Thema: Antrag des WPhV zum LV-Tag am 07.04.18: Austritt des LV Südwest aus dem BDPh !
jueshire Am: 26.04.2017 11:56:12 Gelesen: 195656# 345@  
@ Richard [#344]

Man kann sich die Argumentation doch einmal nüchtern anschauen. Auf allen Seiten ist mir zu viel Häme im Spiel. Der WPhV analysiert:

1. Die erste Anlaufstelle für Briefmarkensammler auf der Suche nach Wissen und Informationen ist heute nicht mehr der lokale Ortsverein, in dem erfahrene Sammler zu treffen sind, sondern das Internet.

2. Im Internet stoßen Sammler sehr schnell auf spezialisierte Informationen zu ihren Sammelgebieten, u.a. auch auf den Umstand, dass es im BDPh Argen gibt. Auch können sie für 42 € direkt Mitglied im BDPh werden, und erhalten dafür zwölf Ausgaben der Mitgliederzeitschrift, zwei kostenlose Kleinanzeigen-Optionen in dieser Mitgliederzeitschrift und potenzielle Rechtsberatung - also ein aufgepepptes Zeitschriften-Abo.

3. Die Arge-Direktmitgliedschaft bietet Sammlern die Möglichkeit des zielgenauen Zugangs zu Informationen und Austausch über ihr Sammelgebiet mit denselben Vorteilen wie die Ortsvereine, und zu einem ähnlichen Preis.

4. Viele Ortsvereine haben Schwierigkeiten, ihre Vorstandsposten zu besetzen, oder müssen sich gar mangels aktiver Mitglieder auflösen.

Bis hierhin möchte ich dem WPhV eine zutreffende Problembeschreibung attestieren, an der ich nichts auszusetzen wüsste. Dann kommt der WPhV zu seinen Schlussfolgerungen:

A. Die BDPh-Direktmitgliedschaft erlaubt den Bezug der "philatelie" für 42€, während viele Vereine mit einem ähnlichen (und oft höheren) Betrag ihren Selbsterhalt finanzieren müssen und davon zusätzlich 15€ an den BDPh abführen müssen. Hinzu kommen Kosten für die Landesverbände usw. Sie leisten Bildungsarbeit und halten das Ausstellungswesen aufrecht.

B. Die Arge-Direktmitgliedschaft erlaube Zugang zu philatelistischem Fachaustausch und den Bezug des "philatelie"-Abos in direkter Konkurrenz zu Ortsvereinen.

Daraus leitet der WPhV zwei Forderungen ab:

1. Verteuerung der Direktmitgliedschaft im BDPh, damit das Zeitschriften-Abo plus Ortsvereinsmitgliedschaft billiger ist als das reine Zeitschriften-Abo beim BDPh.

2. Die Arge-Direktmitgliedschaft soll abgeschafft werden.

Wenn ich mir dies anschaue, komme ich zu folgendem Urteil:

Vereins-Zeitschriften sind das zentrale Verbindungsmittel zwischen den Mitgliedern, und der BDPh kann mit der "philatelie" ein professionelles Medium anbieten, dem die Ortsvereine mit ihren lokalen Mitteln nur wenig hinzufügen können. Der WPhV macht hier geltend, dass man hier den Gesamtbeitrag zu einem Ortsverein zum Vergleichsmaßstab nehmen muss, und nicht nur die 15€ Abgabe an den BDPh. Das erscheint mir persönlich vollkommen plausibel. Mein lokaler Ortsverein kostet genauso viel wie eine Direktmitgliedschaft - wenn ich das Ortsvereinsleben nicht mag, abonniere ich direkt. Wäre die Ortsvereinsmitgliedschaft hingegen deutlich billiger, käme ich nicht auf die Idee, ein BDPh-Direktmitglied werden zu wollen.

Ebenfalls finde ich den Hinweis richtig, dass die Ortsvereine unverzichtbarer Bestandteil des Ausstellungswesens sind, und hier viele Lasten tragen, auf die der BDPh in seiner Eigenwerbung gern verweist. Was mir hier fehlt, ist allerdings eine systematische Analyse über den gegenwärtigen Erfolg von Briefmarkenausstellungen, und die Frage, ob eine Reform hier nicht grundsätzlicher ansetzen müsste, und ob nicht z.B. Seminare und Vorträge prinzipiell in Kooperation mit lokalen Ortsvereinen stattfinden sollten, um diese attraktiver zu machen.

