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Thema: Die unterschiedlichen Kalender
Das Thema hat 266 Beiträge:
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ragiko Am: 24.01.2015 04:29:49 Gelesen: 320021# 17 @  
@ volkimal [#15]

Zum Kōki-System habe ich bisher nichts Philatelistisches gefunden.

Dann gebe ich dir ein bekanntes Exempel dazu. Die Annahme, dass die Mythologie der Reichsgründung bis in vorchristliche Zeiten hineinreiche, für bare Münze zu nehmen, ist wissenschaftlich ähnlich aussagekräftig wie die Erschaffung der Welt in 7 Tagen. Die Wissenschaft geht davon aus, dass das japanische Reich sich im 3. oder 4. nachchristlichen Jahrhundert zu etablieren begann. Die Mythologie, die Japan eine ähnlich glanzvolle Vergangenheit wie China verleihen sollte und in der die Lebenszeit der alten Kaiser auf mehrere hundert Jahre gedehnt wurde, wortwörtlich zu nehmen, das kommt nur in extrem nationalistischen Epochen in Frage.

Sehen wir uns also die Jahre an, als Japan in Ostasien zu expandieren versuchte. Dort finden wir auf den Nationalpark-Blocks ab 1938 (Michel Bl.2 bis 8) die seltsamen Jahreszahlen 2598 bis 2601, ab 1939 in Klammern durch die westlichen Jahreszahlen ergänzt. Außerdem wurde eine Sonderserie zur Feier des 2600. Jahrestages der Reichsgründung verausgabt (Mi-Nr. 288-291), und Richard Strauss gab sich dazu her, zu der nationalistischen Feier eine Festmusik zu komponieren. Diese Dinge stehen im Zusammenhang mit dem Kōki-System und verschwanden selbstverständlich ab 1946 wieder im Giftschrank des nationalistischen Kellers, wo sie herkamen.


 
volkimal Am: 24.01.2015 16:35:02 Gelesen: 319979# 18 @  
@ ragiko [#17]

Hallo ragiko,

das finde ich ja toll, dass alle vier japanischen Kalender in der Philatelie vorkommen. In meiner Sammlung "Familiengeschichte und Philatelie" sind zwar einige Belege aus Japan - so etwas wie Dein Block ist aber natürlich nicht dabei. Danke fürs zeigen!

Kannst Du meine Frage aus dem letzten Beitrag eigentlich auch beantworten: Was bedeutet „平成1並びの日“?

Viele Grüße
Volkmar
 
volkimal Am: 24.01.2015 17:06:55 Gelesen: 319972# 19 @  
Hallo zusammen!

Die japanische und die europäische Zeitrechnung:

Bei Briefen innerhalb Japans wird normalerweise die Zeitrechnung nach dem Gengō-System verwendet. Briefe ins Ausland erhalten dagegen Stempel nach der westlichen Zeitrechnung (beginnend mit der Geburt Jesu). Gelegentlich findet man beide Stempel auf einem Beleg.

Typische Beispiele sind Briefe mit Ersttags- oder Sonderstempeln ins Ausland. Hier zwei Beispiele:



Der Brief zum 50-jährigen Jubiläum der Luftfahrt trägt den Tagesstempel aus Tokio mit dem Datum 20.09.60 und den roten Ersttagsstempel mit dem Datum 20.09.35. Das japanische Datum ist wie üblich von rechts nach links geschrieben. Das Jahr „35“ ist das 35-te Jahr der Showa-Zeit und entspricht nach unserer Zeitrechnung dem Jahr 1960.

Auf der Marke und dem Stempel ist der Doppeldecker von Henri Farman abgebildet - das erste Flugzeug, das in Japan geflogen ist. Hier noch ein weiteres Beispiel:



Der Briefmarken zum „Tag des Briefeschreibens“ wurden am 27.07.1993 ausgegeben (Tagesstempel). Der Ersttagsstempel trägt wieder das Datum nach dem Gengō-System. In diesem Fall entspricht die 1993 dem 5-ten Jahr der Heisei-Zeit.

Soweit die ersten zwei Beispiele. Im nächsten Beitrag geht es weiter.

