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Thema: (?) (1180) Rohrpostbelege
Das Thema hat 1184 Beiträge:
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Georgius Am: 11.05.2011 19:28:40 Gelesen: 1331677# 635 @  
@ joey [#634]

Hallo Jörg,

"Datum und Uhrzeit passen schon..."

Es tut mir ja leid, aber zwischen beiden Daten 14.12.51 und 13.11.51. liegt ein ganzer Monat. Das ist der störende Punkt, der nicht passt. Ansonsten glaube ich Dir durchaus.

Viele Grüße
Georgius
 
cartaphilos Am: 13.05.2011 22:17:36 Gelesen: 1331278# 636 @  
Guten Abend,

da bin ich mal wieder. Betrachten wir uns die 83 Pf-Orts-Rohrpost-Eilboten-Karte vom 13.12.1951, dann läßt die Zeitfolge auf den Stempeln meines Erachtens nur einen Schluß zu: Als die Karte abends am 13.12.1951 im Postamt Berlin N4 in Ost-Berlin ankam, war der Eingangsstempel statt auf den 13.12.1951 auf den 13.11.1951 fehleingestellt:



Die Uhrzeit (23-24) paßt sehr gut zu dem Aufgabedarum in Berlin-Wilmersdorf. Die Karte kam nachts in N4 an. Am nächsten Morgen gab es den Zustellversuch in Berlin-Köpenick, dann ging es wieder zurück nach West-Berlin und nach Berlin-Wilmersdorf am 16.12.1951.
 
cartaphilos Am: 13.05.2011 22:48:51 Gelesen: 1331271# 637 @  
Ein Beleg zur Rohrpoststörung in Hamburg

Zum ersten Mal ist nach meiner Kenntnis jetzt ein Stempel mit Verzögerungshinweis "wegen Rohrpoststörung" aus Hamburg aufgetaucht. Aus Berlin, Leipzig, München und Nürnberg sind solche Stempel bereits bekannt und extrem selten.

Es handelt sich bei dem Beleg aus Hamburg um einen Eilbrief ab Hamburg 4 nach Stade:



Vorderseitig ist ein violetter Rahmenstempel (Ra2) mit der Legende "Verzögert durch / Rohrpoststörung" abgeschlagen. Rückseitig lassen die diversen Stempel rekonstruieren, wo die Rohrpoststörung vorgelegen haben dürfte:



Es ergibt sich nach den Stempeln auf der Rückseite das folgende zeitliche Schema für die Bearbeitung und den Transport dieser Sendung per Rohrpost (Interpretation 1):

– Schalterannahme Hamburg 4, 5.3.1968 – 13 Uhr
– Rohrposteingangsstempel „Ro-Ein“ 5.III.1968 14 -- 04 (Stempel von PA 4 oder TA ?)
– Hamburg TA 5-3-1968 16
– Hamburg 1 "Postpavillon" Eingangsstempel Rohrpost: „0000 5 [3. 1968] 15 50 / Pav.“ (Pav = Postpavillon, siehe *Einschub weiter unten)
– Ra2 „Verzögert durch / Rohrpoststörung“
– Hamburg 3 5-3-1968 18
– Stade 1 6-3-1968 4

############## *Einschub zum Thema Postpavillon / NIVEA-Pavillon ##############

(„Pav“ heißt weniger "Postannahme-Verteilung" als "Pavillon" - nach dem wegen der Werbung an ihm vom Volksmund "NIVEA-Pavillon" genannten Post-Pavillon, in dem die Sendungen der Rohrpost und früher auch die der Straßenbahnpost umgearbeitet wurden. Zudem war hier die Telegramm- und Eilzustellung von Hamburg 1 "PA Hühnerposten" untergebracht. Hier ein Bild aus dem Jahre 1936.


(Quelle: Kahlborn, Thomas u. Krieg, Harald: Postbeförderung mit der Hamburger Straßenbahn, Hamburg 2005)

und eine Gesamtansicht mit Hauptbahnhof:


(Quelle: http://www.schaumburgerpostgeschichte.de/tram-post-of-hamburg.html)

sowie einen Kartenausschnitt:


(Quelle: http://www.schaumburgerpostgeschichte.de/tram-post-of-hamburg.html)


Der Postpavillon wurde bis 1997 postalisch genutzt)

############## Ende *Einschub zum Postpavillon ##############

Es bleibt der Interpretation der Uhrzeiten überlassen, ob der Verzögerungsstempel die lange Laufzeit zwischen dem Postpavillon (zu Hamburg 1) und Hamburg 3 erklärt, oder ob erst beim Abgang von Hamburg 3 nach Stade 1 die Verzögerung auftrat.

So ist zunächst auch die folgende Analyse der zeitlichen Abfolge denkbar (Interpretation 2):

– Schalterannahme Hamburg 4, 5.3.1968 – 13 Uhr
– Rohrposteingangsstempel „Ro-Ein“ 5.III.1968 14 -- 04 (Stempel von PA 4 oder TA ?)
– Hamburg TA 5-3-1968 16
– Hamburg 1 "Postpavillon" Eingangsstempel Rohrpost: „0000 5 [3. 1968] 15 50 / Pav.“
– Hamburg 3 5-3-1968 18
– Ra2 „Verzögert durch / Rohrpoststörung“
– Stade 1 6-3-1968 4

Je nachdem wie man die Sache also sieht, handelt es sich bei dem Verzögerungsstempel um einen Stempel vom Postpavillon Hamburg oder von Hamburg 3.