In der Forderung 2 wird mit der Metapher "Breitensport versus Spitzensport" der lokale Ortsverein mit dem philatelistisch spezialisierten Austausch in Fachgruppen gleichgestellt. Der Zugang zu Argen soll wieder bzw. weiterhin nur über den Umweg der Ortsvereins-Mitgliedschaft möglich sein. Hier wird meiner Ansicht nach unterschlagen, dass es sich um zwei völlig verschiedene Dinge handelt. Die Metapher vom "Breitensport" beschreibt das Angebot der Ortsvereine ja durchaus treffend; persönliche Kontakte, gemeinschaftliche Veranstaltungen wie Vortragsabende und Tauschtage, und eben auch die damit verbundene Arbeit in Vorständen oder dem Getränke- und Kuchenverkauf auf Veranstaltungen. Beim "Spitzensport" geht es hingegen um philatelistische Fachinformationen; das wichtigste Element sind bestimmt die Rundbriefe, sowie der Kontakt zu spezialisierten Sammlern des eigenen Fachgebiets; es gibt nicht nur wertvolle Fachkenntnisse, sondern auch Reputation als "Kenner" des eigenen Gebiets zu gewinnen. Hierzu möchte ich feststellen, dass die Arbeit des lokalen Briefmarkensammlervereins mit dem Angebot einer Arge genausoviel zu tun hat, wie das Kreisliga-Training des lokalen Fußballklubs mit dem Fan-Interesse für Real Madrid. Anders ausgedrückt: Ich teile die Analyse des WPhV, aber ich widerspreche der Schlussfolgerung, weil lokale Ortsvereine und Argen ihren Mitgliedern völlig unterschiedliche Vorteile bieten. Wer als Fußballfan Real Madrid unterstützen möchte, hat womöglich überhaupt kein Interesse, selbst Fußball zu spielen - weder in der Champions League noch in der Kreisliga.

Trotzdem ist die Analyse des WPhV richtig: Den Ortsvereinen gehen Mitglieder verloren, weil der Zugang zu philatelistischen Fachinformationen ohne sie möglich ist. Der Grund für das Umgehen der Ortsvereine ist aber nicht eine Konkurrenz im Angebot, sondern neuartige Möglichkeiten der Kontaktaufnahme. Das ist eine unumkehrbare strukturelle Veränderung. Wer zwingend einem Ortsverein beitreten müsste, um in einer Arge Mitglied werden zu können, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit gar nicht beitreten (zumindest ist das bei mir so). Die Direktmitgliedschaft in Argen ist eine Möglichkeit des BDPh, zusätzliche Mitglieder zu gewinnen, die sonst gar nicht Mitglied würden.

Mein Vorschlag zur Reform wäre daher folgender:

1. Die BDPh-Direktmitgliedschaft muss spürbar teurer sein als die Ortsvereinsmitgliedschaft, weil Ortsvereine mehr Arbeit und höhere Kosten haben, aber die "philatelie" das vielleicht wichtigste Bindeglied zu den Mitgliedern ist. Die Direktmitgliedschaft ist eine direkte Konkurrenz für die eigenen Ortsvereine.

2. Die lokalen, überregionalen und nationalen Formen der Philatelie müssen systematisch auf ihre Zeitgemäßheit überprüft, und die Zuweisung der Finanzmittel entsprechend angepasst werden: die Mitgliedsbeiträge müssen dem Arbeitsaufwand entsprechend verteilt werden (und nicht aufgrund von "Tradition"). Überprüft werden sollte insbesondere das Ausstellungswesen und der Zugang zu philatelistischen Fachinformationen (z.B. Seminare prinzipiell über lokale Ortsvereine ausrichten, die dafür aber auch die Zuschüsse bekommen; Verhältnis von Stiftung und Bibliotheken, etc.).

3. Die Argen bedienen ein völlig andersgeartetes philatelistisches Interesse als Ortsvereine. Allerdings sollte der Bezug der "philatelie" nicht mehr automatischer Bestandteil der Arge-Mitgliedschaft sein. In anderen Ländern ist das durchaus üblich: dem nationalen Philatelieverband muss man zusätzlich beitreten - zum Beispiel über einen Ortsverein. Das heißt: man kann Direktmitglied einer Arge werden, bekommt dort aber auch nur die originären Leistungen der Arge, und die besonderen Vorteile des BDPh nur über Ortsvereine.

4. Die Beiträge, die Argen von ihren Direktmitgliedern an den BDPh weiterleiten, sollten ein Zuschuss an die Ortsvereine fließen, weil sie unter strukturellen Veränderungen im Zeitalter des Internet leiden, aber wesentliche Arbeiten leisten (erneut verwiesen sei auf Ausstellungen).

Vielleicht ist es ja möglich, sachliche Lösungen zu diskutieren, ohne sich gegenseitig an die Kehle zu gehen.
 
Quelle: www.philaseiten.de
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