Viele Grüße
Volkmar
 
ragiko Am: 26.01.2015 02:10:34 Gelesen: 319918# 20 @  
@ volkimal [#18]

Kannst Du meine Frage aus dem letzten Beitrag eigentlich auch beantworten: Was bedeutet „平成1並びの日“?

Ja, es bedeutet ganz einfach: Einserkombinationstag in der Heisei-Zeit. Solche Einser-Kombinationen im Poststempel gibt es ja bei jedem Kaiserwechsel wieder, man kann sie auch von Taisho und Showa sammeln und finden, und im Jahr 2011 gab es auch einen 1.1.11, 11.1.11, 1.11.11 und 11.11.11 in den Lateinschriftstempeln. Schnapszahlstempel sind in Japan recht beliebt, auch 1.2.3. und andere Kombinationen. Die Dauermarke zu 700 yen (Mi.-Nr. 2314) soll eigens für solche Zahlenfreaks verausgabt worden sein, wobei die Post darauf spekulierte, dass der 7.7.7 Stempel möglichst auch die dann am Schalter erhältlichen Werte zu 7, 70 und 700 yen entwerten möge, ein tolles Geschäft für die Post.

Herzliche Grüße !
 
volkimal Am: 30.01.2015 19:24:35 Gelesen: 319838# 21 @  
Hallo ragiko,

herzlichen Dank. Ich habe die Stempel sofort in die Datenbank eingestellt. Jetzt müssen sie noch freigegeben werden.

Heute möchte ich den ersten von zwei Briefen vorstellen, bei denen sowohl die europäische Jahreszahl als auch die Jahreszahl nach dem Gengō-System vorkommt. Es handelt sich um zwei Briefe aus Berlin nach Japan.



Der Brief von der Firma Otto & Carl Philipp ging am 1.9.1910 nach Yokohama. Der Name des Empfängers „Lionel Philipp“ war eingedruckt. Zusätzlich stand bei der Anschrift das gedruckte Wort „Hotel“. Der Ortsname und der Name des Hotel mussten handschriftlich ergänzt werden. Entsprechen des Ankunftsstempels auf der Rückseite kam der Brief am 18.9.1910 in Yokohama an. Der Ankunftsstempel ist in lateinischer Schrift mit europäischem Datum.

Da der Brief unzustellbar ist, wird entsprechend der drei Aufkleber dreimal versucht ihn auszuliefern. Alle drei Zettel tragen einen Stempel vom 19.9.43 mit der Jahreszahl „43“ nach dem Gengō-System mit unterschiedlicher Uhrzeit. Das 43-te Jahr der Meiji-Zeit entspricht dem Jahr 1910.





Der erste Stempel zeigt die Zeit „前 11-12“, beim obersten (letzte) Stempel ist die Zeit „后 4-5“ eingestellt. „前“ ist das Zeichen für „vor“, „后“ das Zeichen für „nach“. Dieses entspricht dem „V“ für „vormittags“ bzw. „N“ für Nachmittags in deutschen Stempeln.

Der Brief trägt links den Bleistift-Vermerk „not here“, einen roten Stempel vom Imperial Hotel, den violetten Stempel „inconnu“ = unbekannt (franz.). Am 10. Oktober 1910 kommt noch der elliptische Stempel „advertised“ = jemanden suchen (engl.) dazu.



Vermutlich konnte der Brief schließlich doch zugestellt werden, denn er trägt keinen „Zurück“-Vermerk.

Über die Firma Otto & Carl Philipp habe ich im Internet nichts gefunden. Es gab allerdings eine jüdische Firma mit dem gleichen Namen. Allerdings wurde sie erst 1923 eingetragen und 1938 liquidiert. Ob dieser Brief von einer Vorläufer-Firma stammt weiß ich nicht, denn die Adressen stimmen nicht überein.

Viele Grüße
Volkmar
 
volkimal Am: 15.02.2015 15:16:59 Gelesen: 319730# 22 @  
Hallo zusammen,

normalerweise ist es in Japan so, dass Briefe innerhalb Japans das japanische Datum erhalten, Briefe ins Ausland dagegen das international übliche Datum nach der christlichen Zeitrechnung. Es gibt aber natürlich Ausnahmen wie z.B. diese:



Leider wurde bei dieser Luftpostganzsache an Großvater eine Briefmarke abgelöst. Der Absender war Hermann Hecker, der Vetter meines Großvaters. Er arbeitete als Dozent für Deutsch, Griechisch und Latein an der Universität in Sapporo.