ABER:

Zu der Zeit, als dieser Brief befördert wurde, war die alte Hamburger Stadtrohrpost (siehe den nachfolgenden Streckenplan, der die Rohrpostlinien in Hamburg um 1921 zeigt)



bereits seit einigen Jahren durch die moderne Großrohrpost (1. Betriebstag 23. Mai 1967) ersetzt worden.

Schaut man sich nun den Streckenplan der Großrohrpost Hamburg an, denn erkennt man, daß das PA Hamburg 3 das dem PA Hamburg 1 unmittelbar benachbarte Abgangspostamt für alle Sendungen aus Hamburg war. Hier dürfte also eine Rohrpostbeförderung für die Weiterleitung von Sendungen aus Hamburg nicht mehr die Rolle gespielt haben:



Somit ist davon auszugehen, daß die Zeitverzögerung zwischen Stunde 16 und Stunde 18 zwischen den kaum 1 km voneinander e/ntfernten Postämtern Hamburg 1 (Postpavillon) und Hamburg 3 aufgrund einer Rohrpoststörung zu erklären ist. Doch ist dies plausibel, zumal es sich um gerade einmal 300 m Strecke handelt? So drängt es sich auf, eine andere Erklärung (Interpretation 3) zu erwägen.
Die Grundidee lautet: Der Rohrpoststempel des Postpavillons weist nicht eine Bearbeitung um 15.50 Uhr nach, sondern um 5.50 nachmittags, also tatsächlich um 17.50 Uhr, zumal ja auch keine 1 vor der 5 zu erkennen ist. Damit ergibt sich folgende Rekonstruktion des Bearbeitungsweges:

– Schalterannahme Hamburg 4, 5.3.1968 – 13 Uhr
– Rohrposteingangsstempel „Ro-Ein“ 5.III.1968 14 -- 04 (Stempel von PA 4 oder TA ?)
– Hamburg TA 5-3-1968 16
– Ra2 „Verzögert durch / Rohrpoststörung“
– Hamburg 1 "Postpavillon" Eingangsstempel Rohrpost: „0000 5 [3. 1968] 5 50 [= 17 50 ?] / Pav.“
– Hamburg 3 5-3-1968 18
– Stade 1 6-3-1968 4

Um diesen Beleg definitiv zu interpretieren, müssen die erhaltenen, seltenen Belege mit dem einzigartigen Handroll-Rahmenstempel vom Hamburger Postpavillon gesichtet werden. Insbesondere spielt hierbei eine Rolle, ob, wann, wie und durch wen der Stempel eingestellt und genutzt wurde.

Da er auf Sendungen mit Rohrpostmerkmalen auftaucht, dürfte er in jedem Fall den Hamburger Rohrpoststempeln zugerechnet werden.

In einem weiteren Eintrag werde ich auf der Basis der mir vorliegenden Belege mit dem Rahmen-Stempel "Pav." versuchen, die Funktion dieses Stempels genauer zu bestimmen. Eine erste schnelle Durchsicht meiner Belege zeigt jedoch, daß der Stempel immer im 24-Stunden-Rhythmus gestellt wurde. Das deutet eher darauf hin, daß der Stempel also auf [1]5.50 stand, also unmittelbar nach der Ankunft des Briefes vom TA Hamburg noch in Stunde 16 abgeschlagen wurde. Wenn Hamburg 3 dann erst Stunde 18 erreicht wurde, dann dürfte die Rohrpoststörung hier eingetreten.

Aber: Es gibt auch Belege, die zeigen, daß die Post von Hamburg 3 nach Hamburg 11 (PA Mönkedamm) per Großrohrpost abgeleitet und von dort nach außerhalb und innerhalb Hamburgs befördert wurde.



Zwischen Hamburg 3 und Hamburg 11 existierte eine Linie der Großrohrpost. Somit kann der Verzögerungsstempel auch erst ab Stunde 18 in Hamburg 3 angebracht worden sein.
 
cartaphilos Am: 15.05.2011 10:55:52 Gelesen: 1331075# 638 @  
Wenn's bei der Rohrpost mal in die Hose geht

Zwei beschädigte Belege und ihre Bearbeitung durch die Reichspost

I.




Hier wurde die Telegraphensiegelmarke verwendet, mit der zu dieser Zeit üblicherweise Telegramme verschlossen wurden, oder die eingesetzt wurde, um portofreie Rohrpostsendungen der Telegraphenämter zu kennzeichnen. Hier zwei Beispiele:



und




II.




Der zweite Beleg scheint rekordverdächtig hinsichtlich der Anzahl der zum Verschluß eingesetzten Dienstsiegelmarken des Telegraphenamtes. In beiden Fällen ist der Einsatz von Drucksachen der Telegraphie der Beleg dafür, daß die Rohrpost aus dem Telegraphenwesen entstanden ist, und zwar zur Beschleunigung des Transports von Telegrammen.

Daraus folgt:

Telegraphie und Rohrpost können nicht voneinander getrennt gedacht werden. Telegramme geben uns Auskunft über Technik und Handhabung der Rohrpost dort, wo die Rohrpostsendungen uns keine Informationen geben, und Rohrpostsendungen geben uns auch Einblick in die Handhabung des Transports von Urschriften und Ausfertigungen von Telegrammen.

 
cartaphilos Am: 16.05.2011 00:20:51 Gelesen: 1330967# 639 @  
@ Rainer HH [#625]

Moijn Rainer,

Du hast neulich bei ebay die bedarfsmäßige Verwendung von 10 + 80 Pf Bedeutende Deutsche Bund auf Berliner Orts-Rohrpost-Eilbrief ersteigert. Gratuliere.

