Thema: Altdeutschland Bayern: Vermerke auf Belegen deuten
bayern klassisch Am: 18.10.2017 17:05:59 Gelesen: 4199# 5@  
Liebe Freunde,

ja, wo soll man bei dem Briefchen hier anfangen?



Fangen wir mal mit dem Inhalt an. Geschrieben wurde es am 29.05.1854 in Altdorf bei Nürnberg (ca. 15 km östlich der fränkischen Metropole und seit 1.2.1846 mit einer eigenen Postexpedition geadelt. Doch gab man den Brief an "Herrn Künle Obeaufsehe in Tuttlingen) nicht dort auf, sondern versah ihn vorne unten links mit dem Vermerk "f. Ngb" für "franco Nürnberg".

Nürnberg lag geographisch natürlich auf dem Weg von Altdorf nach dem schwäbischen Tuttlingen, von daher machte das Sinn. Wie sehr, wird sich noch zeigen.

Ein Tag später in Nürnberg wurde er am Vormittag gegen 10.00 bis 11.00 Uhr aufgegeben bzw. in den Briefkasten geworfen und zuerst notierte man 6 Kreuzer Porto, wie es richtig gewesen wäre für einen Portobrief bis 10 Meilen im Postverein (3 Kr. Porto + 3 Kr. Zuschlag wegen nicht vorhandener Frankatur). Da Tuttlingen von Nürnberg Luftlinie jedoch 243 km entfernt lag (Witz komm raus, der geschlossene Mühlradstempel Nürnbergs damals hatte die Nummer 243), handelte es sich also eindeutig um einen Portobrief über 20 Meilen (150 km) = 9 Kr. plus 3 Kr. Portozuschlag = 12 Kr. vom Empfänger.

Statt dessen wurde aus den eh völlig falschen 6 Kr. eine 9 Kr. Portostufe gezaubert, die natürlich auch unrichtig war. So belastet lief der Brief nach Tuttlingen am 1.6.1854 ein und wurde dort mit roter Tinte (damals dort üblich) mit nur 9 Kr. Porto bestätigt. Württemberg war das sehr recht, denn der Schwabe sparte sich 3 Kr. und Bayern hatte eben diese verloren, weil man nicht rechnen konnte.

Für den Absender war es aber auch egal, ob er den Brief von Altdorf aus gesandt hätte (noch weiter), oder von Nürnberg aus, weil beide Orte über 20 Meilen vom Zielort entfernt lagen. Da er aber "franco Nürnberg" notiert hatte, bedeutete dies nur, dass er dem Transporteur des Briefes nach Nürnberg etwas gegeben haben musste für seine Hilfe.

Zum Inhalt:

"Altdorf, den 29ten May 1854

haben Sie die Güte und schiken an
meinen Bruder seinem Sohn an Jacob
nach Mühlheim diesen Brief sogleich
hinaus, weil seine Mutter gestorben
ist, bitte ja nicht zu säumen, Sie werden
von meinem Bruder in kurzer Zeit
selbst einen Brief bekommen.

Freundschäftlich grüßt Sie

Stephan Hoffmann"

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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