Der Stempel kommt aus 札幌 北海道 = Sapporo Hokkaido. Wie man beim Vergleich der Daten auf der Rückseite des Briefes sieht, zeigt der Stempel das japanische Datum 5.1.25 (von rechts zu lesen). Das 25-te Jahr der Showa-Zeit entspricht dem Jahr 1950.

Viele Grüße
Volkmar
 
DERMZ Am: 21.02.2015 20:48:04 Gelesen: 319672# 23 @  
Hallo Volkmar,

durch Zufall habe ich zu Deinem Italien den passenden Stempel aus Florenz in meinen Unterlagen gefunden - hier eine Kopie, dann ist der Unterschied der "faschistischen" Zeitrechnung noch besser zu sehen, dieser trägt die Jahreszahl XV. Ich habe ihn auch auf philastempel unter Stempelnummer 092090 zur Freischaltung eingegeben.



Gruss Olaf
 
volkimal Am: 22.02.2015 15:36:09 Gelesen: 319650# 24 @  
@ DERMZ [#23]

Hallo Olaf,

schön, dass sich mal wieder jemand anders an diesem Thema beteiligt. Da der Stempel vor dem 29.10.1937 abgeschlagen wurde, trägt er die römische Jahreszahl "XV" (Siehe Beitrag [#13]).

Danke für die Ergänzung.

Viele Grüße
Volkmar
 
volkimal Am: 22.02.2015 15:40:30 Gelesen: 319648# 25 @  
Hallo zusammen,

als letztes komme ich zu der Frage, wie man mit Hilfe des Stempels eine japanische Briefmarke im Katalog schneller finden kann. Es ist nicht so einfach wie in anderen Ländern. Wie schon beschrieben gibt es zwei Möglichkeiten und das Datum ist wie folgt angegeben:

Japanischer Kalender: Jahr – Monat – Tag
Europäischer Kalender: Tag – Monat – Jahr

Da der Monat maximal 31 Tage hat, kann eine Zahl größer als 31 nur eine Jahreszahl sein. Steht die Zahl rechts, so muss er sich um den europäischen Kalender handeln. Steht die Zahl links, so ist es der japanische Kalender:

Europäischer Kalender:



Diese beiden Marken aus dem Satz „Darstellung aus Industrie und Wirtschaft“ sind 1948 bzw. 1949 erschienen.

Japanischer Kalender:



Zur Bestimmung des Jahres muss ich wieder auf die folgende Seite verweisen: http://www.meijigakuin.ac.jp/~watson/ref/mtsh.html . Eine japanische Jahreszahl größer als 31 kommt in der Meiji-Zeit und in der Showa-Zeit vor. Folgende Jahre kommen in Frage:

Die japanische Jahreszahl „35“ entspricht 1902 oder 1960. Bei der „36“ muss man jeweils „1“ addieren.
Die japanische Jahreszahl „44“ entspricht 1911 oder 1969.

Die beiden ersten Marken sind offensichtlich neuer und müssen also aus spätestens 1960 bzw. 1961 erschienen sein. Man findet den Serau (ziegenartiges Säugetier) im Katalog als Nr. 588 (erschienen 1952). Die Mandarinente hat die Michel Nr. 643 und ist 1955 erschienen. Die letzte Marke ist alt und kann spätestens 1911 erschienen sein. Im Katalog findet man sie als Nr. 84 aus dem Jahr 1899. Wie man sieht, muss man aufgrund der langen Gültigkeit der Marken im Katalog mehrere Jahre zurückblättern.

Unklarer Kalender:



Bei diesen drei Marken ist nicht sofort zu erkennen, welcher Kalender zugrunde liegt. Die beiden ersten Marken werden wohl kaum aus dem Jahre 1904 sein. Es muss also das Jahr „26“ nach dem japanischen Kalender sein. Die „26“ entspricht 1893, 1951 oder 2014. Es ist Nr. 418 aus dem Jahr 1914. Die japanische Jahreszahl „9“ entspricht 1876, 1920, 1934 oder 1997. Es ist Nr. 176 aus dem Jahr 1930. Auch die dritte Marke entspricht dem japanischen Kalender. Es ist Nr. 414 aus dem Jahr 1949.



