Thema: Fremde Post in der Levante: Belege echt gelaufen
sentawau Am: 06.08.2017 13:57:37 Gelesen: 66090# 77@  
[#69]

Das ist ein sehr seltener und interessanter Brief! Was hat wohl der Absender von dem Reeder (armateur) in Bordeaux gewollt? Ich vermute, es ging um eine Ladung Rotwein oder Cognac.

Rumänien wurde seit 1866 von einem deutschen Fürsten (Hohenzollern-Sigmaringen) regiert. 1876 beseitigte der Berliner Kongress die letzten Abhängigkeiten vom türkischen Sultan. Dieser Abhängigkeit verdankte wahrscheinlich das alte Rumänien seine Zurechnung zur Levante! Im 1. Weltkrieg wollte sich der greise König Carol I. den Mittelmächten anschließen, konnte sich aber gegen Adel und Militär nicht durchsetzen. Sein nachfolgender Neffe trat 1916 der Entente bei. Daraufhin besetzten deutsche und österreichische Truppen binnen kurzem das Land. Dazu die nachfolgend abgebildete Feldpostkarte.



Ein Angehöriger der K. u. K. Telegraphen-Betriebsabteilung für Ostrumänien, K. u. K. Etappenpost 346, schreibt auf einer erbeuteten und als Formular benutzten rumänischen Feldpostkarte (FP 4) mit einem Stempel der deutschen (!) Feldpost vom 28. Mai 1917 und einen türkischen Zensurstempel an seinen aus Köln stammenden Vater nach Konstantinopel, Pera Palace (ein Hotel?): „… Lange habe [ich] jetzt keine Nachricht von Dir bekommen. Wie geht es Dir? Denkst Du noch lange dort zu bleiben? …“ Die Karte macht neugierig, aber mehr ist nicht zu erfahren.



Der Kleine Kreuzer „Breslau“ war bei Ausbruch des Krieges im Mittelmeer stationiert und wurde der Türkei übergeben. Dort tat er unter dem Namen „Midilli“ Dienst, behielt aber ihren Marineschiffspoststempel. Im Januar 1918 lief das Schiff auf eine Mine und sank.



Im 1. Weltkrieg kämpften viele deutsche Militärs und Berater in Kleinasien. Die nachfolgende Postkarte vom 30. Dezember 1916 trägt einen türkisch/deutschen Feldpoststempel, doch genoss sie, weil in die Schweiz gerichtet, keine Portofreiheit. Ihr Schreiber ist Ober-Militärbeamter beim Straßenbau-Sonderkommando in Kutahia. Er berichtet: „ … Anfang Januar fahre ich wieder nach Kutahia zu, nachdem ich im Dezember noch eine interessante Reise über das Marmarameer und in Richtung Smyrna auszuführen hatte …“.

Auch während des Krieges lebten noch viele deutsche Zivilisten in der Türkei. Sie wurden erst nach Kriegsende zusammen mit den deutschen Militärs ausgewiesen.



Die Stimmung der Deutschen war gut. Auf der nach Kirchheim/Teck dressierten Karte teilte die Schreiberin 1915 mit: „… Wegen uns mache Dir keine Sorgen, es geht uns gut, und warum sollte es schlimm kommen?...“ Die beiden abgebildeten Karten tragen die Stempel der türkischen Zensur.



Zum Schluss noch eine Karte, die nicht nur wegen ihres skuril deformierten Durchgangsstempels ‚Stambul Depart‘, sondern besonders wegen ihres Textes interessant ist. Absender ist der deutsche Hofkapellmeister des Sultans Paul Lange Bey (diesen Titel trugen höhere Militärs oder Beamte). Er schrieb seinem Sohn in Charlottenburg: „… Bravo für Deinen schönen Brief! Mache Dir nur keine Sorgen um die Zukunft. Nach diesem Krieg wird alles gut … Vergiss ja nicht, wegen des Eisernen Kreuzes nachzufragen und Deinen Gewährsmann anzugeben! Das darfst Du auf keinen Fall vernachlässigen! Lebt Dein Companieführer noch? Da bleibt fürs ganze Leben ein schönes Erinnerungszeichen zurück. Ich freue mich von Herzen, dass Deine Stimmung wieder gehoben ist. Feste drauf! Meinen gedruckten Hindenburg-Marsch von hier werde ich schicken, der macht hier Furore. [..?..] wird ihn auch wahrscheinlich drucken für Deutschland. Ich habe ihn für große Militärmusik fein concertmäßig instrumentiert und dann noch für Marsch-Musik. Den Text habe ich auch verfertigt..."

Viel Spaß beim Lesen wünscht Sentawau!
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/10526
https://www.philaseiten.de/beitrag/158987