Thema: Stiftung Philatelie: Wo sind die Millionen hin ?
Richard Am: 05.05.2017 09:11:22 Gelesen: 36793# 32@  
In der Deutschen Briefmarken Zeitung DBZ vom 13.4.2017 schreibt Chefredakteur Torsten Berndt (auszugsweise):

Es gilt festzuhalten, dass die gesunkene Förderung seitens der Stiftung nicht allein auf das niedrige Zinsniveau, sondern auch auf den Vermögensverlust zurückzuführen ist. In den öffentlichen Erläuterungen der Stiftung war aber stets nur von der Niedrigzinsphase die Rede, deren Beginn zudem fälschlich auf den Beginn der Finanzkrise terminiert wurde. Als Erfinder der Niedrigzinsen gilt allgemein der Chef der US Notenbank, Alan Greenspan, der am 31. Januar 2006 in den Ruhestand getreten ist. Den vor der Finanzkrise erwirtschafteten sieben bis acht Prozent Rendite pro Jahr stellte die Stiftung die nach 2008 noch erzielten drei Prozent gegenüber. Unter anderem nannte Geschäftsführer Rüdiger Krenkel die Zahlen in einem offenen Brief, der in Heft 7/2015 der DBZ veröffentlicht wurde. Nicht nur die DBZ gratulierte ihm zu diesen Erfolgen. Sieben bis acht Prozent waren vor 2008 exzellent, und drei Prozent sind in Zeiten wie diesen gut.

Kein Wort fiel dagegen zu den Verlusten. Dies stimmt schon deshalb nachdenklich, weil Kommunikation mehr bedeutet, als allein die Erfolge zu betonen. Da im Zuge der Finanzkrise weltweit Anleger gewaltige Verluste verbuchen mussten, stellt sich auch die Frage, weshalb die Stiftung das Thema höchst diskret behandelte. Das Eingeständnis eigener Einbussen vor dem Hintergrund einer weltweiten Krise hätte in der Philatelie jeder verstanden und akzeptiert. Jene, die stets alles im Nachhinein besser wissen, natürlich ausgenommen. So bleibt der fade Nachgeschmack, dass sich hinter vorgehaltener Hand Gesagtes nunmehr als wahr herausgestellt hat.


Soweit die DBZ, Hervorhebungen durch die Redaktion Philaseiten.

Seit wenigen Tagen liegen der Redaktion Philaseiten umfangreiche Unterlagen zur Stiftung Philatelie vor, welche das Finanzdesaster des Jahres 2008 dokumentieren. In der Übersicht der Finanzanlagen zum 31.12.2008 werden 21 Finanzanlagen genannt mit einem Bilanzwert von 18,206 Mio. Euro. Von diesen können 10 dem Bereich der hochspekulativen Aktien-Anleihen zugerechnet werden, in denen 7,221 Mio. Euro oder 40 % angelegt wurden.

Aktien-Anleihen, die auch ähnliche Bezeichnungen tragen können, sind weder Aktien noch Anleihen, sondern hochspekulative Papiere, die den Käufer, zum Beispiel die Stiftung, stark vereinfacht in die Position eines Risiko- Nehmers versetzen. Ein Beispiel aus dem täglichen Leben: Sie haben eine Versicherung abgeschlossen, zahlen jährlich 1.000 Euro Prämie, die für immer der Versicherungsgesellschaft gehört. Tritt ein Schaden ein, erhalten Sie von der Versicherung eine Summe von zum Beispiel 10.000 oder 50.000 Euro. Bei Aktien-Anleihen entsteht der Schaden durch kräftige Kursverluste von Aktien, die Sie nach Wahl des Emittenten der Aktien-Anleihen übernehmen müssen und der die geringen Zinsen, die eine Art Einnahme aus Versicherungsprämie darstellen, um ein Vielfaches übersteigen können.

Auf einen Satz gebracht, steht bei Aktien-Anleihen ein maximal begrenzter Gewinn, zum Beispiel 5 % auf den Einsatz innerhalb eines halben Jahres, einem maximalen Verlustrisiko von fast 100 % gegenüber.

Eine ausführliche und fachlich sehr gute Erklärung sowie eine Grafik mit der Darstellung von Chancen und Risiken finden Sie hier [1].



Quelle: Von VÖRBY - eigene Grafik, Bild-frei, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=6488862

Das Ergebnis des Jahres 2008 für diese 10 Aktien-Anleihen ist dann auch niederschmetternd ausgefallen, von 7,221 Mio. Euro blieben am Jahresende 2,725 Mio. übrig, ein Verlust von 4,496 Mio. Euro oder 62 %.

Bei den weiteren Anlagen gab es ebenfalls erhebliche Verluste, so nahm der Wert der DWS Aktien Strategie Fonds um 1,700 Millionen Euro oder 49 % auf 1,768 Millionen Euro ab und von den DWS Europa Innovation Anteilen mit einer Anlagesamme von 1,418 Mio. Euro blieben am Jahresende 462.000 Euro übrig, ein Verlust von 77 Prozent.