Wie ich im Michel-Katalog entdecket habe, trägt diese Marke keinen Poststempel. Um was für einen Stempel es sich handelt, ist aber nicht angegeben. Ich zeige ihn trotzdem, da das Datum gut zu erkennen ist und in einer ungewöhnlichen Reihenfolge steht. Der Stempel stammt vom 16.8.1897, dem dreißigsten Jahr der Meiji-Zeit.

Mit diesem Beitrag möchte ich das Kapitel der japanischen Zeitrechnung abschließen. Wenn einer von Euch noch etwas ergänzt würde ich mich aber freuen. Beim nächsten Mal mache ich weiter mit dem chinesischen Kalender. Als Übergang zeige ich als letztes den besten japanischen Stempel in meiner Sammlung.



Der japanische Stempel kommt aus China aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Das liegt daran, dass das Gebiet von Kiautschou nach der Kapitulation der deutschen Garnison im November 1914 unter die Verwaltung des Japanischen Kaiserreichs kam.

Es ist ein japanischer Bahnpoststempel von der Strecke Tsingtau – Tsinan (Qingdao – Jinan). Diese Strecke wurde zwischen 1899 und 1904 von den Deutschen gebaut und anschließend auch von den Deutschen betriebenen. Mit der Besetzung Kiautschous übernahmen die Japaner auch die Bahnpost. Es ist wieder ein japanisches Datum. Der Stempel kommt aus dem 5-ten Jahr der Taisho-Zeit und wurde am 28.10.1916 abgeschlagen.

Viele Grüße
Volkmar
 
volkimal Am: 25.04.2015 21:03:10 Gelesen: 319303# 26 @  
Hallo zusammen,

nach einiger Zeit Pause möchte ich die Reihe über die Kalender fortsetzen. In den nächsten Beiträgen geht es um:

Die chinesische Zeitrechnung.

Die chinesische und die japanische Zeitrechnung haben viele Gemeinsamkeiten. Das liegt daran, dass die Zeitrechnung in beiden Ländern zum Teil denselben Ursprung hat. So gibt es auch in China heute noch das System der Tierkreiszeichen und Himmelsstämme, das sich periodisch alle sechzig Jahre wiederholt (siehe [#15] ).



Da mein Vater einige Jahre über die Welthilfssprache Esperanto einen chinesischen Tauschpartner hatte, sind auch ein paar Belege zu diesem Thema in meiner Sammlung.

1992 war das Jahr des Affen. Aus diesem Anlass gab es diesen Umschlag und die beiden Briefmarken oben rechts. Auf der rechten Marke ist das chinesische Schriftzeichen „Affe“.



Einen entsprechenden Umschlag für das Jahr des Schweines gab es 1995. Auch hier sind wieder oben rechts die beiden Briefmarken, ebenfalls mit dem entsprechenden Schriftzeichen „Schwein“. Auf der Rückseite des Umschlags sind Erklärungen zum Jahr des Schweines in Chinesisch und in Englisch.



Neben Briefmarken gibt es auch entsprechende Ganzsachen. Hier zum Beispiel eine Postkarte mit eingedruckter Briefmarke zum Jahr des Tigers 1986.

Soweit für heute. Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Volkmar
 
volkimal Am: 17.05.2015 08:57:51 Gelesen: 319128# 27 @  
Hallo zusammen,

eigentlich wollte ich das System der Tierkreiszeichen und Himmelsstämme in China mit dem letzten Beitrag abschließen. Inzwischen habe ich aber noch einen Brief und ein paar "Blöcke" gefunden, bei denen ich nicht weiß, worum es sich handelt. Zunächst der Brief an meinen Vater:



Was dieser Umschlag zum Weltpostverein (englisch UPU = Union postale universelle) mit den chinesischen Tierkreiszeichen zu tun hat weiß ich nicht. Es sind aber links bzw. unten die Marken zu allen 12 Tierkreiszeichen von 1980 (Jahr des Affen) bis 1991 (Jahr des Schafes) abgebildet. 1992 beginnt die Abfolge wieder mit dem Jahr es Affen, und genau diese 20 Fen Briefmarke wurde aufgeklebt. Daneben ist noch die 2 Yuan Marke mit der typischen Hausform aus der chinesischen Provinz Jianxi. Wie hoch das Porto sein musste weiß ich nicht.



