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Thema: Mechanische Handstempel
Das Thema hat 33 Beiträge:
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Carolina Pegleg Am: 28.08.2008 04:38:40 Gelesen: 56906# 1 @  
Es ist ja bekannt, dass ich mich im Rahmen der Stempelkunde auch "etwas" für Maschinenstempel interessiere. Mir scheint, dass dieses Gebiet in Deutschland derzeit einen gewissen Aufschwung erlebt, wenn man die grossen Anzahl neuer Veröffentlichungen hierzu als Gradmesser nimmt.

Wie bei jedem Gebiet, gibt es Abgrenzungsschwierigkeiten, und nicht immer ist man auf einer Linie. Da es sich bei diesem Interessengebiet um Stempel dreht, die von Maschinen herrühren, kommt dem Begriff "Stempelmaschine" eine grosse Bedeutung zu. Interessanterweise (?) ist es aber gar nicht so einfach zu bestimmen, was überhaupt eine "Stempelmaschine" ist, was dementsprechend Stempelabdrücke sind, die von einer Maschine stammen und damit zum Sammelgebiet gehören, bzw. nicht. Natürlich gibt es kein anderes Hobby, bei dem es soviel individuelle Autonomie gibt, wie bei der Philatelie. Trotzdem sind Kriterien wichtig, man muss schon unterscheiden, ob eine Marke z. B. eine Steuermarke oder eine Briefmarke ist. Sammeln kann dann jeder was und wie er will.

Das Problem ist, dass die Evolution vom einfachsten, aus Kork geschnitzten Stempelwerkzeug zur modernen Briefsortieranlage ein Kontinuum darstellt. Festzulegen, welches Kriterium ein Werkzeug zur Maschine macht, ist nicht leicht. Dies zumal, da das Kontinuum keine Linie, sondern ein Fluss ist, in dem eine Vielzahl von kontinuierlichen Verbesserungen aller Art nicht nur nacheinander, sondern auch parallell eingeführt wurden und es manchmal auch wieder Rückschritte gab, bevor es dann wieder vorwärts ging.

Die Gruppe der mechanischen Handstempel bezeichnet Stempelgeräte, um das Wort Maschine zu vermeiden, die auf einfachen mechanischen Grundlagen beruhen, also Hebel, Federn, etc. Dazu gehören die englischen Pearson Hill, die ältesten Geräte dieser Art, die französischen Daguins und die amerikanischen Perfection und Tilton. In Deutschland hat es meines Wissens mechanische Stempelmaschinen nie gegeben. Auch sind mir nur diese vier Hersteller bekannt. Gibt es noch andere?

Das gemeinsame der mechanischen Handstempel ist, dass es keinen Antriebsmechanismus und keine externe Quelle von Energie gab. Insbesondere gab es keinen elektrischen Antrieb. Es gab keinen automatischen Einzug der Poststücke. Die Briefe mussten jeweils einzeln zugeführt werden. Die Betätigung oder Auslösung des Stempelvorgangs erfolgte manuell. Die Stempelgeschwindigkeit richtete sich somit ausschliesslich nach dem Geschick des den Mechanismus betätigenden Beamten. In der Tat waren diese Vorrichtungen praktisch kaum schneller als ein geübter Beamter mit dem Stempelhammer stempeln konnte. Eine Erleichterung war je nach Konstruktion der Geräte darin zu sehen, dass vor oder nach jeder Betätigung des Hebels der Stempel über eine Rolle, Band oder ähnliches mit Stempelfarbe geführt wurde und so für den nächsten Stempelvorgang automatisch vorbereitet wurde.

Hier ein Bild einer Pearson Hill "Parallel Motion" Stempelmaschine, entliehen von der Webseite des Britischen Postmuseums:



Un hier eine Zeichnung einer Daguin Maschine, ebenfalls entliehen von einer Internetseite:



Man sieht die Ähnlichkeit in der Konstruktion. Ob es sich dabei tatsächlich um "Maschinen" handelt (und nicht nur komplizierte Werkzeuge), dafür gibt es wahrscheinlich keine eindeutige Antwort. Ich persönlich habe für mich entschieden, was ein "Maschinenstempel" ist, und damit zum engeren Kreis meines Sammelinteresses zählt. Da ich etwaigen Diskussionen aber nicht vorgreifen will, behalte ich meine Ansicht dazu allerdings derzeit für mich. Die Stempel aus dieser Gruppe sind jedoch unabhängig von ihrer Einordnung als Hand- oder Maschinenstempel alle hochgradig interessant und in der Erscheinungform vielfältig. Sie sind vielleicht einfach, das, was ich sie nenne, eine eigene Kategorie, die mechanischen Handstempel. Ein weiteres ungewöhnliches Sammelgebiet, mit dem sich eigentlich kaum einer beschäftigt.