Magst Du die nicht, so kann ich dir genau das Gegenstück mit den Berliner Marken dafür anbieten:



Zudem noch zur allgemeinen Information die eine oder andere Rohrpost-Spezialität mit Berliner Bedeutenden Deutschen:

30 Pf als Einzelfrankatur auf Fensterumschlag der Berliner Wasserwerke:



3 x 30 Pf als MeF auf Orts-Rohrpost-Eilbrief:



1 DM als tendenziell fragwürdige EF auf Orts-Rohrpost-R-Bf vom Ersttag:



und schließlich: 1 x 20 + 2 x 60 Pf als MiF auf Orts-Eilboten-Rohrpost-R-Bf der 1. Gewichtsstufe:



Schaut doch schnuckelig aus dieser letzte Beleg?

Eine Rohrpost-Komposition in Rot
Roter R-Zettel
Roter Einschreibstempel
Rot-rosa Rohrppostzettel
Roter Eilbotenzettel
Rote 20 Pf Bach
Rote 60 Pf Schiller

Allen einen schönen Start in die Woche
 
cartaphilos Am: 19.05.2011 07:37:06 Gelesen: 1330144# 640 @  
Unbekannter L1 Automatenstempel der Berliner Börse

Bei Aufräumen habe ich eine Karte mit einem bisher nicht verzeichneten, offensichtlich mit einer Stempelmaschine abgeschlagenen L1 der Berliner Börse gefunden:



Der Stempel stellt offenichtlich eine weitere Type der Ausgefertigt-Stempel des Telegraphenamtes an der Berliner Börse dar. Bisher kennen wir nach Rainer Lindens Ausarbeitung die folgenden:



Nach meiner Auffassung ist es richtig, den ersten Stempel wegen der Ausführung in gotischen Lettern weiterhin als Type 1 zu bezeichnen.

Die beiden nachfolgenden, bei denen die Abkürzung für "Ausgefertigt" voransteht, sollten weiterhin als Type 2a oder 2b bezeichnet werden.
Der Dritte jedoch sollte jetzt gemeinsam mit dem neu aufgefundenen Stempel als Type 3 klassizifiert werden, denn beide unterscheiden sich in der Legende deutlich vom Typ 2. Sie beginnen mit einem Numerator, es folgt eine Datumsgruppe und dann eine sehr auffällige Uhrzeitgruppe.

Mein Vorschlag: Den von mir aufgefundenen Stempel bezeichnen wir wegen des früheren Datums jetzt als Type Börse 3a, den bisher bei Rainer Linden als Type Börse 2c aufgeführten bezeichnen wir jetzt als Type Börse 3b.

Zu dem neuen Stempel noch eine interessante Beobachtung: Exakt der gleiche Stempeltyp wurde praktisch zur gleichen Zeit im Telegrapenhamt der Hamburger Börse eingesetzt:



Hier im Detail der Automatenstempel des TA 2 Berlin Börse:



Und hier zum Vergleich im Detail der Automatenstempel des TA Hamburg Börse:



Was soll das bedeuten? Dieser Stempel ist offensichtlich ein automatischer Hochleistungsstempel, der sich besonders gut für den Einsatz im Telegraphenwesen der Börse eignete. Hier wurden täglich etliche tausende von Telegrammen mit Kauf- und Verkaufsordern aufgenommen und mit Stempeln versehen, welche die entsprechenden Bearbeitungsstationen des jeweiligen Telegramms belegen sollten. Aus dem Hamburger Beleg geht hervor, daß der Stempel als Bearbeitungsvermerk nach Annahme des Telegramms verwendet wurde. Könnte entsprechendes für das TA 2 Berlin Börse auch gelten?

Nach meinen Beobachtungen tauchen die von Rainer Linden erfaßten "Ausgefertigt"-Stempel des Berliner TA 2 Börse nur auf Sendungen auf, die in den Zuständigkeitsbereich des TA Börse gesendet wurden, nicht aber auf Sendungen, die vom TA2 Börse abgingen. Da es sich bei dem neuen Stempel jedoch um einen Abschlag auf einer vom TA Börse abgehenden Rohrpost-Sendung handelt, könnte das Vorkommen dieses Stempels auf der Sendung damit erklärt werden, daß diese Karte zunächst über den Telegrammschalter aufgegeben wurde oder erst einmal gemeinsam mit den aufgegebenen Telegrammen hausintern weitergeleitet und dann entsprechend bearbeitet wurde.

Die offensichtliche Seltenheit dieses Stempels ebenso wie die des Stempels Type Börse 3b (nach neuer Nomenklatur) ist vielleicht damit zu erklären, daß er üblicherweise eben nicht auf Rohrpostsendungen abgeschlagen wurde. Dennoch zeigt er den Weg einer hausinternen Bearbeitung von Rohrpostsendungen, sobald sie einmal auf dem Weg, den sonst nur Telegramme gingen, der Post überanwortet wurden.

Wer weiß mehr?
 
Jürgen Witkowski Am: 19.05.2011 09:20:21 Gelesen: 1330123# 641 @  
@ telosgraphein007 [#640]

Das ist ja ein wirklich toller Fund! Er zeigt aber auch, dass wir selbst nach so langer Zeit noch an der Oberfläche dessen kratzen, was es hinsichtlich der Ausgefertigt-Stempel zu entdecken gibt.

Hinsichtlich der Typisierung komme ich immer mehr zu der Ansicht, sich von der Form der Stempel oder der Klassifizierung in früheren Veröffentlichungen zu lösen und sie chronologisch in der Reihenfolge ihres erstmaligen Erscheinens zu benennen.