Zwischen die Briefmarken, die der chinesische Tauschpartner meinem Vater geschickt hat, fand ich unter anderem diese drei "Blöcke" zum Jahr der Ratte (1984) bzw. zum Jahr des Ochsen (1985). Weiß einer von Euch, was des mit diesen "Blöcken" auf sich hat? Es sind zumindest keine regulären Briefmarken.

Viele Grüße
Volkmar
 
Heinz 7 Am: 17.05.2015 12:43:35 Gelesen: 319097# 28 @  
@ volkimal [#1]

Hallo Volkmar,

es gefällt mir sehr, dass bei Deinem Beitrag [#1] jetzt ein "Inhaltsverzeichnis" kommt. Hast Du das selber so veranlasst oder ging das in Absprache mit Richard?

Gute, interessante Beiträge! Kompliment!

Heinz
 
volkimal Am: 17.05.2015 14:12:00 Gelesen: 319086# 29 @  
@ Heinz 7 [#28]

Hallo Heinz,

schön, dass Dir dieses Thema gefällt! Ich selbst kann frühere Beiträge nicht verändern. Das ist mit Richard so abgesprochen.

Viele Grüße
Volkmar
 
volkimal Am: 08.06.2015 16:25:30 Gelesen: 318835# 30 @  
Hallo zusammen,

endlich kann ich mit diesem Thema weitermachen. Ich hatte noch auf ein paar Belege gewartet. Heute:

Der traditionelle chinesische Kalender

Der chinesische Kalender, heute als „Bauernkalender“ bezeichnet, war der offizielle Kalender des Kaiserreichs China. Er ist eine Kombination aus einem Lunisolarkalender und einem Sonnenkalender. Das Prinzip ist relativ kompliziert. Näheres dazu bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Chinesischer_Kalender

Der traditionelle chinesische Kalender galt bis zum 31.12.1911. Mit der Gründung der Republik China wurde er durch den gregorianischen Kalender abgelöst, wobei aber innerhalb Chinas eine andere Jahreszahl galt. Dazu mehr in den nächsten Beiträgen. Leider besitze ich keinen Beleg aus der Zeit des traditionellen chinesischen Kalenders. Vielleicht kann einer von Euch solch einen Beleg zeigen.

Der chinesische Kalender wird heute noch im gesamten chinesischsprachigen Raum für die Berechnung traditioneller chinesischer Feiertage, verwendet. Darüber hinaus dient er Anhängern der chinesischen Astrologie als Berechnungsgrundlage für die Festlegung „günstiger“ Tage, um Feste und Feiern zu begehen, bzw. der Vermeidung besonderer Aktivitäten an „ungünstigen Tagen“.



Zu diesen traditionellen chinesischen Festen gibt es verschiedene Briefmarkenausgaben. Zum Beispiel diesen Satz aus Taiwan aus dem Jahr 2012. Die vier Marken zeigen Motive zu vier verschiedenen traditionellen Festen. Ich gebe dazu jeweils das Datum des Festes in diesem Jahr an:
Chinesischen Neujahrsfest (19.02.2015), Laternenfest (05.03.2015), Drachenbootfest (20.06.2015) und Mondfest (27.09.2015). Die Daten der Feste in den Jahren seit 2011 sind bei Wikipedia nachzulesen.

Zum Laternenfest gibt es in der Volksrepublik China diese Ausgabe aus dem Jahr 1985:



Es gibt noch weitere Ausgaben, die ich aber leider nicht zeigen kann. Soweit für heute.

Viele Grüße
Volkmar
 
ragiko Am: 12.06.2015 15:25:54 Gelesen: 318760# 31 @  
Hallo Volkmar,

ich bewundere es, dass du dir so viel Mühe mit dieser interessanten, aber komplizierten Materie machst. Ich kann dazu nur wenig beitragen, möchte aber darauf hinweisen, dass in den asiatischen Ländern der Jahresbeginn zugleich den Frühlingsanfang markiert. Ich habe einmal im Februar Hongkong besucht und fand in allen Hotels und Restaurants kleine Tischlein, die mit eingetroffenen Neujahrskarten, meist sehr prachtvoll in Rot und Gold, überhäuft waren, so ähnlich wie bei uns die Weihnachtskarten. Viele Schriftzeichen und Symbole waren nicht nur glückverheißend, sondern enthielten auch auffällig oft Wendungen, die "Frühlingsbeginn", "glücklicher Frühling", "den Frühling willkommen heißen" usw. bedeuten.