Für die Daguins kann ich diese Wikipedia-Seiten empfehlen (leider auf englisch):

http://en.wikipedia.org/wiki/Daguin_machine

Und hier gibt eine grosse Anzahl von Beispielen zu diesem Typ:

http://marques.postales.free.fr/histoire04.html.

Frage, nach dem ihr euch die zweite Seite angeschaut habt, wer hätte gewusst/gedacht, dass diese "gewöhnlichen" französischen Stempel von einem mechanischen Handstempelgerät herstammen? Niemand? Na also, wieder das philatelistische Wissen vermehrt. ;)

Zu den Pearson Hill Maschinen können wir hier sicher mit vereinten Kräften einen kurzen Abriss zusammenstellen. Die amerikanischen Modelle übernehme ich. Zum Suchen, Finden und Zeigen von Beispielexemplaren ist dann jeder aufgerufen. Bei den Pearson Hill and Daguin Stempel ist es wahrscheinlich nicht so schwer, welche zu finden. Die amerikanischen Maschinen sind nicht so häufig (Perfection) bzw. recht selten (Tilton).
 
Jürgen Witkowski Am: 28.08.2008 22:29:10 Gelesen: 56880# 2 @  
Erhard Zietlow hat sich in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts in einigen Veröffentlichungen mit den frühen Maschinenstempeln im Vereinigten Königreich von Großbritannien befasst. Die Informationen daraus halte ich für sehr geeignet für unser Thema und habe sie daher ein wenig aufbereitet.

Die ersten Experimente zur maschinellen Markenentwertung wurden im Jahr 1857 durchgeführt. Ziemlich zeitgleich entwickelten G.H. Cresswell und Pearson Hill, der Sohn des berühmten Sir Rowland Hill Apparate zur Abstempelung von Briefmarken. Beginnen will ich mit Mr. Cresswell.

Mr. G.H. Cresswell's Stempel Apparat

Als Vorläufer der Stempel-Maschinen kann man den 'Cresswell Stamping Apparatus' bezeichnen. Am 18. März 1857 wurde G.H. Cresswell, einem höheren Beamten der Post (Postal Senior Area Manager) das Patent AD 1857 No. 1388 für einen 'Rotary Stamping Apparatus1 erteilt. Von diesem rotierenden Apparat sind für verschiedene Versuche über 50 Exemplare angefertigt worden. Das erste Modell wurde im Londoner-Distrikt- Postamt E.C. aufgestellt. Es handelt sich um einen Ankunftstempel in roter Farbe, welcher auf der Rückseite der Briefe angebracht wurde.



Es sind nur Stempelabschläge vom Juli 1857 bekannt. Weitere rückseitige AnkunftStempel aus dem Jahre 1858 sind aus den Provinzpostbüros von Exeter, Malvern, Portsmouth, Wigan und Wednesbury bekannt. Versuche mit Duplexstempeln als Entwerter wurden zuerst im Londoner-Distrikt-Postamt vom Sept.1857 bis Ende Dez. 1857 durchgeführt.



Die Entwerternummern liefen von 7 1 - 8 0 . Gleichzeitig am 25. Sept. 1857 erhielt Exeter eine Duplex-Type. Eine weitere Duplex-Type wurde in Malvern verwendet. Die bekannteste Type mit dem Cresswell's Stempel-Apparat ist die von Rugby. Wegen der eigenwilligen Form Rugby - Hantel oder auch Rugby - Schuh genannt.



Mit besten Sammlergrüßen
Jürgen
 
alexiosp Am: 01.09.2008 19:45:26 Gelesen: 56863# 3 @  
Hello friends,

please excuse me writing in English, this is because my German is terrible!