Insgesamt wurden von der Stiftung per Ende 2008 nicht realisierte Verluste von 8.326 Mio. Euro ausgewiesen, ein Verlust von 46 Prozent.



Die vorliegende Übersicht über die Finanzanlagen zum Ende des Jahres 2008 zeigt nicht das gesamte Bild. Enthalten sind darin nicht während des Jahres 2008 erzielte und verbuchte Gewinne und Verluste, die sich aber im Verhältnis zu den oben genannten Millionenverlusten in engen Grenzen halten sollten. Auch zeigt der "Bilanzansatz" nicht unbedingt den ursprünglichen Kaufpreis der Anlagen. Die Kernaussagen zu den massiven Kapitalverlusten bleiben jedoch unverändert gültig.

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Waren solch riskante Anlagen zulässig ?

In der Satzung der Stiftung werden hierüber keine Angaben gemacht. Ob nach den sonstigen deutschen Gesetzen riskante Anlagen getätigt werden dürfen und bis zu welcher Höchstgrenze, mögen Fachleute für Stiftungsrecht und Juristen entscheiden.

Stiftungsintern lassen sich jedoch in den Protokollen entsprechende Hinweise finden:

Sitzung vom 05.11.2002: Im weiteren Verlauf erläuterte Herr Krenkel die bisherige Anlagepolitik. Neben den gesetzlichen Vorschriften ist auf der Kuratoriumssitzung am 22.03.1999 ein Beschluss gefasst worden, dass 33 % vom Geldvermögen der Stiftung für eine dynamische Vermögensverwaltung separiert und in Aktienfonds, Aktien, festverzinsliche Wertpapiere sowie in chancenreiche (z.B. YES-Anleihen) bzw. sichere Wertpapiere (z.B. Anteile an offenen Immobilienfonds) investiert werden.

Weiter im Protokoll: Um fortan Risiken zu vermeiden bzw. zu minimieren, aber dennoch deutlich höhere Renditen zu erzielen, schlug Herr Krenkel folgende Vorgehensweise vor: Grundsätzlich bleibt der Beschluss vom 22.03.1999 bestehen und soll um folgende Punkte ergänzt werden:

- Bei Aktien sollen künftig keine Einzelwerte mehr angeschafft werden, sondern nur noch Aktienfonds und diese beschränkt auf Standardwerte, d.h. keine Nebenwerte und keine Werte des neuen Marktes.
- Festverzinsliche Wertpapiere [Anmerkung Redaktion: Anleihen] maximal bis Investgrade BBB
- keine YES Anleihen


Bei YES Anleihen handelt es sich um die oben erwähnten hochriskanten Aktien-Anleihen [1], die für die Millionenverluste des Jahres 2008 verantwortlich waren. Möglicherweise ist hier gegen die Kuratoriumsbeschlüsse verstossen worden.

Im Protokoll vom 12.03.2007 ist zu lesen: Der Rentenanteil am Gesamtdepot beträgt z.Zt. 55 %, der Aktienanteil 45 %. Damit liegt der Aktienanteil im Rahmen der in den Anlagerichtlinien festgelegten Aufteilung von 45 % Aktien zu 55 % Renten.

Diese Aussage des Rentenanteils muss bezweifelt werden, möglicherweise handelte es sich bereits in 2007 nicht um Rentenwerte (= sichere Anleihen), sondern um hochspekulative Aktien-Anleihen.

Im Protokoll vom 26.11.2007 ist zu lesen: Die Rendite der Finanzanlagen 2007 (d.h. die Zinserträge und die saldierten Gewinne/Verluste aus Abgängen des Anlage- und Umlaufvermögens in Relation zum eingesetzten Kapital in Finanz- und Wertpapieranlagen) wird zwischen 9,5 und 10 % liegen (2006: 8,69 %].

Zudem erläutert Herr Krenkel, der Geschäftsführer der Stiftung: Der Rentenanteil im Gesamtdepot beträgt z.Zt. 62 %, der Aktienanteil 38 %. Damit liegt der Aktienanteil deutlich unter der in den Anlagerichtlinien festgelegten Aufteilung von 45 % Aktien zu 55 % Renten

Diese Ausführungen sind irreführend. Es wird, so liest es sich, möglicherweise den anwesenden Herrn Faißt, Pranke, Richter, Bergmann, Fischer, Hartig, Jäger und Lindner suggeriert, dass Aktien risikoreicher als Renten sind. So ist es auch, Renten = Anleihen haben geringeres Risiko, aber Aktien-Anleihen, die zu diesem Zeitpunkt im Depot gewesen sein müssen, haben extreme Risiken.

Hier stellt sich die Frage, ob Herr Krenkel als Geschäftsführer und die anwesenden Herren und die zwei nicht anwesenden Damen des Kuratoriums überhaupt in der Lage waren, die extremen Risiken zu erkennen ?

Anwesend bei der Sitzung war auch Herr Klein von der Firma DKS Vermögensverwalter GmbH, der die Anlagestrategie der Stiftung, die aus dieser Anlagestrategie resultierenden Ergebnisse des Stiftungsvermögens auch im Vergleich mit anderen Stiftungen erläuterte.