Es ist für diese Völker schon schwierig, jahrtausendelange Traditionen auf den Müll zu werfen und einen fremden Kalender zu akzeptieren. Mir scheint, dass die Leute ihr Leben weiterhin am traditionellen Kalender ausrichten, ihre Geschäfte und bürokratische Angelegenheiten aber nach dem westlichen Kalender vollziehen, ein Pragmatismus, der bei uns nahezu undenkbar wäre.

Danke für die Mühe und weiter so, ich freue mich auf weitere Beiträge.

Ragiko
 
volkimal Am: 13.06.2015 06:29:13 Gelesen: 318733# 32 @  
@ ragiko [#31]

Hallo Ragiko,

eine interessante Ergänzung - vielen Dank!

Die Beschäftigung mit den verschiedenen Kalendern macht mir aber keine Mühe sondern sie macht Spaß. Das Interesse für dieses Thema entstammt meiner Sammlung "Familiengeschichte und Philatelie". Die Schwester und der Bruder von Großvater haben sehr lange in China gelebt. In dem Kapitel "Die Kontakte zu China" meiner Sammlung kommen der chinesische Kalender, der japanische Kalender und die faschistische Zeitrechnung Italiens vor.

Viele Grüße
Volkmar
 
volkimal Am: 13.06.2015 11:05:50 Gelesen: 318719# 33 @  
Der Minguo-Kalender

Der traditionelle chinesische Kalender galt bis zum Ende des Jahres 1911. Am 1. Januar 1912, dem Datum der Gründung der Republik China, wurde er durch den gregorianischen Kalender abgelöst. Die Wirren in den Jahren nach der Republikgründung, der chinesische Bürgerkrieg und die teilweise Besetzung Chinas durch Japan verhinderten zunächst, dass sich das neue Kalendersystem im ganzen Land durchsetzte.

Während der Tag und der Monat an den westlichen Kalender angepasst war, gab es auch in China eine eigene Jahreszählung. Das Jahr der Gründung der Republik China (1912) wurde zum Jahr 1 ernannt. Dieses ist der sogenannte Minguo-Kalender. Will man ein Datum aus dem Minguo-Kalender in unseren Kalender umrechnen, so muss man zur Jahreszahl jeweils 1911 Jahre addieren.
Anhand dieses Briefes kann man die unterschiedlichen Daten gut erkennen:



Der Brief wurde auf dem Postamt „Canton S.O. No. 4“ aufgegeben. Die chinesischen Ortsangabe 廣州 ist auf dem Stempel von rechts nach links zu lesen. Zwischen den beiden Zeichen steht die chinesische 4 = 四 für das Postamt Nr. 4.



Das Aufgabedatum (8.9.27, 14 Uhr) ist nach dem Minguo-Kalender. Zur Jahreszahl 27 muss man einfach 1911 addieren. Damit stammt der Brief aus dem Jahr 1938. Eine Stunde später (um 15 Uhr) war der Brief beim Hauptpostamt in Canton. Da der Brief ins Ausland ging, zeigt der Stempel diesmal unser Datum und damit die Jahreszahl 38.



Einen Tag, am 9.9.1938, später verließ der Brief um 17.00 Uhr Canton in Richtung Hongkong. Dort war er erst 3 Tage später am 12.9.18 um 18 Uhr (6 PM). An der langen Zeit ist zu erkennen, dass der Brief bis Hongkong auf dem Landweg befördert wurde. Honkong ist keine 200 km von Canton entfernt. Von Hongkong aus ging es dann weiter per Luftpost. Irgendwo unterwegs wurden die beiden letzten Stempel abgeschlagen.

Weitere Informationen zum Minguo-Kalender folgen in den nächsten Beiträgen.