Derweil sammle ich noch fleißig die Daten aller Stempel, derer ich habhaft werden kann und trage die veröffentlichten Meinungen längst verblichener und die Meinungen der gegenwärtigen Rohrpostspezialisten zum Thema zusammen. Die kritische Masse, um zu fundierten Aussagen kommen zu können, ist nach meiner Meinung noch lange nicht erreicht. Dein neu gefundener Stempel, dazu noch mit einem Pendant in Hamburg, ist in meinen Augen der beste Beweis dafür.

Das Auftauchen des Stempels in Berlin und Hamburg erinnert mich an die Einführung der Briefstempelmaschinen bei der Reichspost. Die Versuche und die ersten dauerhaften Verwendungen erfolgten ebenfalls in genau diesen beiden Städten. Handelt es sich auch um einen Versuchsstempel? Die (bisherige) Seltenheit wäre ein Indiz dafür.

Mit besten Sammlergrüßen
Jürgen
 
cartaphilos Am: 19.05.2011 14:25:08 Gelesen: 1330084# 642 @  
@ Concordia*

Danke für den Kommentar

In der Tat: Wir kratzen nur an der Oberfläche. Vielfach bringen erst die Vergleiche ein Fünkchen historischer Wahrheit an den Tag.

Den Hamburger Stempel habe ich schon vor fünf Monaten hier im Forum [#603] unbeabsichtigt und von mir unbemerkt veröffentlicht, als es darum ging, zu rekonstruieren, wie ein Telegramm im TA 2 Berlin Börse abgefertigt worden wäre, wenn wir Belege dafür hätten.

Erst die Identität mit dem Stempel von der Berliner Börse brachte die zündende Idee. Ich bin mit Deinem Vergleich zwischen Hamburg und Berlin absolut einverstanden, zumal es sich um die deutschen Städte mit dem größten Postaufkommen handelte. Das bedeutete auch, daß die Postautomation hier am meisten Früchte, sprich: Sparmaßnahmen bringen konnte, was wiederum zur frühzeitigen Einführung von entsprechenden Stempelmaschinen etc. geführt hat.

Dies macht es auch sofort einsichtig, weshalb der hier beschriebene Stempel praktisch zugleich in Berlin und in Hamburg eingeführt worden ist. Ob es sich um einen Versuchsstempel handelt, vermag ich nicht zu sagen und meine eher daß nicht. Vielmehr handelt es sich meiner Vermutung nach um einen Stempel, der in erster Linie als Bearbeitungsvermerk für innerhalb der Börse per hausinterner Rohrpost weitergeleitete Telegramme im Einsatz war. Eigentlich müßte er auf Telegrammen in großen Mengen nachweisbar sein - wenn es Telegrammurschriften aus dieser Zeit gäbe.

Die Lage ist für Hamburg etwas erfreulicher, denn von dort liegen mit wenigstens drei Telegrammurschriften mit dem entsprechenden Stempel vor:

Nr. 1: vom 10. Mai 1900



Nr. 2: vom 12. Mai 1900





Nr. 3: vom 15. Mai 1900





Die Hamburger Belege konzentrieren sich also auf die Zeit zwischen dem 10. und 15. Mai 1900. Die Idee einer versuchsweisen Nutzung dieses Stempels in Hamburg liegt daher durchaus nahe. Es kann aber auch sein, daß der Griff in den Abfalleimer aber nur diesen Zeitraum betraf, während sich dieser Stempel sonst regelmäßig auf Telegrammurschriften befunden hat. Wer weiß?

So waren vielleicht zwei Maschinen versuchsweise in Berlin und Hamburg um Einsatz. Ebenso war es aber auch üblich, daß sich die RPDs, wenn sie bestimmtes Gerät nicht mehr benötigten, dieses gegenseitig verkauften. Eine 'Einwanderung' des Stempelgeräts vom TA2 Berlin Börse nach Hamburg TA Börse war also auf diesem Weg durchaus denkbar.

In jedem Fall legen die Hamburger Belege eine Idee nahe: Der Stempel diente im ursprünglichen Sinne der automatischen Beschriftung oder Ausfüllung der Datums- und Uhrzeitzeile auf der Telegrammurschrift. In allen drei vorliegenden Fällen befindet er sich nämlich mehr oder weniger in dem Bereich der Urschrift, wo sich die Datums- und Uhrzeitzeile befindet.

Er ist also in jedem Falle auch eine Ausfüllhilfe und ein maschineller Bearbeitungsvermerk für Telegramme gewesen. Wenn dies am TA Berlin Börse ebenso der Fall gewesen wäre, dann handelte es sich bei der vorgestellten Rohrpostkarte um einen seltenen Einsatz dieses Stempels im Zuge der Bearbeitung eines Rohrpostsendung.

Beste Grüße
 
portocard Am: 19.05.2011 15:17:06 Gelesen: 1330059# 643 @  
@ telosgraphein007 [#642]

Hallo,

ich habe also Hamburger Telegramme vor und nach diesem von dir benannten Termin.

Beste Grüsse
 
portocard Am: 19.05.2011 15:42:29 Gelesen: 1330055# 644 @  
@ telosgraphein007 [#642]

Allerdings alle aus dem Monat Mai 1900:










Ob es aus März oder April 1900 schon etwas gibt müsste ich nachsehen, komme aber an die betreffende Sammlung zur Zeit nicht ran. Was aber wohl sicher ist, der Registrierstempel fand nur Anwendung im Telegrafenamt Börse, nicht in HH 8 und in Altona.
 
cartaphilos Am: 19.05.2011 16:26:30 Gelesen: 1330043# 645 @  
Danke portocard.

