Thema: Altdeutschland Bayern: Ganzsachen der Kreuzerzeit
bayern klassisch Am: 21.06.2009 00:39:34 Gelesen: 47739# 3@  
Wie ich bereits erwähnte, waren die 3 Kr. GU für einfache Fernbriefe vorgesehen. Zu 99,9 % fanden sie so auch ihre Verwendung.

Bis heute ist ein Stück aufgetaucht als Ortsbrief, wobei zu sagen ist, dass es ab dem 1.1.1868 in Bayern keine 3 Kr. Ortsfrankaturen mehr gab.



Am 14.6.1871 wurde in Weissenburg ein Ortsbrief aufgegeben, der bis 1 Loth nur einen Kreuzer, über 1 bis 15 Loth nur zwei Kreuzer gekostet hätte. Offenbar war dem Absender das Schreiben an den Bezirksamtsassessor Käppel sehr wichtig, dass er auf den einen oder die beiden Kreuzer, die er sich hätte sparen können, glaubte verzichten zu müssen.

Oder die Post hatte noch oder schon geschlossen und er musste nehmen, was da war.



Am 11.12.1870 schrieb man von Ansbach nach Linz in Österreich. Als Teil der Adresse notierte der Absender unten links "frei gegen Schein". Dieser Terminus war bei der eingeschriebenen Versendung von Poststücken vorgesehen. Auch hier löste der Abesnder aber keinen Schein, ließ die Sendung also nicht einschreiben, sondern war sie in den Briefkasten des Postlokals von Ansbach.

Die Aufgabepost war gehalten, dergleichen Briefe nicht als rekommandiert zu behandeln, wiewohl es auch Gegenbeispiele gibt.

Um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, man hätte die gewünschte Einschreibung verschlafen, strich man den Vermerk "gegen Schein" und notierte "Boite" = Briefkasten. Vermutlich hatte die Poststelle in Ansbach noch nicht geöffnet oder war schon geschlossen, als der Absender seinen Brief aufgeben wollte.

Mit einem traurigen Individualschicksal möchte ich für heute schließen.





Im Krieg 1870/71 waren Sendungen von der Front zur Heimat und vice versa portofrei. Der bayerische Staat zeige sich sehr generös, weil man die Kommunikation innerhalb der Familien nicht noch in diesen schweren Stunden verteuern wollte.

Dass man trotzdem einen GU nahm, hing wohl auch mit der Schnelligkeit zusammen, denn man wollte schnell wissen, wie es um ihn bestellt war. Zumindest läßt dies die Einschreibung vermuten. Wäre der Brief selbst portofrei gewesen, so hätte die Einschreibung immer 7 Kr. gekostet, auch von der Front Richtung Heimat (es ist dies auch der einzige eingeschriebene Brief Heimat - Front, den ich kenne).

Jedenfalls schrieb am 28.8.1870 die Familie ihrem Sohn Ludwig Volk unter der genauen Angabe seiner Einheit per Feldpost. Der Umschlag lief dann auch an seine Einheit in Frankreich, doch weilte unser tapferer Recke nicht mehr dort. "Befindet sich zur Zeit in Nördlingen, Quillmann, hautbrist" notierte man vorne bei seiner bayerischen Einheit in Frankreich.

Nun lief er, zuerst mit der Feldpost, dann per Bahn (ganz normal) nach Nördlingen, wo er (im Spital) zugestellt werden sollte.

Die Zustellung konnte aber auch dort nicht bewirkt werden, denn siegelseitig notierte man in Nördlingen am 24.9.1870 "Adressat in Nördlingen nicht aufzufinden". Wenn ein Soldat nicht im Spital war und auch nicht bei seiner Einheit, dann bedurfte es nicht vieler Worte, um sein Schicksal zu kennen.

Das eingeschriebene Kuvert lief am 26.9.1870 an den Aufgabeort Stadtsteinach retour. Die Annahme dieses Kuverts tat weh ...

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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