Viele Grüße
Volkmar
 
Heinz 7 Am: 14.06.2015 17:47:45 Gelesen: 318683# 34 @  
@ volkimal [#33]

Sehr informativ. Danke, Volkmar, fürs Zeigen

Heinz
 
volkimal Am: 24.06.2015 15:00:16 Gelesen: 318546# 35 @  
Hallo zusammen,

auch anhand dieser Postkarte lassen sich die Unterschiede des gregorianischen Kalenders und Minguo-Kalender gut zeigen. Zusätzlich wird ein weiteres Problem deutlich. In chinesischen Stempeln ist das Datum nicht immer in lateinischen Zahlen angegeben sondern es wurden zum Teil auch chinesische Zahlzeichen verwendet.



Die Karte hat Onkel Hans (der Bruder von Großvater) an einen deutschen Bekannten bei der Berliner Mission in Canton geschickt. Onkel Hans selbst hatte von 1929 bis 1931 an der Missionsschule und an der chinesischen Universität in Canton gearbeitet. Später lebte er in Tsingtau und unterrichtete auch dort an der Missionsschule. 1936 kehrte Onkel Hans nach Deutschland zurück.

Onkel Hans hat die Karte in Berlin aufgegeben. Sie wurde mit der transsibirischen Eisenbahn befördert und kam vier Wochen später in Canton an. Die Karte konnte nicht zugestellt werden. Wie üblich bekam sie bei den weiteren Zustellversuchen einen oder mehrere Aufkleber mit den neuen Adressen. Diese Aufkleber wurden vor dem Zurücksenden leider abgerissen. Neben dem chinesischen Stempel mit lateinischen Zahlen trägt die Karte zwei Stempel mit chinesischen Zahlen. Schließlich ging die Karte als unzustellbar nach Deutschland zurück.



Der Berliner Stempel trägt das Datum nach unserer Zeitrechnung – er ist vom 9.5.1938.

Beim Ankunftsstempel aus Canton vom 4.6. ist die Jahreszahl 27 dagegen nach dem Minguo-Kalender. Der Stempel kommt natürlich aus dem Jahr 27 + 1911 = 1938.



Um die beiden anderen Stempel zu entziffern, muss man die chinesischen Zahlen und die Zeichen für Tag, Monat und Jahr kennen. Wie man der Tabelle entnehmen kann, gibt es für die Zahlen 20 bzw. 30 jeweils ein Zeichen, sie können aber auch mit zwei Zeichen geschrieben werden. Die Zahl 20 zum Beispiel als „2 x 10“.




Da die chinesischen Zeichen zum Teil nicht so gut zu erkennen sind, zunächst noch einmal die Datumszeile in chinesischer Schrift und anschließend die Übersetzung. Der Stempel stammt also vom 5.6.1938. Die Jahreszahl ist natürlich wieder nach dem Minguo-Kalender. Die „20“ links vom Strich entspricht der Uhrzeit. Wie ihr seht kommen in diesem Stempel beide Darstellungsmöglichkeiten der 20 vor.




Dieser Stempel in roter Farbe und ohne Uhrzeit wurde zwei Wochen später, wahrscheinlich vor dem Zurücksenden der Karte, abgeschlagen. Er stammt vom 20.6.1938. Wie man anhand dieser beiden Stempel erkennen kann, sind die Zeichen für Tag, Monat und Jahr nicht immer im Stempel enthalten.

Soviel für heute. Viele Grüße
Volkmar
 
volkimal Am: 04.07.2015 12:32:00 Gelesen: 318414# 36 @  
Hallo zusammen,

heute habe ich einmal ein Aufgabe für Euch. Ich habe aber eine Bitte:

Stellt die Lösungen auf die Fragen bitte nicht gleich ins Forum sondern wartet z.B. bis Mitte der Woche.

Mir würde die Aufgabe keinen Spaß machen, wenn die Lösung schon darunter angegeben ist.

Bei allen Stempeln geht es darum, die Stempeldaten abzulesen und die Jahreszahlen in unserer Jahreszählung anzugeben.





Beleg 1:

1) Wann wurde der Brief in Tsingtao aufgegeben?
2) Wann war er in Tientsin?

Kann mir eigentlich einer erklären, was das Zeichen "丁" oben im Stempel bedeutet?



Beleg 2:

Chinesischer Bahnpoststempel der Strecke Tsingtau-Tsinan. Diese Strecke wurde von Deutschland gebaut, als Tsingtau noch deutsches Pachtgebiet war.
3) Wann wurde der Brief im Zug aufgegeben?