Es entspricht genau meiner Beobachtung, daß dieser Stempel ausschließlich an der Hamburger Börse Verwendung fand - was wiederum dafür spricht, daß es sich - wie bei dem entsprechenden Gerät im Berliner Börsen-TA - um einen Stempel zur einfacheren Bewältigung des dortigen hohen Telegrammaufkommens handelte.

Der gewählte Begriff "Registrierstempel" erfaßt eine Funktion des Stempels, aber es geht auch um die Dokumentation des Datums und der Uhrzeit, zu denen die Bearbeitung stattfand, und damit sind wir wieder bei einer zentralen posttypischen Funktion.

Dieser Stempel kam zum Einsatz im Zuge einer rohrpostmäßigen Behandlung von Telegrammen, sonst käme er nicht auch auf Rohrpostsendungen vor. Zudem kennen wir weitere rohrpostmäßige Merkmale auf Telegrammurschriften, beispielsweise Entwertungen der Frankaturen von Telegrammen mit Rohrpostankunftsstempeln:



einen schönen Tag noch
 
Jürgen Witkowski Am: 19.05.2011 16:55:28 Gelesen: 1330038# 646 @  
@ telosgraphein007 [#645]

Im Prinzip entspricht der Stempel dem in Beitrag [#640] in der Tabelle aufgeführten (auf Rohrpostbelegen seltenen) Typ Börse 2c. Lediglich die Datums- und Uhrzeitangabe ist anders gestaltet. Dein Vorschlag, die beiden Stempel in einer gesonderten Gruppe zusammen zu fassen macht Sinn.

Im Nachlaß von Rolf Ritter fand ich die folgende Kopie:



Mir ist noch aufgefallen, dass sowohl beide Stempeltypen als auch das Telegrammformular vor dem Datum den Buchstaben W zeigen. Eine Abkürzung für Weiterleitung?

Zur Verdeutlichung noch einmal ein Bild aus dem Beitrag [#644] von portocard.



Mit besten Sammlergrüßen
Jürgen
 
cartaphilos Am: 19.05.2011 20:48:45 Gelesen: 1330002# 647 @  
Eine Interpretation des W

Wenn der neue Stempel 3a tatsächlich vorwiegend für die Ausfüllung von Kopfzeilen der Telegrammformulare gedacht war, dann steht das "W." ersatzweise für das "W.", das auch auf den Telegrammformularen in der Kopfzeile zu finden ist, wo es als Abkürzung für das Wort "Worte" steht. Zur Überprüfung der Richtigkeit der Übermittlung von Telegrammen wurde auch die Wortzahl mittelegraphiert, die vor das "W." zu schreiben war.
Betrachten wir nun die Hamburger Telegramme, dann erkennen wir bei dem Telegramm vom 12. Mai 1900 die handschriftliche Eintragung "4" vor dem "W."



Und in der Tat weist das Telegramm nur 4 Worte auf: "[1.] Perret, [2.] Chaux de Fonds, [3.] 8165, [4.] ruhig."

Das Telegramm vom 22. Mai 1900 weist vor dem "W." die handschriftliche Eintragung "14" auf:



und tatsächlich zählen wir 14 Worte Telegrammtext.

Der Stempelteil, der der Eintragung der Wortzahl eines Telegramms vorbehalten war, weist zweifelsfrei auf die Verwendung des Stempels im Rahmen der Telegraphie hin. Daher meine ich, daß damit auch bewiesen sein dürfte, daß der Stempel der Vereinfachung der Telegrammabfertigung bei gleichzeitiger Beschleunigung der sonstigen Bearbeitung gedient hat. Seine Verwendung auf Rohrpostsendungen entsprach nicht seiner eigentlichen Bestimmung, auch wenn dadurch der Weg der internen Bearbeitung einer über den Telegrammschalter aufgelieferten Rohrpostsendung dokumentiert wurde.

Der alte Stempel 2c oder neu 3b, wie er auf der Kopie aus dem Nachlaß Rolf Ritter zu erkennen ist, zeigt aber auch, daß diese Stempelsorte auch als Eingangsstempel für Sendungen an die Börse genutzt wurde. In dem Falle handelt es sich ja um eine Rohrpostkarte an den Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Börse. Können wir also von Verwendung sowohl für die Telegrammabfertigung als auch für die Dokumentation des Eingangs von Rohrpostsendungen ausgehen?

fragt telosgraphein007
 
Jürgen Witkowski Am: 19.05.2011 21:06:01 Gelesen: 1329999# 648 @  
@ telosgraphein007 [#647]

Das ist eine absolut schlüssige Erklärung. Die W-Stempel entstammen der Telegrammbearbeitung.

Wenn man Deinen Beleg aus Beitrag [#640] ansieht, kann die These mit dem Eingangsstempel allerdings nicht passen. Der W-Stempel zeigt die früheste aller Uhrzeiten von den drei Stempeln.

Mir ist bei wiederholtem Betrachten des Beleges noch aufgefallen, dass vor dem W eine handschriftlich eingefügte 7 steht, die nach meiner Meinung nicht zur Adresse gehört. Ist die Karte eventuell als Ersatz für ein Telegrammformular verwendet worden?

Mit besten Sammlergrüßen
Jürgen
 
portocard Am: 19.05.2011 21:21:09 Gelesen: 1329994# 649 @  
@ Concordia CA [#648]

Genau das mit dem "Notformular" war auch meine Vermutung, daher hatte ich "telosgraphein007" gebeten mir die Rückseite zu mailen. Es gibt nur eines, was dem wiedersprechen würde, die Mindesttaxe für das Stadttelegramm hat 30Pfg betragen.

