Thema: (?) (668) Postverhältnisse Bayern - Österreich
bayern klassisch Am: 06.12.2017 13:21:13 Gelesen: 223595# 220@  
Liebe Freunde,

jahrelang habe ich nach einem solchen Brief gesucht und endlich bin ich fündig geworden. Dabei sieht der Kleine doch so harmlos aus, jedenfalls von vorne:



Der Absender schrieb die Adresse in Stuttgart am 20.6.1851 wie folgte:

Bohème (= Böhmen, also nördliches Österreich)
A Son Excellene
Monsieur le Comte Charles de Chotek & &
à Großpriesen
par Dresde
franco

Großpriesen heißt heute natürlich ein bischen anders [1].

Zum Empfänger dies: https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Chotek_von_Chotkow

Das für mich höchstinteressante ist aber der Zusatz "par Dresde", also über Dresden. Damit sagte der Absender der Post, dass er seinen Brief über Sachsen nach Großpriesen geleitet haben wollte, womit wir bei dem Laufweg Dresden - Bodenbach wären, der ja ab April 1851 gangbar war, was man auch in Stuttgart wusste.

Jedoch, die Siegelseite belehrt uns eines besseren: Bahnpost Nördlingen 21.6. als Station der Strecke von München nach Nürnberg, dann aber nicht, wie man annehmen müsste aus postalischen und vorgegebenen Gründen via Hof, Leipzig und Dresden nach Bodenbach, sondern nach Eger über den lokalen Paketschluß Waldsassen am 22.6. und von dort nach Aussig am 23.6.. Wann er nun in Großpriesen ankam, wissen wir leider nicht, denn ein Ankunftsstempel mangelt.

Zu den Taxen: Der Brief war voll frankiert, nur hatte man in Württemberg 2 Probleme: 1. Man hatte noch keine Briefmarken, wie andere Länder (erst zum 15.10.1851 erschienen) und 2. war man noch nicht im Postverein, so dass Marken, hätte es sie bereits gegeben, keine Gültigkeit gehabt hätten.

Ergo galt auch Ende Juni 1851 noch immer die gute, alte Barfrankatur, denn anders ging es nicht. Der Absender zahlte für 3 Postgebiete (Württemberg, Bayern und Österreich) 6 und 8 Kreuzer. Das heißt, er zahlte in einem Postgebiet gar nichts und das war in Württemberg, denn dort war er portobefreit!

8 Kreuzer für den historischen Transit durch Bayern (Postvertrag von 1809 mit Regulativ vom 1.12.1810, welch ein Anachronismus damals, weil noch in halben Münchener Lothschritten zu rechnen war und mit 50%iger Steigerung, statt wie damals üblich in Bayern und im Postverein mit Verdoppelung bei höheren Gewichten) und 6 Kreuzer für Österreich ab der bayer. - österreichischen Grenze.

Weil man aber nicht 8 / 6, sondern zuerst 6 / 8 geschrieben hatte, war diese Notation falsch gewesen, denn Württemberg hatte das Weiterfranko in der Reihenfolge des Postlaufs zu notieren und nicht anders. Da Württemberg Bayern den Brief gab, galt es das bayerische Transitfranko im Nenner aufzuführen, also hier 8 Kr. und erst dann das Weiterfranko für Österreich im Zähler zu notieren, hier also 6 Kreuzer, sonst hätte der Brief nicht zu den Gebühren in der Briefkarte nach Nördlingen gepasst und Nördlingen hätte in der retour laufenden Attestkarte eine Korrektur vornehmen müssen, was sicherlich keiner damals wollte.

Liebe Grüsse von bayern klassisch

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Velk%C3%A9_B%C5%99ezno
 
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