Thema: Motiv Bücher, Zeitschriften und andere Druckwerke
Altmerker Am: 26.04.2017 18:48:58 Gelesen: 120560# 94@  
@ wajdz [#92]

Wenn schon mal ein Betriebszeitungsstreifband gezeigt wird kommt hier etwas Hintergrund:

„Unser Kernkraftwerk“, „Impulsgeber“, „Maschinenbauer“ und „Effektiv“, „Planzeiger“ oder „Unser Friedenswerk“, „Scheinwerfer“ und „Start“ hießen sie. Und sie einte eins: Die 667 Betriebszeitungen in der DDR fungierten als „politisches Führungsinstrument der Betriebsparteiorganisationen der SED“. Sie erschienen gewöhnlich in Betrieben und Einrichtungen mit mehr als 1000 Betriebsangehörigen. Die meisten davon sind der Industrie, dem Bauwesen, dem Bergbau und dem Handel zuzuordnen, 42 der Deutschen Reichsbahn, weitere 45 dem Verkehrs- und Nachrichtenwesen. 
Ende der 80er Jahre die lag Auflage der zumeist wöchentlich oder 14-täglich erscheinenden Betriebs- und Universitätszeitungen bei knapp 2,2 Millionen Exemplaren. Wenig später waren die meisten der Zeitungen wie ihre Redakteure, Herausgeber und ihr Heimatland abgewickelt. Während die den gesamten Osten überspannenden bezirklichen SED-Verlautbarungsorgane mit weit geöffneten Armen von den finanzstärksten westdeutschen Verlagen aus den Händen der Treuhandanstalt in Empfang genommen wurden, sind die meisten ehemaligen Betriebszeitungen nur noch Pressegeschichte. Überlebt haben – teilweise unter verändertem Namen – einige der einst 20 Zeitungen, die als Organe der Universitäts- und Hochschulparteileitungen der SED firmierten.

Heute obliegt ihnen sowohl als Organ des Rektors als auch Betriebszeitung eine nicht unwesentlich Informations- und Servicefunktion. 
Die Betriebszeitung vereinte Produktionspropaganda, Gewerkschaftsarbeit, Betriebskampfgruppe und Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft mit sachlichen Bekanntmachungen zu Urlaubsplätzen und Seniorentreffen.

Nicht immer sehr beliebt, kam man nicht um sie herum, wollte man über das Betriebsgeschehen etwas informiert sein.
 Doch bei den meisten Betriebszeitungen entschädigte eine Schöne auf der Rückseite für das Durchhalten beim Kampf mit der Sprache der DDR-Erfolge. Dieses mehr oder minder wohlgeformte Frauenbild führte in vielen der ehrenamtlichen Redaktionskollegien zu ewigen Diskussionen über „die Rolle der Frau im Sozialismus“ und gelegentlich auf Geheiß prüder SED-Parteileitungen zur einstweiligen Foto-Verbannung. Als Muss jeder Betriebszeitung galt zudem das Rätsel auf der letzten Seite. Es diente dem Zeitvertreib, wenn mal wieder kein Material da war und nach Planerfüllung, sozialistischem Wettbewerb und Kampfzielen eine Verschnaufpause angesagt war.

Wobei selbst das redaktionelle Basteln des Rätsels zum Politikum stilisiert wurde. Es sollte möglichst einen Heimatbezug haben, keine Orte enthalten, die Reisebegehrlichkeiten wecken könnten, und auf Namen von Künstlern verzichten, die ihren DDR-Horizont im Westen erweiterten.
 
In den Druckereien entstanden die Betriebszeitungen in halbem rheinischen Format zumeist auf den Maschinen, die abends die Organe der Bezirksleitungen der SED druckten. Das Gros der Betriebszeitungen hatte kein aufwendiges Vertriebssystem. Zumeist holten sich die einzelnen Betriebsabteilungen oder Betriebskorrespondenten ihre Zeitungsstapel aus der Redaktion ab. Dort rechneten sie auch ihre Verkaufserlöse ab. Die waren bei Preisen zwischen fünf und 20 Pfennig pro Ausgabe nicht eben hoch. Da aber teilweise bis zu 20 Prozent der Auflage gratis auf dem Postwege versandt wurde, summierte sich dagegen der Portopreis. So tauschten die Betriebszeitungsredaktionen unter der Ägide des Verbandes der Journalisten, in dem sie eine eigene Sektion bildeten, ihre aktuellen Ausgaben regional und branchenspezifisch aus. Weitere Exemplare gingen an die Veteranen des Betriebes und zumeist auch an die jungen Mitarbeiter, die gerade ihren Wehrdienst absolvierten und so aus der Ferne am Betriebsleben Anteil nehmen konnten.


Auf die Zeitungsstreifbänder für den Versand war gewöhnlich den Titel der Betriebszeitung gedruckt. Je nach Größe des Werkes oblag es einer Sekretärin oder Praktikanten, die Sendungen zumeist mit Dauerserienmarken zu frankieren und in den Briefkasten zu werfen. In bedeutenderen Unternehmen liefen die Streifbänder mit der Betriebspost durch die Frankiermaschinen und wurden versandt. Im Gegensatz zu den Bezirkszeitungen der SED und den Zeitungen der anderen DDR-Parteien mit ihren regelmäßigen Pressefesten würdigten, auch wegen der langen Genehmigungswege, höchst selten Sonder- oder Werbestempel die Betriebspresse. So gelang es meist nur engagierten Philatelisten in Betriebsarbeitsgemeinschaften mit Herz für den Journalismus, Belege zu produzieren.
 
Quelle: www.philaseiten.de
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