Perhaps you may like the little known "Malin" machine experimental postmark, believed produced as an experimental squared circle. An article on this will be included in the next issue of the GB Journal of the GB Philatelic Society.

Exciting...


 
Jürgen Witkowski Am: 01.09.2008 22:22:45 Gelesen: 56829# 4 @  
@ alexiosp [#3]

You are always welcome. If you write in English, somebody will translate it. So all German users are able to understand you.

Thank you very much for showing us the Malin machine. I've never heard from that machine before. The forum of machinecancel.org has some further information about this mysterious machine.

http://www.machinecancel.org/forum/2007_07/british_mach.pdf

Unser Freund Alexio aus Griechenland hat uns auf eine sehr seltene und weitgehend unbekannte Stempelmaschine aus England hingewiesen. Es handelt sich um eine Malin Stempelmaschine. Die Maschine wurde für knapp 6 Monate vom 30. September 1890 bis zum 12. Februar 1891 erprobt. Wenn man die sechs erhalten gebliebenen Belege mit Abschlägen dieser Maschine für eine Einschätzung zugrunde legt, scheint es so, dass sie für die Bearbeitung von Post ins Ausland "outgoing mail" verwendet wurde.

Unter dem obenstehenden Link kann man zu den frühen britischen Stempelmaschinen einige Informationen bekommen, die allerdings in englischer Sprache verfasst sind. Außerdem wird in der nächsten Ausgabe des GB Journal der GB Philatelic Society ein Bericht dazu erscheinen.

Mit besten Sammlergrüßen
Jürgen
 
alexiosp Am: 01.09.2008 22:29:49 Gelesen: 56827# 5 @  
Jürgen,

vielen Dank für Deine Übersetzung!

Mit besten Grüßen,
Alexios
 
Carolina Pegleg Am: 02.09.2008 02:49:55 Gelesen: 56814# 6 @  
@ Concordia CA [#2]

Donnerwetter Jürgen, da kann man wirklich von "klassischen" Stempeln sprechen. Sämtliche von Dir vorgestellten Stempel sind offenbar grosse Seltenheiten. Da kann man sich auf einen Fund in der Wühlkiste keine grossen Hoffnungen machen, denke ich.

@ alexiosp [#3]

Thank you for drawing our attention to another manufacturer of a mechanical handstamping device. Do you own this cover?

Auf deutsch: Viele Dank, dass Du uns auf einen weiteren Hersteller einer mechanischen Handstempelmaschine aufmerksam machst. Besitzt Du diesen Brief?
 
alexiosp Am: 02.09.2008 06:50:20 Gelesen: 56809# 7 @  
@ Carolina Pegleg [#6]

Yes Carolina, the cover is in my collection, an original (and lucky) find.
 
Carolina Pegleg Am: 03.09.2008 03:03:26 Gelesen: 56774# 8 @  
@ alexiosp [#7]

What an amazing find. Congratulations. Many collectors have no idea how rare classical and even certain more modern machine cancels are.

Some of the earlier machine cancels simply cannot be obtained. This may seem like an excessively positive statment, but it is true. Machine cancels were not a collecting interest until very recently. Even collecting of covers did not exist prior to WWI. I would be hard pressed to say if even in the 1930s the institution of a "cover dealer" existed, i.e., a dealer who gave attention to the whole cover and not just the stamp. In any event, when interest in this area started to grow, 50, 60, 70 years had passed without any attention being given to the preservation of rare cancellations. Generations of school children happily clipping away . . . Most surviving specimens today are in the hands of knowledgeable collectors.

Let me draw an example from a more recent family of cancellations, the American flag cancels. There are more than 300 flag cancellations of which less than five specimens are know. These are by no means "classical" cancels. Many of these rare cancels are from the 1920s. In addition, there are about 70+ towns (info from 1992) for which postal records indicate that a flag cancellation should exist, but not one single cancellation ever has turned up. NB, there is no other area of machine cancel collecting as thoroughly researched as the American flag cancellation. Collectors of these cancellations have been organized since the 1940s and the amount of research done surpasses that on any other machine manufacturer, any country, any period, by a wide margin.

Well, that is to say, congratulations (again).
 

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