Thema: (?) (1180) Rohrpostbelege
Schmuggler Am: 07.10.2013 18:47:10 Gelesen: 1116572# 897@  
@ blaujacke [#896]

Guten Abend blaujacke,

mit Bedauern sehe ich Deine Frage noch nicht beantwortet. Ich greife daher mal aus dem Hintergrund in den Topf.

Berlin war ab dem 1.10.1920 nicht mehr in viele kleinere Einheiten zerstückelt, sondern eine recht kompakte Einheit per Gesetz geworden. Das liest sich so:

Die verfassungsgebende preußische Landesversammlung verabschiedete am 27.4.1920 „Das Gesetz zur Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin“ mit 20 Verwaltungsbezirken. Zum 1.10.1920 trat das Gesetz in Kraft.

Mit dem zeitlich korrekten Vollzug des Gesetzes vereinte die Stadt Berlin insgesamt 8 Städte, 59 Landgemeinden und 26 autarke Gutsbezirke, dabei auch das Verwaltungsgebiet „Königliches Schloss“, zu einer einheitliche verwalteten Stadt, welche insgesamt eine Ausdehnung von fast 900 km2 hatte. Berlin wurde nach New York und London mit fast 4 Millionen Einwohnern die damals drittgrößte Stadt der Welt.

Die Reichspostverwaltung reagierte auf die neue Anforderung und genehmigte erst einmal für alle Postorte innerhalb der Stadtgemeinde das vergünstigte Ortsporto für die Briefpost; den seit 1.4.1900 bekannten Nachbar-Ortsverkehr bzw. die 1911 genannten postalischen Nachbarortsgebiete zu Berlin gab es nicht mehr.


In diesen Vorgang war auch die Rohrpost involviert, d. h. ab diesem Datum gab es den seit 1901 bekannten Rohrpostbezirk mehr. Das liest sich wie folgt:

Alle Rohrpostsendungen konnten aus der ehemaligen „Stadt Berlin“ jetzt zur Rohrpostgebühr ohne Portoergänzung an jeden Postort innerhalb der Stadtgemeinde Groß-Berlin befördert und per kostenloser Eilbestellung zugestellt werden. Die Summe aller Postorte (inklusive der ehemaligen Stadt Berlin) wurde „Ortsgebührenbereich“ genannt. Welche Ortschaften das waren wird mit der Überschrift "1. Postorte im Ortsgebührenbereich von Groß-Berlin“ genannt.

Ausnahme:

Innerhalb der Stadtgemeinde gab es noch Land-Bestellorte, d. h. der Bestimmungsort lag zwar innerhalb der Stadtgemeinde, hatte aber kein Postamt und war nach alter Definition somit kein Postort.

Rohrpostsendungen an diese Land-Bestellorte wurden nicht per Eilbestellung, sondern „bei nächster Gelegenheit“ per Briefpost dem Empfänger zugestellt. Wurde die Eilbestellung vom Absender dennoch gewünscht, musste die Eilbestellgebühr laut Postordnung (PO) zur Rohrpostgebühr hinzu frankiert oder taxiert sein; ein zusätzliches Porto kam jedoch nicht in Ansatz.

Welche Ortschaften das waren wird mit der Überschrift „2. Land-Bestellorte im Ortsgebührenbereich von Groß-Berlin“ genannt.


Ferner:

Sendungen an Postorte außerhalb der Stadtgemeinde Groß-Berlin mussten nach den Tarifen der Postordnung (PO) als eine Fernsendung frankiert bzw. taxiert sein.

Für die Rohrpost entfiel an diese Postorte die kostenlose Eilbestellung und es kam nur das gewöhnliche Ergänzungsporto für die entsprechende Sendung zur Rohrpostgebühr laut PO hinzu. Wurde die Eilbestellung dennoch gewünscht, kam zur Rohrpostgebühr außer dem Porto auch noch die Eilbestellgebühr zusätzlich in Anrechnung.

Ausnahme:

Lag der Bestimmungsort ohne Postort außerhalb der Stadtgemeinde, aber das für den Bestimmungsort zuständige Zustellpostamt noch innerhalb der Stadtgemeinde, kam kein Ergänzungsporto zur Rohrpostgebühr hinzu und die Sendung wurde ebenfalls „bei nächster Gelegenheit“ durch die Briefpost bestellt. Wurde die Eilbestellung gewünscht, kam zur Rohrpostgebühr die Eilbestellgebühr zusätzlich in Anrechnung - wie vor.

Welche Ortschaften das waren wird mit der Überschrift „3. Land-Bestellorte außerhalb des Ortsgebührenbereichs von Groß-Berlin“ gemeinsam mit dem zuständigen Zustellpostamt genannt.


Zu Deiner Karte:

Lichterfelde lag zu dieser Zeit (noch) NICHT in der Stadt Gross-Berlin, sondern in der OPD Berlin/Land. Somit kommt das Weiterleitungsporto für eine Karte (sie betrug zu dieser Zeit 30 Pfennig) zu den 1,30 Mark hinzu.

Alles geklärt?
 
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