Wollte euch noch eines meiner Lieblingstelegramme zeigen (hat nichts mit dem Stempel zu tun).

Die Kenner unter euch werden die absolute Seltenheit sofort erkennen. Es ist das einzige dieser Tarifart, was ich je gesehen habe, und ich habe wirklich sehr viele aus Hamburg Börse, Hamburg 8 und Altona 3 in den Händen gehabt.


 
cartaphilos Am: 19.05.2011 21:34:11 Gelesen: 1329990# 650 @  
Völlig recht:

Der Stempel 3a ist in dieser Verwendung natürlich kein Eingangsstempel, sondern der Stempel, der bei der Übergabe der Rohrpostkarte durch den Telegrammschalter auf der Karte abgeschlagen wurde. Ich hatte auch schon die Vermutung, daß dies der erste Stempel auf der Karte gewesen ist. Doch dies läßt sich erst dann mit einiger Sicherheit sagen, wenn wir wissen, ob der Rohrpoststempel von TA 2 Börse eine 10- oder eine 5-Minuteneinstellung hatte. Denn die beiden frühesten Stempel auf der Karte sind beide zwischen 12.30 und 12.40 abgeschlagen worden. Der analoge Stempel vom HTA hatte bereits eine 5-Minuteneinstellung. Mir liegen jedoch keine Belege vom TA 2 Berlin Börse mit einem 5-Minutenstempel vor.

Die Idee mit dem Ersatztelegramm ist faszinierend, doch die Karte ist als Rohrpostkarte weitergeleitet worden nach Berlin 61. Die von Dir identifizierte "7" dürfte eher ein Sütterlin-"F" sein (für Firma) und der Text ist viel umfangreicher als nur sieben Worte, obgleich es sich um Börsennotierungen im Telegrammstil handelt. Zudem: die Mindestgebühr für ein Ortstelegramm betrug 30 Pf. Da hätte man eine Rohrpostkarte als Ersatztelegramm benutzen können und mit 5 Pf zufrankieren müssen. Gibt es so etwas? Nun gut: für den Fall, daß einstmals eine rätselhafte Karte mit 5 Pf Zusatzfrankatur und telegraphischen Merkmalen auftaucht, könnte man sich jetzt einen Reim drauf machen.

Gratuliere mit unverhohlenem Neid zu dem dringenden Telegramm. Das sind die wahren Goldnuggets.
 
portocard Am: 19.05.2011 21:41:36 Gelesen: 1329984# 651 @  
@ telosgraphein007 [#650]

Die Zusatzfrankatur sollte dann nur 5Pfg betragen, denn die Worttaxe für ein Stadttelegramm beträgt 3Pfg bei jedoch einer Mindesttaxe von 30Pfg. Das Vorkommen eines Stadttelegrammes durfte wohl eine riesen Rarität darstellen, die Verwendung des "Notformulars" wäre wohl "mit Gold aufzuwiegen".

@ telosgraphein007: Als ich hier meinen Psalm verfasst habe, hast du dein Posting korrigiert und ergänzt - zwei Leut - ein Gedanke.
 
portocard Am: 19.05.2011 22:08:10 Gelesen: 1329974# 652 @  
Leider nur eine ungebrauchte Ganzsache.

Aber hat eventuell jemand katalogmässige Unterlagen über solche "Provisorien" und kann mit Details weiterhelfen?

Schon mal DANKE im voraus.


 
cartaphilos Am: 19.05.2011 23:22:43 Gelesen: 1329955# 653 @  
Ganz recht: Telegramme mit Minimalstgebühren sind unglaublich selten. Das gibt es aus der DDR noch bis in die 1980er Jahre. Beispielsweise frankierte Urschriften von Ortstelegrammen, die auch noch als Brieftelegramme aufgegeben wurden. Plötzlich kommt dabei heraus eine Gesamtgebühr von 25 Pf für 10 Worte im Ortsverkehr als Brieftelegramm. Hab ich noch niemals gesehen, und auch 50-Pf-Frankaturen auf Telegrammen der DDR sind schon selten. Das gilt für's Deutsche Reich natürlich ebenso.

Zu den Rohrpost-Umschlägen mit Postfreistempelzudruck: Ich habe so etwas noch niemals gelaufen gesehen. Zudem fragt man sich, weshalb ausgerechnet in Elmshorn die Zudrucke angefertigt wurden. Berlin wäre da schon sinnvoller. Ich lasse von diesen Dingen die Finger, weil sie mir als manipulierte 'Belege' erscheinen. Sinn macht eventuell ein nicht-rohrpostmäßiger Aufbrauch oder Verbrauch nach Zufrankatur, so wie es ja auch Rohrpost-Ganzsachen in fremder Verwendung gibt.

Aber 60 Pfenning plus 180 Pfenning macht am 24. Juli 1923 überhaupt keinen Sinn mehr, denn ein gewöhnlicher Brief kostete zu diesem Zeitpunkt bereits 300 Mark. Selbst wenn man den Freistempel zu "180" als Mark liest und den 60 Pf Germania-Wertstempel natürlich nicht beachtet, denn Postwertzeichen in der Zeichnung "Germania" waren seit dem 31.10.1922 nicht mehr gültig, sind wir weit von der zu dieser Zeit für einen Brief erforderlichen Postgebühr entfernt. Ein Rohrpostbrief kostete in dieser Portoperiode bereits 640 Mark.

