Thema: (?) (2877) Altdeutschland Bayern: Schöne Belege
bayern klassisch Am: 24.06.2016 21:11:56 Gelesen: 956344# 812@  
Lieber Rainer,

zuerst vielleicht die Transkription, damit das Ganze etwas erklärlicher wird:

"Mit Beziehung auf das diesseitige Schreiben vom 4. April vorigen Jahres und jenseitiger Rückäusserung vom 18. präsentirt 29. April vorigen Jahres wird die höflichste Bitte gestellt, die Bezahlung der durch Almendinger Thomas verursachten in der Anlage spezifizierten Kosten zu 21 Gulden 49 Kreuzer gefälligst zu veranlassen und Portofrey anher zu senden.
Zu jedem Gegendienst bereit versichert vollste Hochachtung Schnitzer, Bürgermeister."

Es wäre schön, wenn einer oder eine noch das französische übersetzen könnte, dann wissen wir alles dazu.

Der Brief war ein Dienstbrief und in Bayern daher portofrei (Vertrag Bayern - Frankreich vom 1.1.1822). Aber Dienstbriefe nach Frankreich waren nicht jedermanns Sache, weil die Vorschriften nur denen geläufig waren, die häufig mit franz. Behörden korrespondierten. Bei Kempten dürfen wir das ausschließen.

Als Polizeysache tituliert (ich vermute, der Thomas Almendinger aus Grenoble war kriminell geworden), stempelte Kempten in rot Aufgabe (Fingerhut), aber sicher nicht in schwarz C.B.R.3, was ich Augsburg unterstelle (der schlechtesten Poststelle Bayerns damals). Damit war die angedachte Portofreiheit dahin (um solche zu erlangen hätte man P.P. stempeln müssen) und der Brief optisch ein Portobrief für die Franzosen in Strasbourg.

Daher schlugen sie den 7 Decimes - Stempel ab, den formell (nicht tatsächlich!) Bayern pro Portobrief aus dem 3. Rayon zu Frankreich anzusprechen hatte. Eine Progression über den Stempel war nicht möglich (ein einfacher Brief hatte also mit z. B. 5g auch die gleiche 7 drauf, wie einer mit 100g!). Der Empfänger (via Lyon ist richtig) hatte satte 5 Francs und 3 Decimes zu zahlen (das waren in rheinsicher Währung fast 2 1/2 Gulden, so dass die Anlage als recht gewichtig gewesen war, denn oben links hatte Strasbourg 25g Gewicht vermerkt).

Das ist ein sehr interessanter Brief - leider ist der Zustand nicht optimal, sonst könnte der in meine Bayern - Frankreich - Sammlung passen.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
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