte Stempel kommt dagegen aus dem 11-ten Jahr der Shōwa-Zeit, das ist die Regierungszeit des Tennōs Hirohito.

Seit der Einführung der Briefmarken in Japan (1871) gab es vier Tennōs und damit auch vier Zeitabschnitte bzw. Ären.



Zum Beispiel starb Tenno Yoshihito am 25. Dezember 1926 im 15-ten Jahr seiner Regentschaft, der sogenannten Taishō-Zeit. Am selben Tag begann die Shōwa-Zeit mit dem Amtsantritt des Tennos Hirohito. Der 25. Dezember 1926 ist also:

Westliche Zeit: 25.12.1926
Taishō-Zeit: 15.12.25
Shōwa-Zeit: 1.12.25

Das Jahr 1 der Shōwa-Zeit (1926) dauerte also nur eine Woche.

Die Japanische Zeit lässt sich wie rechts in der Tabelle umrechnen bzw. man schaut einfach auf die Seite: http://www.meijigakuin.ac.jp/~watson/ref/mtsh.html .



Auf den meisten japanischen Briefmarken steht keine Jahreszahl. Eine Ausnahme bilden die Neujahrsmarken. 1999 war das Jahr des Hasen. Unten rechts auf der Marke steht dementsprechend die Jahreszahl nach dem Gengō-System und nach unserer Zeitrechnung:

平成11年 = Heisei 11 Jahr = 11-tes Jahr der Heisei-Zeit = 1999

Der Beiden Stempel kommen aus 札幌 中央 = Sapporo Zentral.
Der obere Text im Sonderstempel ist derselbe wie beim Sonderstempel aus Akabira (erstes Bild).

Es steht dort: „平成1並びの日“. Was es genau bedeutet, konnte ich bisher nicht feststellen. Je nachdem, in welcher Kombination ich die Zeichen in den Google-Übersetzer eingebe, erhalte ich verschiedene Übersetzungen. Die beiden ersten Zeichen bedeuten auf jeden Fall wieder Heisei.

Die „1“ bezieht sich nur auf die Ziffer „1“, denn 1999 ist ja das 11-te Jahr der Heisei-Zeit..

Dieselbe Inschrift steht übrigens auf Stempeln mit den Daten „11.1.1“, „11.11.1“ und „11.11.11“. Eine Auflistung der verschiedenen Stempel mit diesem Text findet ihr auf http://www.geocities.jp/hokkaidokitte/kogata199911.html . Die Stempel vom 12.12.12 sind auf http://www.geocities.jp/hokkaidokitte/kogata200012.html zu sehen.

Soweit für heute. Weitere Informationen zum Datum in den japanischen Stempeln werde ich beim nächsten Mal einstellen.

Viele Grüße und alles Gute für 2015
Volkmar
 

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