Hieraus kann vermutet werden, dass die wesentlichen Impulse der Umschichtung von risikoarmen Anlagen auf risikoextreme Anlagen mit Hilfe dieses Vermögensverwalters umgesetzt wurden.

Protokoll vom 25.11.2009: Herr Krenkel erläuterte die Vermögensaufstellung der Stiftung und die Anlagestruktur des Stiftungskapitals. Der Rentenanteil im Gesamtdepot beträgt 44 %, der Aktienanteil 56 %. Genehmigt sind 45 % Aktien, 55 % Renten. Das momentan verschobene Verhältnis liegt darin begründet, so Herr Krenkel, dass die gerissenen, nunmehr nach und nach fällig werdenden Rentenpapiere in Aktien zurück gezahlt werden.

Oder anders gesagt, die Aktien-Anleihen werden in Form weitgehend wertverminderter Aktien ins Depot gebucht. Zitat: Zu den momentan niedrigen Kursen, zu denen sie ins Depot gelegt werden, möchte Herr Krenkel sie aber nicht verkaufen.

Das nächste Protokoll betrifft die Sitzung vom 25.11.2010. Aus diesem geht hervor, dass der Antrag auf Herabsetzung des Stiftungskapitals von der Stiftungsaufsicht negativ beschieden wurde. Herr Krenkel berichtete, dass aus den Commerzbank Relax Papieren und dem Dax-Express der Hypovereinsbank "noch in diesem Jahr" mit einem Abschreibungsbedarf von 850.000 Euro zu rechnen sei.

Weiter war von Herrn Krenkel zu erfahren, dass der Rentenanteil am Depot 33 % und der Aktienanteil bei 67 % liegen würde. Mit Renten sind vermutlich erneut hochspekulative Derivate gemeint.

Herr Krenkel informiert das Gremium, dass zur Zeit nur mit Aktien der Firmen Telekom, EON und RWE Dividendenrenditen von 6 bis 7 % zu erzielen sind. Was nicht im Protokoll steht: Hohe Dividenden-Renditen sprechen eher dafür, dass die Risiken von Kursverlusten über dem Durchschnitt anderer Aktien liegen. Als Beispiel möge die Grafik des Kurses der RWE Aktien [3] dienen, die vom Sitzungstag im November 2010 von 47 auf 7.40 Euro in 2015 gefallen sind, ein Rückgang um 84 %. Die Dividende wurde seither von 3.50 auf 0.13 Euro ermässigt [4].



http://www.ariva.de/rwe_vz-aktie/chart?t=all&boerse_id=6

Das letzte hier vorliegende Protokoll betrifft die Sitzung vom 15.05.2012. In diesem wurde von Herrn Krenkel informiert, dass das Stiftungsvermögen nicht mehr "ungeschmälert in seinem Bestand erhalten geblieben sei". Als Grund werden die außerplanmässigen Abschreibungen auf Finanzanlagen und Wertpapiere über 1,327 Mio. Euro genannt. Das Eigenkapital der Stiftung liegt um 0,876 Mio. Euro unter dem Grundstockkapital einschliesslich Zustiftungen.

Am gleichen Tag berichtete die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft von Wertverlusten bei den Finanzanlagen über 3,337 Mio. Euro, die noch nicht abgeschrieben sind. Der Zeitwert der Papiere läge um 28 % unter dem Buchwert. Empfohlen wird eine weitere Senkung der Aufwendungen für die Zweckerfüllung.

Soweit die wichtigsten Daten.

Damit stellen sich eine Reihe von Fragen:

- War es den Verantwortlichen, in erster Linie Herrn Krenkel, erlaubt, Gelder in hochspekulativen Papieren anzulegen ?

- War Herrn Krenkel klar und bewusst, dass mit den gekaufen Papieren bei auf Zinsen beschränkten Gewinnchancen im Gegenzug Risiken im Millionenhöhe eingegangen wurden ?

- War den Kuratoren der Stiftung bekannt und wurden sie von Herrn Krenkel darüber informiert, dass mit "Renten"-Papieren nicht etwa sichere festverzinsliche Papiere, sondern hochspekulative Papiere erworben wurden ?

- Gab es im Vorstand, bei der Geschäftsführung und im Kuratorium mehrere oder mindestens eine Person, die Chancen und Risiken von Anlagen über zeitweise rund 20 Millionen Euro beurteilen konnten ? Falls ja, hat diese Person auf Risiken hingewiesen, so dass alle Verantwortlichen davon wussten ?

Schöne Grüsse, Richard

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Aktienanleihe
[2] http://www.dooyoo.de/finanzen-sonstige/aktienanleihen/309455/
[3] http://www.ariva.de/rwe_vz-aktie/chart?t=all&boerse_id=6
[4] http://www.ariva.de/rwe_vz-aktie/bilanz-guv?page=0
 
Quelle: www.philaseiten.de
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