Meines Erachtens geht zu dieser Zeit mit dem abgebildeten Beleg gar nichts und ich vermute, es handelt sich um eine post-inflationäre Produktion, die schon nicht mehr mit dem Wissen um die Daten und Portoperioden ausgestattet war, sonst wäre das klüger 'fabriziert' worden. Es dürfte die Zeit gewesen sein, in der ein heilloses Chaos in der Inflationsphilatelie existierte und kaum jemand den Überblick hatte, bis dann Infla-Berlin, Verein der Deutschlandsammler ab ca. 1930 versuchte, hier Ordnung zu schaffen.
 
cartaphilos Am: 21.05.2011 14:20:39 Gelesen: 1329623# 654 @  
Wer kann helfen?

Einige von Euch werden den Beleg bei ebay gesehen haben:

Eine aus dem Bedarf stammende, mit 24 Pf um 2 Pf leicht überfankierte Briefvorderseite eines Rohrpostbriefes von Berlin-Charlottenburg 7 nach Bad Mergentheim aus den letzten Kriegstagen März/April 1945. Die Sendung konnte aufgrund der Kriegsverhältnisse nicht mehr weitergeleitet werden und kam dann 4,5 Jahre später beim Empfänger an:



Da ich keine nennenswerte Ahnung vom Frontverlauf zu Ende des 2. Weltkrieges habe, auf der anderen Seite aber herausbekommen habe, daß Bad Mergentheim Ende März/Anfang April 1945 bereits von den US-Streikräften besetzt war, stellt sich nun die Frage, an welchem Tag diese Sendung nun tatsächlich aufgegeben wurde, denn der Stempel ist denkbar miserabel abgeschlagen.

Ich habe hier zwei hochauflösende Scans der gestempelten Postwertzeichen in unterschiedlicher Belichtung eingestellt.




Meines Erachtens kommen der 7. März 1945 (ein Mittwoch), der 17. März 1945 (ein Samstag) und der 27. März 1945 (ein Dienstag) als Stempeldaten in Frage. Wir erkennen - ausnahmsweise einmal von rechts nach links gelesen - eindeutig die Uhrzeit 14.40. Ebenso das Jahr 45. Dann aber nur eine fragmentarisch abgeschlagene Ziffer 3 für den Monat März (eine 5 kann es ja nicht mehr sein) und noch weiter links eine nicht vollständig auf einer Linie mit den anderen Ziffern befindliche 7. Diese ist in der Position, in der man üblicherweise die Einer, nicht aber die Zehner zu erwarten hätte. Davor ist nichts weiter zu erkennen.

Der hier abgeschlagene Stempel mit dem Hinweis auf die Verzögerung der Sendung durch die Kriegsverhältnisse ist nur in Süddeutschland eingesetzt worden, was bedeutete, daß die Sendung zwar noch Berlin verlassen hat, aber irgendwo auf dem Weg nach Bad Mergentheim dann von den Kriegsereignissen 'überrollt' worden ist. Ab wann war Bad Mergentheim nicht mehr erreichbar? Wer weiß mehr?
 
cartaphilos Am: 27.05.2011 20:03:24 Gelesen: 1328744# 655 @  
Bahnpost im Ortsverkehr als Ersatz für fehlende Rohrpost von und nach Berlin-Spandau

Bekanntermaßen wurden die Rohrpostverbindungen mit Berlin-Spandau erst nach dem 2. Weltkrieg errichtet. Wer früher schnelle Post nach Berlin oder nach Spandau zu senden hatte, mußte die Möglichkeit der Eilzustellung nutzen. Dies garantierte auch damals schon eine vergleichsweise beschleunigte Beförderung der Sendungen zwischen Berlin und Spandau oder nach Berlin-Spandau (ab 1920), aber war eben kostspielig und nicht so schnell wie die Rohrpost. Was tun, wenn man in rohrpostloser Zeit preiswert schnelle Post von Berlin-Spandau nach, sagen wir Berlin-Charlottenburg zu befördern hatte?

Ein Beispiel: Am 11. April 1939 hatte Familie Westphal aus Berlin-Spandau, wohnhaft An der Kappe 74c, traurige Nachrichten oder, was noch wahrscheinlicher ist, ein Kondolenzschreiben an Frau Adam und ihre Kinder in der Charlottenburger Sophie-Charlottestraße 78 zu übermitteln. Es galt wohl das Dahinscheiden von Herrn Adam zu beklagen. Da man nicht in allzugroßer Entfernung vom Spandauer Hauptbahnhof wohnte und der Weg zur Spandauer Hauptpost in der Breiten Straße etwa gleichweit wie der zum Bahnhof war, wurde die Trauerpost einfach in den Spandauer Bahnhofsbriefkasten geworfen:



Da zudem die Bahnhöfe Berlin-Spandau Hauptbahnhof und Spandau-West die wichtigsten Infrastrukturverbindungen für die Spandauer waren, dürfte der Bahnhofsbriefkasten eine willkommene Einrichtung für schnellen Posttransport gewesen sein. Immer wenn ein Zug der Strecke Hamburg-Berlin mit Postkurs durchkam, wurde die per Bahnhofsbriefkasten aufgelieferte Post dem Postwagen übergeben, dort umgearbeitet und am nächsten Bahnhof, d.h. gegebenenfalls auch in Berlin-Charlottenburg wieder dem dortigen Postarbeiter übergeben. So gelang es der Familie Westphal, ihre schlechten Nachrichten für nur 8 Rpf und per Bahnhofsbriefkasten innerhalb weniger Stunden von Spandau nach Charlottenburg befördern zu lassen. Recht hatten sie: es gab ja keine Rohrpost zwischen Spandau und, wie die Spandauer sagten, Berlin bei Spandau. Alles sieht also nach ermäßigtem Ortsverkehr aus, der per Bahnpost abgewickelt wurde.
 
