Thema: Ansichtskarten aus Ägypten
Cantus Am: 10.12.2013 19:10:58 Gelesen: 16172# 2@  
Port Said (Bur Sa‘id)

Port Said wurde erst 1860 gegründet und zählte 1882 bereits 16.560 Einwohner, davon 5.867 Europäer.

Port Said, die Ägypter nennen es Bur Sa‘id, entstand mit dem Suezkanal, wurde nach dem Vizekönig Muhammad Said benannt und war zunächst nur ein Camp für die beim Bau beschäftigten Arbeiter. Als die ersten Schiffe kamen und hier an der Einfahrt zum Kanal auf die Freigabe der Passage warteten, ließen sich Händler, Schiffsagenten, Schankwirte und Prostituierte am neuen Hafen nieder. „Verderbtheit gibt es in vielen Teilen der Welt, Sünde überall, aber die konzentrierte Essenz aller Laster und Sünden f indet sich in Port Said“, notierte Rudyard Kipling 1899 in „The Light that Failed“ und beschrieb ausführlich die Spieltische, Salons und Tanzlokale. „In Port Said ist alles käuflich.“

Auch Aldous Huxley ließ sich über die englisch-französische Kolonialstadt unter dem Regime der Kanalgesellschaft aus: „Sie sprechen alle Sprachen und nehmen jede Währung. Doch im Gegenzug rauben sie aus, und die Gabe ihrer Zungen benutzen sie nur für Betrügereien.“ (Quelle: http://www.michael-mueller-verlag.de/ xtras/ pdf/ sinai_rotes_meer_leseprobe_2.pdf)

Die Stadt, in deren besseren Klassen im neunzehnten Jahrhundert das französische Element überwog (das Araberviertel lag etwas entfernt im Westen), war sehr regelmäßig angelegt worden, machte aber bei völliger Baumlosigkeit mit ihren zum Teil hölzernen Häusern einen unfertigen, nicht angenehmen Eindruck. Am Hafen, der aus mehreren Bassins gebildet wurde, lagen die Werkstätten und Docks der Kanalkompanie, des Österreichisch-Ungarischen Lloyd, der Messageries Maritimes, Peninsular und Oriental Steamship Company, der Russischen Dampfschiffahrts- und Handelsgesellschaft u.a.m.

Nördlich von der Stadt, am Kanal und Meeresufer, steht ein 53 m hoher Leuchtturm, dessen elektrisches Licht 20 Seemeilen weit sichtbar war.

In das Meer hinaus ragten zwei riesige Molen aus Betonblöcken, von denen die östliche 1.600 m, die westliche 2.250 m lang war. Das Fahrwasser zwischen ihnen bis hinaus ins Meer wurde durch Leuchtschiffe sichtbar gemacht.

Port Said war damals Sitz eines deutschen Konsuls. (Quelle: Meyers Konversations-Lexikon, 1889).

Und später?

Von der Kolonialzeit sind im Stadtbild noch viele Spuren auszumachen: Port Fuad, der Ortsteil am Ostufer des Kanals, wurde 1926 als Wohnquartier für die Angestellten der Kanalgesellschaft angelegt und hat sich seither kaum verändert. Auf dem Westufer schafft die Kolonialarchitektur mit rechtwinkligen Straßenzügen, Arkaden und Holzbalkonen eine für Ägypten völlig untypische Atmosphäre, wie man sie eher aus den indischen Kolonialvierteln kennt. Auf verblichenen Schildern preisen Schiffsagenten ihre Dienste in Griechisch, Englisch und Französisch an. Hier kann man „Lloyd’s Register“ den Verlust eines Schiffes melden, dort seinem Konsul das Verschwinden des Passes. Beim Justizpalast führen die Dominikanerinnen noch immer das Hospital Délivrande, Franziskanerschwestern betreiben in der Gumhuriya-Straße eine französische Schule. Heute sind die Kais von Port Said unterbelegt. Da der Kanal hier in beiden Richtungen befahren werden kann und Zeit für die Reedereien bares Geld geworden ist, legen nur noch wenige Schiffe im Hafen an. Im Junikrieg wurden große Teile der Stadt zerstört, die Schließung der Wasserstraße ruinierte die Händler.

Als Ausgleich für diese Schäden und zur Wiederbelebung der Wirtschaft bekam Port Said 1975 erneut den Status einer Freizone: Gegenüber dem Ausland gibt es keine Zölle, Import und Export sind ebenso steuerfrei wie jedes Gewerbe im Stadtgebiet. Damit hoffte man, ausländische Konzerne zum Bau von Fabriken bewegen zu können, deren Produkte dann wieder – duty free – ins Ausland verschifft werden könnten. Gekommen ist es anders. Die Stadt wurde zu einem riesigen Supermarkt mit ausländischen Konsumgütern, die von Verbrauchern aus dem Delta und Kairo bei Einkaufsfahrten erworben und ins ägyptische Zollgebiet mitgenommen werden. Für fast jeden Geschmack und Geldbeutel gab es lukrative Angebote: Neben den Waren für den kleinen Mann, etwa die Unterwäsche aus Taiwan, fand die Hausfrau aus der Mittelschicht günstigen Kaffee oder Ananaskonserven. Doch zum Leid der Händler wurde die Zollbefreiung Schritt für Schritt abgebaut und lief 2012 aus. (Quelle: http://www.michael-mueller-verlag.de/ xtras/ pdf/ sinai_rotes_meer_leseprobe_2.pdf)

In Port Said lebten 2010 nach einer Berechnung 607.353 Einwohner. Die Stadt hat nach dem rund 220 Kilometer westlich gelegenen Alexandria den zweitwichtigsten ägyptische Hafen. Er ist Umschlagplatz für Baumwolle und Reis. Wichtige Industriezweige sind die chemische Industrie, die Zigarettenproduktion, die Salzgewinnung und der Fischfang. Port Said ist ein wichtiges Seebad und Anlaufpunkt internationaler Kreuzfahrtschiffe. Ein neues Hafengebiet entsteht in der Nachbarstadt Port Fuad (East Port Said). (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Port_Said)

Eine Stadt, die eine so bewegte Vergangenheit hat und trotz allerlei widriger Umstände auch heute noch eine so bedeutende Rolle in Ägypten spielt, verdient es durchaus, wenn ihre Vergangenheit etwas intensiver durch die Vorstellung alter Ansichtskarten gewürdigt wird. Ich werde daher mit meinen Karten noch eine Weile im Stadtgebiet bleiben, ehe ich mich intensiver dem Hafen und den Schiffen zuwende. Entsprechende Bilder folgen in Kürze.

Viele Grüße
Ingo
 
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