Viele Grüße
Volkmar
 
Hermes65 Am: 07.07.2015 20:19:21 Gelesen: 318327# 37 @  
Vatikan Mi.Block 4 und 811-813 zu "400 Jahre Gregorianischer Kalender."

Gruß
Manfred


 


volkimal Am: 08.08.2015 10:03:39 Gelesen: 317992# 38 @  
@ volkimal [#36]

Hallo zusammen,

leider hat keiner auf meine Frage geantwortet. Vielleicht war die Aufgabe für die, die sich etwas damit auskennen, zu leicht. Daher gebe ich die Antwort selbst.

Beleg 1:

Tsingtao: Stempeldatum 27.6.25, 20 Uhr => 27.6.1936 nach unserer Zeitrechnung.
Auch hier wurden wieder die beiden verschiedenen Schreibweisen für die "20" benutzt.
Tientsin: Stempeldatum 28.6.25, 21 Uhr.

Beleg 2:

Der Brief wurde am 11.1.29 im Zug aufgegeben => 11.1.1940 nach unserer Zeitrechnung.

Viele Grüße
Volkmar
 
volkimal Am: 23.08.2015 19:57:32 Gelesen: 317599# 39 @  
Hallo zusammen,

hier ein weitere chinesische Karte an Hellmut Matzat.



Es ist die letzte Karte mit einem Stempeldatum nach dem Minguo-Kalender in meiner Familiensammlung.



Das Stempeldatum ist:
9 3 7 30
Tag Monat 7
 


Das Jahr 37 nach dem Minguo-Kalender entspricht dem Jahr 37 + 1911 = 1948. Mit der Gründung der Volksrepublik China im Jahre 1949 wurde der Minguo-Kalender dort abgeschafft.

Weitere Informationen zur Karte siehe: http://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?PR=98605 und http://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?PR=98622

Viele Grüße
Volkmar
 

ligneN Am: 25.08.2015 15:17:30 Gelesen: 317523# 40 @  
@ volkimal [#25]

Wie ich im Michel-Katalog entdeckt habe, trägt diese Marke keinen Poststempel. Um was für einen Stempel es sich handelt, ist aber nicht angegeben. Ich zeige ihn trotzdem, da das Datum gut zu erkennen ist und in einer ungewöhnlichen Reihenfolge steht. Der Stempel stammt vom 16.8.1897, dem dreißigsten Jahr der Meiji-Zeit.

Es ist ein Postgirostempel. Die gibt es nur in senkrechter Schreibweise. Sie wurden 1885-1903 benutzt, zunächst nur auf Formularen, ab 1890 auch zur Entwertung der Briefmarken auf Postanweisungen bzw. ab 1900 auch auf Postsparkarten (nicht: Postsparbücher).

Selbstverständlich ist es ein Poststempel, aber ein "unpostalischer", d.h. nicht für Brief/Paketdienst, sondern für Geld-/Telegraphie-/Innendienste wie Gebühr bezahlt. Die Originalformulare blieben im Postamt und wurden nicht vom Absender zum Empfänger befördert.

Die meisten hohen Nennwerte (ab ca. 15 S. bis 1937, ab 40 S. 1937/45) wurden nicht für Briefpost, sondern für Telegramme usw. verwendet. Entsprechend sind reguläre Poststempel auf diesen höheren Nennwerten seltener. Die postfrisch-Metaxa (******) Sammler in Japan haben daraus einen regelrechten Kult gemacht: meinen Vollstempel auf höheren Nennwerten nur mit Uhrzeit bitterscheen.

Informationen über jap. Poststempel in deutscher Sprache bietet:

Amano, Yasuharu. Japans Poststempel. Leitfaden. Übers. Paul Schröder u. Frau.
Hrsg. Arge Japan 1971. 275 S., in 2 Bänden. Zweisprachig mit allen Abb. des Originals von 1968.

Wird immer mal wieder aus Nachlässen angeboten. Dann kann man sich das Raten sparen.
 
volkimal Am: 07.09.2015 18:35:22 Gelesen: 317294# 41 @  
@ ligneN [#40]

Hallo ligneN,

herzlichen Dank für die Erklärungen und den Literaturhinweis. Der Leitfaden ist bestimmt interessant.

Viele Grüße
Volkmar
 

Das Thema hat 266 Beiträge:
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