cartaphilos Am: 04.06.2011 08:29:20 Gelesen: 1327210# 656 @  
Rohrpost-Zusatzfrankaturen in den USA

Obgleich in den USA geradezu massenhaft Rohrposteinrichtungen existierten, sind die Belege mehr als rar. Jeder neue Belege wirft mehr Fragen auf als er Erkenntnis bringt, wie der folgende:

Gerade ging bei ebay eine Auktion mit einer seltenen privaten Rohrpost-Marke als Zusatzfrankatur für die American Pneumatic Service zuende:



Gemäß Angaben auf der Marke konnte diese auf eine Päckchenadresse geklebt werden, was dann zur Folge hatte, daß sich die wahrscheinlich nur in New York operierende Firma American Pneumatic Service mit der pneumatischen Beförderung des Päckchen befaßte.



Dazu ist zu sagen: in den USA wurden schon Ende des 19. Jahrhunderts öffentliche Aufgaben, die in Europa als hoheitliche Aufgaben des Staates verstanden wurden, von Privatfirmen abgewickelt, denen besonders günstige Konditionen zugestanden wurden. (Das ist dort heute nicht anders und hat wohl den ökonomischen Neoliberalismus ins Leben gerufen). Die Firma benannte sich später in New York Mail & Newspaper Transportation Company um, was darauf hindeutet, daß sie ihre Aktivitäten auf New York beschränkte, wo 56 Meilen Rohrpostleitungen bedient wurden. Diese wurden auch von den Telegraphengesellschaften genutzt.

Daß in den USA auch Päckchen per Rohrpost transportiert wurden, hat damit zu tun, daß die Rohrposten dort in der Regel gleich als große unterirdische Anlagen gebaut wurden, mit denen zunächst sogar Menschen transportiert werden konnten. Die Grenze zwischen Rohrpost und U-Bahn war hier in den Anfängen niemals ganz klar. Später reduzierte sich das auf Päckchen- und Brieftransport. Nachfolgend eine Station der Rohrpost von Boston.



Auf der nachfolgenden hundsmiserabel schlechten Karte kann man erahnen, wie beispielsweise die Rohrpost in New York auf der westlichen und der östlichen Seite der Halbinsel verlief.



Stündlich wurden auf beiden Seiten New Yorks 200.000 Briefe per Rohrpost befördert. Gewöhnliche Sendungen erreichten das Zustellpostamt nach drei Stunden, Eilsendungen nach einer Stunde.

Üblicherweise kann man angesichts der Tatsache, daß praktisch alle Post, wo vorhanden, per Rohrpost transportiert wurde, keine Beförderungsmerkmale erkennen. US-amerikanische Rohrpost ist meistens sogenannte 'stille Rohrpost.' Nur in den seltensten Fällen kommen Abschläge postalischer Stempel vor, die auf den Transport per Rohrpost hinweisen, wie hier die Weiterleitung einer Postsendung von Chicago aus. Es handelt sich um eine Postkarte aus Baton Rouge nach Chicaco, dort am 8. Oktober 1910 durch die Western Tube in Chicago wegen Nachsendung nach Charlotte in North Carolina zum Abgangspostamt befördert. Der entsprechende Stempel aus Chicago dokumentiert diese Behandlung der Sendung:



Wie wir sehen ist es der Ausnahmefall, wie hier die Weiterleitung, die zum Abdruck von Rohrpoststempeln auf einer Sendung führen kann. Noch seltener dürfte es geschehen sein, daß eine Sendung erst in der Rohrpoststation gestempelt wurde, wie die nachfolgende Postkarte aus Chicago nach Arizona:



Und jetzt warten wir auf eine amerikanische Päckchenadresse mit der privaten Rohrpostmarke und es stellt sich die Frage: Welche Firma hat Marken für die Zusatzfrankatur der Rohrpostbeförderung herausgegeben, welche Sorten gibt es etc. etc. Es wird wohl noch lange dauern, bis wir auch hier Licht am Ende der Röhre erblicken.
 
cartaphilos Am: 22.06.2011 06:11:19 Gelesen: 1324207# 657 @  
Schnelle Drucksache durch Rohrpost

Das kam gerade herein:



Bücherzettel - also Drucksachen - per Eilboten sind ja immer schön und nicht gerade die Massenware. Hier kommt noch die ungewöhnlich kurze Laufzeit hinzu:

1. (14) Stuttgart 9 29.8.1956 Stunde 9
2. (16) Frankfurt (Main) Telegraphenamt 29.8.1956 Stunde 14
3. Rohrpoststempel (zentral gesteuerter Uhrzeitstempel im TA) [Frankfurt Telegrammabfertigung] 29 VIII 56 13 58



4. Eilbotenstempel 110

Die 60 Pf Heuss I hat oben links 'Zahnschmerzen'. Doch wen schmerzt das wirklich? Angesichts dieses schönen Belegs und des schönen Sommeranfangs, den ich allen wünsche.
 
Jahnnusch Am: 22.06.2011 08:33:53 Gelesen: 1324172# 658 @  
Da hilft Declophenag auch nicht mehr!
 
cartaphilos Am: 22.06.2011 09:59:52 Gelesen: 1324158# 659 @  
Wäre ja auch wirklich zu blöde, wenn man das hier



anstelle der kaputten Zähne setzte.

;-)
 

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